Als Jungfrau zum Kind

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Robin Baker beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Sex - und zwar aus streng biologischer Sicht. Bis vor vier Jahren war der britische Evolutionsbiologe Dozent an der Universität Manchester, ehe er zum erfolgreichen Sachbuchautor mutierte. Seine internationalen Bestseller Krieg der Spermien (1997) und Baby Wars (1999) sorgten mit ihren provokanten Thesen zu unserer Sexualität, zu Vergewaltigung und Masturbation für gehörige Erregung. Sein neuestes Werk Sex im 21. Jahrhundert imaginiert Fortpflanzungsszenarien, die uns in näherer und fernerer Zukunft bevorstehen könnten.

FREITAG: Wodurch wird der Sex im neuen Jahrhundert am stärksten geprägt sein?

Robin Baker: Durch die Errungenschaften der Reproduktionsmedizin, die eine vollkommene Trennung von Sex und Kinderkriegen ermöglichen - also das Konservieren von Sperma, Eizellen und Embryos, In-Vitro-Fertilisation usw. Man wird Eizellen oder Sperma von Personen bestellen können, denen man nie begegnet ist. Ohne unseren Sex zu verändern, wird das die Gesellschaft dahingehend revolutionieren, dass Alleinerzieher-Familien zum Normalfall werden.

Besteht da nicht die Möglichkeit, dass Männer zu "Sperminatoren" reduziert werden?

Die Frage scheint mir vielmehr, ob Männer das nicht immer schon gewesen sind. Es war nur nicht so offensichtlich, weil sie bei der Erziehung halfen bzw. helfen sollten. Viele Männer wollen das ohnehin nicht und sind mit ihrer Sperminatoren-Rolle ganz zufrieden.

Der französische Autor Michel Houellebecq beschreibt den Sex als kapitalistischen Wettkampf mit wenigen Gewinnern und vielen Verlierern. Wird die Zukunft eine Demokratisierung bringen - oder noch mehr Verlierer?

Das ist eine sehr männliche Perspektive. Es stimmt, dass in der Vergangenheit wenige Männer sexuell sehr erfolgreich waren und viele nicht, während sich dieses Verhältnis bei den Frauen eher ausgeglichen gestaltet. Aber das ist bei den meisten Tierarten eine biologische Realität. Ich denke, dass es künftig mehr Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern geben wird. Denn auch Frauen werden in Zukunft Hunderttausende Kinder haben können - indem sie ihre Eizellen verkaufen. Am anderen, weniger erfolgreichen Ende, müssen Personen immerhin keine Partner mehr überreden, um mit ihnen ein Kind zu haben, sondern werden ein Kind beantragen können. Und wenn sie genug Geld haben, dann wird es sogar möglich, sich mit einem ihrer Idole fortzupflanzen.

Sie konzentrieren sich in Ihrem neuen Buch vor allem auf Sexualität und Reproduktion. Was ist mit dem Cybersex?

Grundsätzlich meine ich, dass die Menschen (Männer und Frauen) immer schon viel Sex im Geheimen und alleine hatten, sei es nun unter Zuhilfenahme von Büchern, Videos, Magazinen oder bloß von Phantasie. Die Zukunft verspricht bloß vielfältigere und realistischere Simulationsquellen. Wenn Fortpflanzung hauptsächlich via In-Vitro-Fertilisation und nicht via Sex stattfindet, macht es auch wenig aus, ob nun Artefakte das "richtige Ding" ersetzen oder nicht.

In Houellebecqs Buch "Elementarteilchen" gibt es am Ende die Vision eines klonierten geschlechtslosen Menschen, der keinen Sex mehr haben will. Könnte es sein, dass in Zukunft Formen von Androgynität zum Normalfall werden?

Ich denke, dass die Zukunft viel mehr sexuelle Wahlmöglichkeiten bringen wird. Eine davon ist zum Beispiel, als Jungfrau ein Kind zu kriegen, also ohne je Sex gehabt zu haben. Eine unberührte Frau kann sich von Sperma, das sie aus dem Internet bestellt, befruchten lassen und dann eine Leihmutter beauftragen, die befruchtete Eizelle auszutragen. Ähnliches gilt für einen unberührten Mann. Androgynität, Jungfräulichkeit oder Promiskuität werden Teil unserer sexuellen Zukunft sein - wenn es das ist, was wir wollen.

Im britischen Parlament wird in Bälde über therapeutisches Klonen abgestimmt werden, während Klonen zu Reproduktionszwecken weiterhin als ethisch unakzeptabel gilt.

Die Menschen werden mit der Zeit darauf kommen, dass die Vorteile jene Risiken aufwiegen, vor denen Fortschrittsgegner heute noch warnen, und die ethischen Einwände werden zunehmend trivial erscheinen. Therapeutisches Klonen ist ja schon fast da. Danach wird wohl bald auch das Klonen eines toten Babys akzeptiert - als eine etwas andere Art, dadurch ein Kind am Leben zu erhalten. Und von da ist es nicht mehr weit zum Klonen eines Erwachsenen. Ich habe keine Zweifel, dass die Zeit des Klonens zu Reproduktionszwecken kommen wird.

In einer der schockierenderen Szenen Ihres Buch hat eine aus ihrer Mutter klonierte "Tochter" Sex mit ihrem "Bruder", der ein Klon seines Vaters ist. Haben Sie selbst keine Angst vor solchen Szenarien?

Zuerst ist zu sagen, dass in meinem Buch natürlich nicht wirklich Geschwister Sex haben, sondern ein junger Mann und eine junge Frau, die in gewisser Weise nochmals die Liebe ihrer Eltern durchmachen. Ich weiß, dass solche Entwicklungen für viele Leute ein großes Dilemma schaffen. Doch die scheinbaren Probleme entstehen nur, wenn einige Teile der Gesellschaft vorgeben zu wissen, was das beste für die anderen ist. Wenn wir den Einzelnen erlauben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, kann ich keine Gefahren sehen, solange sie nicht andere dabei behelligen. Ich habe viel mehr Angst, dass bestimmte Pressure Groups - Parlamente, religiöse oder andere Organisationen - Individuen dazu zwingen könnten, bestimmte Dinge zu tun, die nicht in ihrem eigenen Interesse liegen. Diskriminierung, Bigotterie, Ausbeutung - das sind für mich die wahren Gefahren und nicht die neuen Methoden und Wahlmöglichkeiten der Reproduktionsbiologie. Es gibt wenig Gefahr für die Menschheit und den menschlichen Genpool - ja, selbst für die menschliche Würde -, solange Individuen mit ihren Vorlieben allein gelassen werden - und ohne sie anderen aufzunötigen.

Fürchten Sie sich nicht vor Auswüchsen - wie z.B. "Designerbabys", die nach den Wünschen der Eltern genetisch maßgeschneidert werden? Und könnten wir dank Methoden der Präimplantationsdiagnostik und der Keimbahntherapie nicht wieder bei der Eugenik landen?

Ich sehe durch solche Methoden vor allem die Möglichkeit, Gene zu verändern, die einer Personen ein Leben lang Leiden und Schmerz zufügen würden. Das ist etwas anderes als die Selektion von Behinderten. Die Bevorzugung von bestimmten Haar-, Haut- oder Augenfarben halte ich für völlig harmlos, solange sich die Leute das selbst wünschen können und es ihnen nicht diktiert wird. Fortpflanzung war immer auch schon eine Fall von Eugenik - schon allein dadurch, dass wir uns eher in Person A als B verlieben, weil wir die Gene von A bevorzugen. In Zukunft wird es kaum anders sein.

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Schön kopiert... ist aber interessant, hast du die Bücher gelesen?

Denke David Deangelo hat oft von dem Buch "Krieg der Spermien (1997)" erzählt, und das wird auch ein Buch sein, dass ich in der nächsten Zeit lesen werde. Um was handelt Baby Wars?

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Das Buch "Krieg der Spermien" von R.Baker kann ich Dir ernsthaft empfehlen. Ich hatte es seiner Zeit kurz nach erscheinen gelesen und es hat mir damals einen neuen Blick auf die Sexualität gegeben. Zum ersten mal las ich über Fortpflanzungsstrategien beim Menschen, die ich vorher noch nicht gehört hatte und es wurde vieles logisch, auch in Bezug auf des weibliche Paarungsverhalten. Hier kommen Themen wie: Bedeutung des Oralverkehres für Mann & Frau, biologischer Hintergrund einer Vergewaltigung, Vorteil von Homo- und Bisexualität, strategische Beischlaf der Frau mit verschiedenen Männern in kurzer Zeit (sie gibt hierbei einem bestimmten unbewußt den Vorzug ..) oder die Art wie sich Spermien miteinander bekämpfen zur Sprache. Das mal als kurzer Anreger. Ich finde das Buch gut zu lesen und sehr eingängig. Hier findet Ihr viele Antworten zum Thema, die woanders nicht oder kaum besprochen sind. Zumal einiges hierraus im Laufe der Jahre dann doch zu Allgemeinwissen geworden ist, wohl auch auf Grund dieses Buches.

Weiterhin kann ich Euch die Bücher von Desmond Morris empfehlen, ebenfalls Evolutionsbiologe und Anthropologe aus Great Britain.

Viel Spaß dabei, Momo

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Schön kopiert... ist aber interessant, hast du die Bücher gelesen?

Denke David Deangelo hat oft von dem Buch "Krieg der Spermien (1997)" erzählt, und das wird auch ein Buch sein, dass ich in der nächsten Zeit lesen werde. Um was handelt Baby Wars?

Nein die Bücher habe ich nicht gelesen,aber viel über ihren Inhalt erfahren, wahrscheinlich sogar das wichtigste.

Interessant war sicherlich die These der verschieden Sperma-Typen (Blocker, Killer usw.)

Ich denke es wäre nicht die schlechtes Entscheidung die Bücher mal zu lesen.

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