Die "allumfassende Subjektivität"

9 Beiträge in diesem Thema

Empfohlene Beiträge

Gast KingCartman

Die "allumfassende Subjektivität"

Alles was in diesem Text steht, entspringt im wesentlichen einer einzigen Grundaussage:

Alles ist relativ!

Wer glaubt die Tiefe und Bedeutung dieser Erkenntnis bereits durchdrungen zu haben, nicht durchdringen zu wollen, oder einfach nur keine Lust auf so einen Textberg hat, kann auf der Stelle das Lesen einstellen ;-)

Von denen, die weiterlesen, werden einige sagen: "Im Prinzip nichts Neues", andere vielleicht: "toller Beitrag", wieder andere: "so ein Schwachsinn".

Interessanterweise werden diese Reaktionen genau das Bestätigen, worüber ich nun schreiben will.

Noch ein Hinweis: Ist alles sehr umfangreich geworden. Es schadet aber nicht, den Text "häppchenweise" zu lesen; die einzelnen Abschnitte bauen zwar aufeinander auf, bilden aber dennoch inhaltlich geschlossene Blöcke. Und nun viel Spaß

I. Der Irrtum der Absolutheit

II. Es liegt im Auge des Betrachters

III. Erkenne die allumfassende Subjektivität

IV. "Die Welt ist schlecht" - Probleme und ein Ausweg aus der Misere

V. Subjektivität und Zwischenmenschliches

VI. Schlusswort

I. Der Irrtum der Absolutheit

Das Absolute (von lat. absolutum, „das Losgelöste“) ist das, was frei von allen Bedingungen, Beziehungen oder Beschränkungen ist. (Quelle: Wikipedia)

Ich weiß nicht ob der Mensch von Natur aus so "gemacht" ist, oder ob der Ursprung des Ganzen in unserer Gesellschaft liegt. Für mich steht jedoch fest: Der weitaus größte Teil der Menschen erachtet die Welt, die sie umgibt, als absolut.

Viele von uns glauben, die eigene Wahrnehmung der Welt sei die Realität, und diese stände unveränderlich fest. Das ist eigentlich keine Überraschung, schließlich können wir unsere Umgebung nur auf unsere eigene Art und Weise wahrnehmen; eine andere Sicht als die unsere kennen wir nicht. Und was wir nicht kennen, bleibt solange im Dunkeln verborgen, bis wir es erkennen.

Die, die das schon erkannt haben, verfallen oft einer anderen Illusion ... so wie auch ich.

Selbst wenn wir erkannt haben, dass unsere Wahrnehmung nicht die Realität ist, so glauben doch fast alle, es gäbe eine übergeordnete, objektive "Realität". Eine Realität, von der unsere Wahrnehmung "inspiriert" wird. Aber auch diese absolute Realität, an die wir gerne glauben möchten, existiert nicht.

Oder nein, ich muss es etwas konkretisieren. Eine absolute Realität existiert für uns alle in dem Sinne nicht, dass sie bedeutungslos ist. Vielleicht existiert soetwas, aber niemand kann diese absolute Realität (er)fassen. Selbst die Wissenschaft kann sie nicht messen. Denn wie wir wissen, ist auch in der Physik alles relativ. Und dank Quantenphysik wissen wir sogar, dass es garnicht möglich ist, den Zustand des Universums exakt zu bestimmen. In dem Moment wo wir Beobachten, beeinflussen wir.

Aber wir wollen hier keinen Exkurs in die moderne Physik machen, das hat auch nur sehr bedingt etwas mit dem eigentlichen Thema zu tun ;-)

Stell dir einen Gegenstand vor, den niemand wahrnimmt. Meinetwegen befindet er sich in einem Vakuum in einer weit, weit entfernten Galaxis, wo ihn niemand sehen, hören, schmecken, tasten oder sonstwas-en kann. Du weißt, dass er wahrscheinlich existiert, aber nicht mehr. Er wird für dich niemals greifbar sein. Du hast keinerlei Gewissheit, dass er tatsächlich da ist, oder welche Eigenschaften er wirklich hat. Allerhöchstens kannst du ihn vermuten, weil er evtl. seine Umgebung beeinflusst. Welche KONKRETE Bedeutung hat dieser Gegenstand dann für dich? Und die wichtigere Frage: Lohnt es sich für dich, diesen Gegenstand zu ergründen, wenn du ihn nie erfassen können wirst, sondern allerhöchstens den Einfluss den er auf seine Umgebung hat.

Genauso verhält es sich mit einer möglicherweise durchaus existenten "absoluten Realität". Möglicherweise existiert diese "Realität", aber für dich wird sie aus deiner subjektiven Wahrnehmung heraus, oder auch in irgendeinern anderen Art und Weise, niemals wirklich erreichbar sein.

Für dich und dein Erleben hat sie damit quasi keine Bedeutung.

Wir müssen uns also von unserem Absolutheitsanspruch verabschieden. Das ist aber nichts Schlechtes, denn tatsächlich zieht es in der Folge eine wichtige Erkenntnis nach sich:

DU bestimmst die (deine!) Realität!

Warum, dazu mehr im nächsten Abschnitt.

II. Es liegt im Auge des Betrachters

„Wenn man zwei Stunden lang mit einem Mädchen zusammensitzt, meint man, es wäre eine Minute. Sitzt man jedoch eine Minute auf einem heißen Ofen, meint man, es wären zwei Stunden. Das ist Relativität.“ (Albert Einstein)

Unser gesamtes Erleben ist bestimmt von Relativität; von Subjektivität. Ein und dieselbe Situation, können wir, z.B. je nach Stimmung, komplett unterschiedlich wahrnehmen. Die Physik macht es vor: Je nachdem von "wo" oder "wie" wir etwas betrachten, ergeben sich völlig andere Werte.

Dementsprechend nimmt auch jeder einzelne Mensch die Welt anders wahr. Und da kein Mensch gleich ist, ist auch keine Wahrnehmung gleich. Nichteinmal die Wahrnehmung eines Menschen ist immer gleich. An einem Tag sehen wir etwas so, an einem anderen so. Wie wir etwas wahrnehmen hängt eben von einer riesigen Anzahl Faktoren ab (diese Faktoren bestimmen sozusagen unser "Wo" und "Wie"). Welche das sind ist hier nicht wichtig und wohl auch garnicht im Detail zu ergründen.

Entscheidend ist: Jeder lebt in seiner eigenen Welt. Und nichtmal diese Welt jedes Einzelnen ist immer gleich.

Wechsle die Perspektive, und du erlebst eine andere Welt ... im Kleinen wie im Großen.

III. Erkenne die allumfassende Subjektivität

Hier im Forum ist oft die Rede davon "bewusst zu sein", "bewusst zu leben". Mit allem Drumherum: Leben im Hier und Jetzt, intensive Wahrnehmung der Umwelt, Lenken der Aufmerksamkeit hin zur Gegenwart usw.

Oft sind die Texte dann sehr spirituell oder esoterisch angehaucht, was wiederrum nicht jedermanns Sache ist. Auch dieser Text hier, beruht auf im Kern darauf, spielt allerdings ausnahmsweise mal auf einer etwas logischeren Ebene.

Aber zurück zum "bewusst werden". Ich denke, wie bereits vorhin angedeutet, viele verstehen diesen Ansatz falsch. Und wie bereits gesagt kann ich mich da ebenfalls nicht ausnehmen: lange habe auch ich nicht erkannt, um was es wirklich geht.

Ich habe versucht, die Welt "so wie sie ist" wahrzunehmen. Ich hatte erkannt, dass die "Realität" meine subjektive Sicht war. Was ich dann versuchte, führte mich in seine Sackgasse. Ich versuchte, meine Subjektivität "abzulegen", wollte eine erhabene, absolute Wahrnehmung erreichen. Dahinter stand der Glaube, wenn ich mich von meinem Verstand befreien könnte, würde ich die Welt unbeeinflusst wahrnehmen können. "Befreiung von den Fesseln des Verstandes". Den Irrglauben, der sich darin versteckte, erkannte ich damals noch nicht.

Wenn wir eins (I) und eins (II) zusammenzählen, wissen wir auch bereits alle worin der Irrglaube besteht.

Es gibt keine absolute Realität, also gibt es auch keine "objektive Wahrnehmung". Alles was es gibt ist Subjektivität.

Wenn du versuchst diese Subjektivität abzulegen, kommst du vielleicht sogar an einen Punkt, an dem du glaubst das geschafft zu haben.

Das ist tückisch. Denn nun hältst du deine subjektive Wahrnehmung wieder für objektiv, nur dass du glaubst genau diese überwunden zu haben. Du bist wieder am Anfang. Nein schlimmer noch, du steckst sogar noch tiefer drin. Denn während du glaubst "bewusst" zu sein, bist du in tatsächlich noch unbewusster als vorher. Von einer unbewussten Selbsttäuschung, bist du in eine bewusste unbewusste Selbsttäuschung hineingeschlittert ;-)

Bevor ich mich um Kopf und Kragen rede: Das Ganze ist ein Paradebeispiel dafür, wie uns unser Verstand austrickst, wenn wir uns gegen ihn wehren und versuchen uns seiner zu entledigen bzw. gegen ihn ankämpfen.

Was heißt dann also Bewusst-sein?

Bewusst bist du dann, wenn du die allumfassende Subjektivität deiner Wahrnehmung, deiner Urteile und Wertungen, deines gesanten Erlebens erkannt und akzeptiert hast UND dir IMMER im Klaren darüber bist.

Wir können nicht objektiv sein, wir können auch nicht völlig wertungs- oder gar gedankenfrei durchs Leben gehen. Und selbst wenn wir es könnten, so wäre unsere "Realität" doch bestimmt durch unsere Subjektivität. Letztlich spielt sich nämlich alles nur in unserem Gehirn ab.

Was wir aber tun können ist uns dessen immerzu bewusst zu sein, und es uns immer wieder vor Augen zu führen:

DIE WELT IST NICHT SO WIE WIR SIE SEHEN. - Was wir sehen ist UNSERE Welt.

Wir kennen schließlich nur unsere subjektive Sicht der Dinge.

Das ist Bewusstsein: Die ständige Erkenntnis der Abwesenheit von Objektivität. Wir müssen nicht aufhören zu denken, wir müssen nicht aufhören zu Urteilen etc. ... wir müssen uns nur im Klaren darüber sein, dass das alles unserer Subjektivität entspringt. Denn das nimmt all dem die Kraft und die "Macht" über uns.

In dem Moment wo wir uns unserer Subjektivität bewusst sind, bekommen wir etwas, das wir bis dahin nicht hatten: Die Wahl.

Die Wahl, die Dinge so zu sehen, oder eben anders. Oder die Dinge weder so, noch anders, zu sehen und sie einfach sein zu lassen.

Letzteres passiert mit zunehmender Übung immer öfter von allein, wenn du erkennst, wie wenig Sinn es macht sich "festzulegen". Warum solltest du das auch tun? Es gibt eben nicht das eine "Richtig" und das eine "Falsch". Tausend Menschen, tausend Ansichten. Wenn man sich dessen bewusst ist, erscheint "Konkretes" mehr und mehr bedeutungslos.

Und das bringt Freiheit und Leichtigkeit, aber auch Gelassenheit, denn die Illusion der Absolutheit ist wie ein Käfig, der uns einengt. Sie hält uns gefangen in einer einseitigen Sichtweise.

Das sich bewusstsein und -machen seiner Subjektivität bringt aber auch noch etwas anderes mit sich. Dadurch, dass du dich, deine Gedanken, deine Wahrnehmung, fortwährend beobachtest, lernst du dich kennen. Du erkennst bestimmte wiederkehrende Muster. Du erkennst, welche Faktoren deine Wahrnehmung, deine Stimmung usw., wie beeinflussen. Und je länger du das tust, desto mehr innere Ruhe findest du. Dein inneres Gleichgewicht wird immer stabiler.

Durch diese Achtsamkeit begibst du dich außerdem ganz automatisch (es geht dann nicht anders) ins Jetzt. Denn während deine Gedanken niemals die Gegenwart betreffen, so findet deine Wahrnehmung und das Denken an sich doch stets und immerzu in der Gegenwart statt. Wenn du sie aufmerksam beobachtest, so ist deine Aufmerksamkeit im Hier und Jetzt.

Das Lesen und "Verstehen" dieses Textes reicht dafür jedoch nicht aus. Du musst all das, den Prozess der Entwicklung der dahintersteht, selbst erfahren.

Viele von denen die hier mitlesen, auch die, die mir vielleicht nicht zustimmen, haben eine ähnliche Entwicklung wahrscheinlich trotzdem schon mitgemacht. So kommen viele, die mit Pick-Up beginnen, zu dem Schluss, dass soziale Konventionen sie nicht einengen sollten, und kommen irgendwann in eine Situation, in der sie in der Lage sind aus eben diesen auszubrechen. Dahinter steht genau das gleiche: Erkennentnis -> Freiheit. Nur in einem kleinerem, konkreterem Maßstab.

IV. "Die Welt ist schlecht" - Probleme und ein Ausweg aus der Misere

Manchmal ist die Welt wirklich schrecklich. Sie ist unfair, alle wollen uns etwas Böses, und sowieso ist auf keinen Verlass und bei der erstbesten Gelegenheit werden wir von unseren Mitmenschen hintergangen.

Autsch ;-)

Aber sind wir mal ehrlich: Jeder von uns hat sich schonmal in so einer gedanklichen Negativspirale befunden. Das muss sich nicht gleich auf die ganze Welt beziehen, denn nicht jeder leidet an umfassenden Depressionen. Oft geht es um eine Person, einen Vorfall, etc.

Nunja ... wie heißt es so schön: "Die Gedanken sind frei"

Es ist also natürlich grundsätzlich jedem selbst überlassen, ob er sich solchen negativen Gedanken hingibt. Das ist fast wie am Stammtisch: Einer sagt: "Alles scheiße!", der nächste stimmt lauthals zu "Ja genau! Du hast sowas von Recht!". "Einer" ist in dem Falle dein Verstand, und "der Nächste" bist du. Das folgende ausgiebige Gespräch dieses Stammtischs dreht sich dann darum was, wie, und warum alles schlecht ist. Am Ende gehen alle grübelnd nach Hause, und dann kommt auch schon der Haken: Es kam überhaupt nichts Konstruktives heraus bei dem Gespräch.

Du kannst dich selbstverständlich in solchen negativen Gedankenspiralen drehen, dich selbst bemitleiden oder scheiße drauf sein. Nur wird es dich keinen einzigen Schritt vorwärts bringen. Im besten Fall trittst du auf der Stelle, wahrscheinlicher ist jedoch, dass du durch soetwas schnell ein paar Schritte rückwärts machst.

Rufe dir einen Satz ins Gedächtnis: DIE WELT IST NICHT SO WIE ICH SIE SEHE. - Was ich sehe ist MEINE Welt.

Warum gibt es Menschen, für die scheinbar kein Problem unlösbar ist? Menschen, die nicht erst groß mit dir rumjammern, sondern dich bei der Hand nehmen und sagen: "Wir machen jetzt xyz und dann wird das." Und siehe da, dein "unlösbares" Problem löst sich in Luft auf.

Das Geheimnis ist: Diese Menschen haben eine andere Wahrnehmung. Sie betrachten die Dinge aus einer anderen Realität heraus; Von einem anderen Standpunkt.

Und nun die Frage an dich: Wer hindert dich daran einfach deinen Standpunkt zu wechseln, wenn du dich das nächste Mal bei dir selbst beklagst?

Probleme sind eines der subjektivsten Sachen die es gibt. Denke daran, was ich in Punkt III schrieb:

In dem Moment wo wir uns unserer Subjektivität bewusst sind, bekommen wir etwas, das wir bis dahin nicht hatten: Die Wahl.

Und mit der Wahl kommt die Freiheit.

Es steht dir völlig frei, ob du etwas zu einem Problem machst oder nicht. Wenn also an deinem inneren Stammtisch das nächste Mal jemand ruft: "Die Welt ist schlecht!", dann sei dir bewusst, dass du die Dinge nicht so sehen musst. Es ist nur die Meinung eines Freundes. Statt "Ja hast recht." kannst du auch antworten "Quatsch keinen Blödsinn, das Leben ist geil"

Es liegt ganz bei dir ... entscheide selbst.

Allerdings meine ich hiermit nicht, dich selbst zu belügen! Wenn eine Situation für dich nicht zufriedenstellend ist, dann rede sie dir nicht schön. Was ich meine ist: Kapituliere nicht vor der Situation. Baue dir keine Realität, in der dein Problem ein gigantisches, unüberwindbares Hindernis ist. Dann bist du zum Scheitern verurteilt. Packe die Dinge an! Probleme sind lösbar, wenn man sie angeht. Das wäre ein Standpunkt, der dich nach vorne bringt. Wie gesagt: Du bestimmst deine Realität.

"Probleme" anderer Art, die aber besonders häufig vorkommen, und vor allem aus Sicht des angehenden Verführers interessant sind, stehen in Verbindung mit Neid, Eifersucht oder Verlustangst. Vielleicht werde ich diese später einmal in einem gesonderten Thread genauer in diese Betrachtungsweise hier einordnen. Jetzt lieber nicht, es wird ohnehin schon umfassend genug :-D

V. Subjektivität und Zwischenmenschliches

Kommen wir nun zum Punkt, der wie kein anderer von unserer Subjektivität beeinflusst wird: Kommunikation, bzw. Beziehungen zwischen 2 (oder mehr) Menschen.

Bisher ging es nur um den Einfluss der Subjektivität auf uns selbst, doch wenn Menschen miteinander interagieren, so treffen ihre mitunter völlig verschiedenen Wahrnehmungen zwangsläufig aufeinander.

Diese Tatsache führt uns auch gleich zu einem der wichtigsten Punkte beim Umgang mit anderen Menschen: Respekt.

Was hat nun Respekt mit Subjektivität bzw. mit Wahrnehmung zu tun?

(An dieser Stelle Credits to Dreamcatcher, der mir mit seinen Ausführungen erst ermöglicht hat, diesen Abschnitt zu verfassen. Vorher habe ich das "System" hinter meinem Erleben von Respekt nicht in Worte fassen können, es war da, aber ich konnte es nicht definieren. Teilweise inhaltliche Überschneidungen zu seinem Beitrag hier sind deshalb erwünscht und zu erwarten ;-))

Wir können andere Menschen in vielerlei Hinsicht "respektieren". Wir respektieren unseren Chef, wir haben Respekt vor Leuten die viel erreicht haben, wir haben Respekt vor dem Einsatz der japanischen AKW-Arbeiter, die ,unter Einsatz ihres Lebens, versuchen den Supergau zu verhindern, etc.

All diese "Arten" des Respekts haben eines gemeinsam: Wir "respektieren" (was übersetzt übrigens "zurückschauen" bedeutet) die Menschen für etwas, das in der Vergangenheit liegt, bzw. für etwas, das sie in der Vergangenheit erreicht, erarbeitet oder sonstwie erwirkt haben.

Genauer gesagt bringen wir den Respekt einem gedanklichen Bild, einer Assoziation, dieser Menschen in unserem Kopf entgegen. Genau das ist der springende Punkt. Dieser Respekt gilt dann nicht dem Menschen, sondern nur dem was wir selbst mit ihm verbinden. Es ist als wenn du dich mit jemandem unterhältst, mit deiner Aufmerksamkeit aber überall bist, nur nicht bei deinem Gesprächspartner.

Du wirst mir sicher zustimmen, dass man das nicht wirklich als Gespräch bezeichnen kann.

Stimmst du mir dann auch zu, dass diese Art von "Respekt" ebenso "unecht" ist?

Wie können wir einen Menschen, und zwar wirklich diesen Menschen, nicht ein verzerrtes gedankliches Abbild, respektieren, unabhängig davon was er gesagt oder getan hat, und unabhängig von unseren Assoziationen zu ihm?

Ganz einfach: Indem wir erkennen, akzeptieren und es sogar wertschätzen, dass dieser Mensch seine eigene, subjektive Wahrnehmung, seine eigene Realität hat.

Das ist auch schon alles, und gleichzeitig die größte Form von Respekt, die wir einem Menschen entgegenbringen können. Denn nicht was in der Vergangenheit liegt macht einen Menschen aus, sondern seine Wahrnehmung der Welt ... und zwar Hier und Jetzt.

Menschen bemerken das! Sie bemerken, wenn du ihnen mit dieser inneren Einstellung gegenübertrittst. Sie werden nicht benennen können was es ist, doch sie fühlen sich wohl in deiner Umgebung.

Diese Art des Respekts unterscheidet sich noch auf andere Weise von der "klassischen Variante": Es ist unmöglich, den Respekt vor jemandem zu "verlieren". Das geht nicht, denn er ist unabhängig vom Handeln der jeweiligen Person. Immer da, und zwar bei jedem. Auch hier aber wieder eine Anmerkung: Das bedeutet nicht, dass du jeden Menschen gern haben musst. Es bedeutet lediglich, dass du die subjektive Realität jedes Menschen respektierst, unabhängig ob sie mit deiner eigenen übereinstimmt oder vereinbar ist. Zuneigung ist ein ganz anderes Thema.

Zusammen mit der Erkenntnis der eigenen Subjektivität, bringt einen das Ganze im Umgang mit anderen Menschen, auch und insbesondere mit denen die uns nahe stehen, ein großes Stück nach vorn.

Wenn du diese Einstellung lebst, wirst du andere Menschen nicht mehr für etwas verurteilen. Du wirst bei einer Meinungsverschiedenheit nicht mehr mit aller Macht darauf beharren, Recht zu haben, usw.

Wieviel Streit, Stress, Wut, Verletzendes und Unerfreuliches ganz allgemein dadurch vermieden wird, ist unglaublich.

Einige werden vielleicht denken, dass man dadurch zu einem "framelosen" Spielball deiner Umgebung wird, aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Alles wird lediglich harmonischer, und du gehst ohne Groll durchs Leben, denn Zwangsläufig erkennst du früher oder später eine gewisse Bedeungslosigkeit in allen Dingen, und es fällt dir auf einmal leicht loszulassen.

Wenn du dann merkst, dass deine und die Wahrnehmung z.B. deiner Freundin nicht, oder nicht mehr, zusammen passen, und dass für dich ein Level erreicht an dem ein weiteres Zusammensein nicht mehr sinnvoll erscheint, so wirst du ohne Groll loslassen können.

Es geht also nicht darum, alle Prinzipien über Bord zu werfen und zu einem seelenlosen Ja-Sager zu werden. Ganz und gar nicht. Zwangsläufig wirst du ab einem gewissen Punkt einige deiner Anschauungen hinterfragen, und auch verwerfen. Teilweise wirst du dir sogar an den Kopf fassen, was du dir in bestimmten Situationen für einen Schwachsinn geleistet hast. Andere Prinzipien werden dazu kommen. Im gleichen Zuge aber wirst du den "Allmachtsanspruch" deiner Anschauungen aufgeben, und erkennen, dass es unsinnig ist, jemand anderem deine Meinung/Prinzipien aufzwingen zu wollen. Du wirst dich nicht mehr in irgendwelchen Rechthabereien verrennen.

Gerade fiel mir folgeendes auf: vieles von dem was ich gerade geschrieben habe steckt in dem gern gegebenen Rat:

"Nimm dich selbst nicht so ernst!"

Nur einmal etwas anders betrachtet.

VI. Schlusswort

Das ganze ist nun doch ein recht langes Stück Text geworden, und obwohl ich ziemlich genau weiß was ich sagen wollte, so ist es mir doch schwer gefallen meine innere Einstellung in konkrete Worte zu fassen. Es ist mir, obwohl ich nun schon sehr lange und immer mal wieder an diesem Text schreibe, auch nicht 100%ig so gelungen, wie ich es mir vorgestellt hatte, doch trotzdem denke ich, dass das Ergebnis recht gut geworden ist.

Bevor nun eine große Diskussion über Sinn und Unsinn dessen, was hier geschrieben steht, entbrennt, will ich anmerken, dass das ein wichtiger Teil meiner Lebenseinstellung ist, und dass sie für mich bestens, und auch mit den geschilderten Erfahrungen funktioniert. Das muss für niemand anderen hier gelten, und doch vermute ich, dass sich der ein oder andere vielleicht etwas herauspicken kann.

Was besonders interssant für mich war, ist die Entwicklung zu sehen die ich durchlaufen habe. Vor gut einem Jahr habe ich einen Thread geschrieben, der da hieß "Es gibt keine Probleme!". Und obwohl dort einige Gemeinsamkeiten vorhanden waren, so habe ich gemerkt, dass meine Weltanschaung sich stand heute teilweise doch nochmal erheblich verändert hat. Insbesondere wenn ich mir anschaue, wie energisch ich doch in der nachfolgenden Diskussion im diesem Thread zu Werke ging, muss ich heute schmunzeln. Schön, dass dieses Forum Wort und Schrift der Vergangenheit festhält ;-)

Auch dieser Text hier ist natürlich wieder nur ein Schnappschuss meiner derzeitigen Anschauungen, und wer weiß was (und ersteinmal überhaupt ob ;-)) ich in einem Jahr so schreibe.

bearbeitet von KingCartman

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Guter Text, gefällt mir.

Ich habe etwa die selbe mentale Entwicklung wie Du durchgemacht. Ich habe irgendwann angefangen, die Menschen so zu nehmen, wie sie sind. Ohne sie zu verurteilen, auch wenn sie krass andere Standpunkte bzw. Ansichten vertreten.

Hat mich ein ganzes Stück weitergebracht in den zwischenmenschlichen Beziehungen, und ich merke, wie sich die Leute in meiner Gegenwart wohl fühlen, wie Du es in deinem Text auch schon beschrieben hast.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast KingCartman

Danke für das Lob :-p

@kermit

siehe fettgedruckter Satz direkt am Anfang.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Eine schöne Ergänzung (oder Erweiterung) zu Dreamcatchers Thread wie ich finde. Hast du aufeinmal einen anderen Schreibstil? Gefällt mir. Hast dir aber auch gut Mühe gegeben die einzelnen Abschnitte so verständlich wie möglich zu beschreiben.

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast PU-Ninja

Sehr schön geschrieben. Der Text spiegelt sogar meine momentanen Ansichten wieder und ich Stimme dir bei allen Punkten zu. ^_^

Ich versuchte, meine Subjektivität "abzulegen", wollte eine erhabene, absolute Wahrnehmung erreichen. Dahinter stand der Glaube, wenn ich mich von meinem Verstand befreien könnte, würde ich die Welt unbeeinflusst wahrnehmen können. "Befreiung von den Fesseln des Verstandes".

Auf so eine Idee kam ich irgendwie nie. Mich interessiert aber enorm wie du das versucht hattest?

Ich kann mir nicht mal ansatzweiße vorstellen, wie eine Idee aussehen könnte um dies zu erreichen.

Bewusst bist du dann, wenn du die allumfassende Subjektivität deiner Wahrnehmung, deiner Urteile und Wertungen, deines gesanten Erlebens erkannt und akzeptiert hast UND dir IMMER im Klaren darüber bist.

:rolleyes: Diesen Satz solltest du irgendwie farblich hervorheben, weil er wirklich essenziell ist. (Meine subjektive Meinung ^_^ )

Für Freiheit und Menschlichkeit, peace. :-D

bearbeitet von PU-Ninja

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen
Gast KingCartman
Eine schöne Ergänzung (oder Erweiterung) zu Dreamcatchers Thread wie ich finde. Hast du aufeinmal einen anderen Schreibstil? Gefällt mir. Hast dir aber auch gut Mühe gegeben die einzelnen Abschnitte so verständlich wie möglich zu beschreiben.

Inwiefern anders und vor allem auf einmal? :-D

Ich glaube festgestellt zu haben, dass sich mein Schreibstil sehr nach Lust, Laune und Wetterlage richtet B-)

Und es macht wahrscheinlich auch einen Unterschied ob ich schnell irgendwas "hinrotze", oder mir ein bisschen mehr Zeit nehme.

Sooft schreib ich ja allerdings keine "lehrreichen" Threads, deshalb ist man das vll. auch einfach nicht gewöhnt von mir. Dass sich mein Schreibstil irgendwie verändert hat im Laufe der Entwicklung, ist grundsätzlich natürlich nicht auszuschließen ;-)

Ich versuchte, meine Subjektivität "abzulegen", wollte eine erhabene, absolute Wahrnehmung erreichen. Dahinter stand der Glaube, wenn ich mich von meinem Verstand befreien könnte, würde ich die Welt unbeeinflusst wahrnehmen können. "Befreiung von den Fesseln des Verstandes".

Auf so eine Idee kam ich irgendwie nie. Mich interessiert aber enorm wie du das versucht hattest?

Ich kann mir nicht mal ansatzweiße vorstellen, wie eine Idee aussehen könnte um dies zu erreichen.

Ok werd ich demnächst mal erläutern

Bewusst bist du dann, wenn du die allumfassende Subjektivität deiner Wahrnehmung, deiner Urteile und Wertungen, deines gesanten Erlebens erkannt und akzeptiert hast UND dir IMMER im Klaren darüber bist.

;-) Diesen Satz solltest du irgendwie farblich hervorheben, weil er wirklich essenziell ist. (Meine subjektive Meinung ;-) )

Vorschlag angenommen :-D

Diesen Beitrag teilen


Link zum Beitrag
Auf anderen Seiten teilen

Erstelle ein Mitgliedskonto, oder melde Dich an, um zu kommentieren

Du musst ein Mitgliedskonto haben, um einen Kommentar verfassen zu können

Mitgliedskonto erstellen

Registriere Dich ganz einfach in unserer Community.

Mitgliedskonto registrieren

Anmelden

Du hast bereits ein Mitgliedskonto? Melde Dich hier an.

Jetzt anmelden

  • Wer ist Online   0 Mitglieder

    Aktuell keine registrierten Mitglieder auf dieser Seite.