First Violin 1111 Beitrag melden September 25, 2010 erstellt (bearbeitet) Geld, Macht und StatusHallo Community,ich möchte euch heute ein interessantes Interview vorstellen, was mich sehr zum nachdenken angeregt hat.Karriere zu machen bedeutet gemeinhin das berufliche Streben nach Geld, Macht und Status. In einem eMail-Gespräch mit Joachim Zischke zeigt Jochen Mai, dass der Erfolg ganz unterschiedlich ausfallen kann und von den persönlichen Zielen des Einzelnen abhängt. Und er nennt Eigenschaften, die erfolgreiche Menschen gemeinsam auszeichnen.Joachim Zischke: Wenn ich von einer Person lese, die Karriere gemacht habe, stelle ich mir unwillkürlich den folgenden Lebenslauf vor: Hochschulstudium, Promotion summa cum laude, Trainee in einer internationalen Beratungsgesellschaft oder einem weltweit tätigen Konzern, diverse Auslandsaufenthalte, Mitte Dreißig erste Führungsposition, ein paar Jahre später erster Vorstandsposten. Herr Mai, ist meine Vorstellung von Karriere eigentlich richtig? Kann eine Karriere auch anders verlaufen? In Anbetracht der aktuellen bildungspolitischen und wirtschaftlichen Unwägbarkeiten: Kann man heute so noch Karriere machen?Jochen Mai: Die Standard-Definition für Karriere ist genauso wie Sie sie beschreiben: einer steigt innerhalb der betrieblichen Hierarchie auf und steigert dabei Gehalt, Status und Macht. Aber das ist in meinen Augen eine zu eindimensionale Sicht von Karriere. Ich spreche in dem Zusammenhang lieber von Erfolg. Bezogen auf den Beruf kann das eine Karriere im üblichen Sinn beinhalten. Erfolg kann aber auch bedeuten, dass man den Beruf findet, der einen ausfüllt, in dem man sich jeden Tag gerne und mit voller Leidenschaft einbringt, darin wächst und anderen zum Vorbild und Ansporn wird. Und selbst das ist nur eine von vielen möglichen Interpretationen. Karriere ist also letztlich eine Frage von Zielen, die man sich selbst steckt und irgendwann – hoffentlich – erreicht.Joachim Zischke: Sie beschreiben Karriere als eine Frage von selbst gesteckten Zielen zu beruflichem Erfolg. Egon Zehnder, der Gründer des nach ihm benannten Executive Search Unternehmens, formulierte einmal das Karrieremachen als das Resultat von Schweiß, Fleiß, Energie und Tränen und begründet den Begriff Karriere als aus dem französischen Wort garrière stammend, das die schnellste Gangart des Pferdes beschreibt. Karriere bedeutet demnach auf dem schnellsten Weg ans Ziel kommen.Sind nicht gerade Geld, Status und Macht für uns der sichtbare Ausdruck einer Karriere, einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn? Gibt es vielleicht eine verborgene Karriere?»Geld, Macht und Status sind vor allem Dinge, an denen andere glauben ablesen zu können, ob einer Erfolg hat oder nicht.«Jochen Mai: Egon Zehnder hätte vielleicht weniger geschwitzt, wenn er auf Konfuzius gehört hätte. Der riet seinen Eleven: Wähle einen Beruf, den du liebst, und du musst im deinem Leben keinen einzigen Tag mehr arbeiten. Im Ernst: Geld, Macht und Status sind vor allem Dinge, an denen andere glauben ablesen zu können, ob einer Erfolg hat oder nicht. Nicht selten liegen sie damit auch richtig, weil es das ist, wonach viele Menschen streben. Aber es ist eben nicht das Einzige. Ob Sie Ihre selbst gesteckten Ziele erreichen, können nur Sie messen – es sei denn, Sie machen Ihre Ziele bekannt. Wenn Sie sich also vornehmen, Ihren Kindern der beste Vater oder die beste Mutter zu sein und dafür auf eine besonders zeitintensive berufliche Karriere verzichten, können Sie durchaus großen Erfolg haben und ein sehr glücklicher Mensch werden – auch wenn Geld, Macht und Status sich dabei in Grenzen halten. Das Wichtigste ist: Sie müssen unbedingt ehrlich zu sich selbst sein, was Ihnen wirklich wichtig ist. Manchmal verbirgt sich hinter dem Streben nach Geld nur der Wunsch nach Anerkennung oder nach Unabhängigkeit. Beides lässt sich aber auch ohne ein hohes Einkommen erreichen.Joachim Zischke: Das ist eine interessante Sicht, die Sie da ansprechen: Karriere nicht als das Streben nach Geld und Macht zu definieren, sondern als Wunsch nach Anerkennung, Erfüllung und Lebensglück. Müssten wir da nicht unser Verständnis für Begriffe wie Karrierefrau oder Erfolgsmensch überdenken? Was meinen Sie: Gibt es den Typus Karrieremensch überhaupt, also jemand, der sich mit dem Ellbogen und energischen Schritten nach oben kämpft? Oder weisen wir uns nicht schon durch unser natürliches Streben nach Erfolg und Glück als Karrieremenschen aus?»Erfolg und Karriere ist keineswegs eine eindimensionale Geschichte.«Jochen Mai: Da haben Sie mich leider missverstanden. Ich habe nicht gesagt, dass Karriere das Streben nach Anerkennung, Erfüllung und Lebensglück ist. Auch das ist nur eine mögliche Variante. Ich sagte, Erfolg ist eine Frage der selbst gesteckten Ziele. Das können Anerkennung oder Geld, Macht, Status sein. Es können aber auch andere Ziele sein. Die entscheidet aber jeder individuell. Und für jedes Ziel gibt es auch entsprechende Strategien oder Methoden, um es zu erreichen. Welche Mittel man dazu wählt, bleibt ebenfalls jedem selbst überlassen. Sie sehen: Erfolg und Karriere ist keineswegs eine so eindimensionale Geschichte, dass sie sich in wenige Stichpunkte fassen ließe. Allein in meinem Buch finden Sie 366 Kapitel mit noch mehr konkreten Tipps, Strategien und Methoden. Und das sind aus meiner Sicht nur die Wichtigsten. Es sind nicht die Einzigen! Insofern gibt es auch den Ellbogentyp. Und er ist gar nicht so selten, weil die Masche – bei allen moralischen Bedenken – durchaus erfolgreich ist. Das lässt sich leider nicht wegdiskutieren.Joachim Zischke: Wie Rudolf Wachter von der Universität Basel vermutet, könnte Karriere etymologisch betrachtet aus dem lateinischen carrus oder carraria entstammen. Im Italienischen finden wir heute noch das Wort carraia, was für Fahrweg steht. So könnte man Karriere durchaus als persönlichen Lebensweg begreifen, obwohl Wachter hier Bedenken anmeldet, da Karriere heute mehr einem vorgespurten als einem frei gesuchten Weg entspräche. Wäre es denn falsch, Karriere so zu interpretieren, wie ich es verstand, also das Streben nach Erfolg und Glück?Sie erwähnten gerade Ihr jüngst erschienenes Buch Die Karriere-Bibel. Ohne auf die stattlichen 366 Kapitel auf den 448 Seiten näher eingehen zu wollen: Welche Trittsteine sehen Sie als besonders wegführend an, um seine Karriere, seinen beruflichen Erfolg, entscheidend zu beeinflussen?Jochen Mai: Zu Ihrer ersten Frage: Nein, Ihre Interpretation wäre nicht falsch. Aber es wäre falsch, wenn der Eindruck entstünde, es sei die einzige Alternative. Mit Ihrer neuen Frage versuchen Sie mich allerdings schon wieder auf wenige Formeln festzulegen. Als Journalist kann ich das natürlich verstehen – es macht die Sache griffiger, aber nicht zwingend richtiger. Ich will Ihre Frage deshalb anders beantworten. Es gibt aus meiner Beobachtung ein paar Eigenschaften, die viele erfolgreiche Menschen gemeinsam haben. Daraus kann man – zumindest indirekt – nützliche Karriereschritte ableiten:Karriere-TrittsteineSelbstbewusstsein: Menschen, die Erfolg haben, sind nahezu frei von Selbstzweifeln. Sie glauben uneingeschränkt an sich, ihre Visionen und das Gelingen. Dieses hilft ihnen auch bei Rückschlägen schneller wieder auf die Beine.Zuversicht: Übertriebene Skepsis wirkt wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Irgendwann scheitert man tatsächlich. Zwar spürt jeder einen Fluchtreflex, sobald Probleme auftauchen, Erfolgreiche aber erzeugen eine Atmosphäre, in der dieser Reflex statistisch nur 1,13 Sekunden dauert.Ausdauer: Hartnäckigkeit ist oft wichtiger als Können. Tatsächlich lassen sich viele Karrierefehler auf mangelnde Beharrlichkeit statt auf fehlendes Talent zurückführen.Leidenschaft: Ohne Begeisterung nutzt auch Fleiß nichts. Enthusiasmus hilft, die schwersten Aufgaben zu bewältigen.Glück: Es stimmt: Gewinner hatten allesamt Glück – sie waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort und trafen die richtigen Menschen. Sie ergriffen ihre Chance aber auch.Lernfähigkeit: Erfolgreiche lernen aus ihren Fehlern und begehen sie selten zweimal. Ebenso zeichnen sie sich dadurch aus, präzise zu analysieren, was sie stürzen ließ.Wagemut: Gewinner schätzen den Wandel und fürchten sich nicht davor. Deswegen sind sie keine Hasardeure, aber stressresistente Typen, die Herausforderungen lieben.Genussfreude: Es gibt so etwas wie Erfolgsfrust. Menschen, die daran leiden, fühlen sich schlecht, wenn sie schaffen, was sie sich vorgenommen haben oder mehr erreichen als andere. Sie fürchten den Neid, aber auch den Erfolgsdruck, der danach auf ihnen lasten könnte. Das hält sie im entscheidenden Moment zurück. Gewinner genießen den Erfolg und kosten ihn aus.Joachim Zischke: Ja, da haben Sie Recht: Griffige und leicht erinnerbare Merksätze wären ideal gewesen. Und natürlich wollte ich Ihnen einige Ihrer Glaubensgrundsätze entlocken, wenn Sie schon eine Karriere-Bibel schreiben. Sie haben zwar jetzt anders geantwortet als ich erwartet hatte, dennoch haben Sie Eigenschaften angeführt, die es sicherlich für jeden wert sind, sie zu reflektieren.Zum Schluss noch eine persönliche Frage, Herr Mai: Seit acht Jahren leiten Sie das Ressort Beruf + Erfolg bei der WirtschaftsWoche. Würden Sie von sich sagen, Sie haben Karriere gemacht?Jochen Mai: Es sind sogar schon neun Jahre. Und da ich sehr früh Ressortleiter in einem renommierten Wirtschaftsmagazin wurde, würden das vermutlich viele eine Karriere nennen. Ich denke, dass ich Erfolg habe – aber nicht wegen dieser oder irgendeiner Position! In den vergangenen Jahren habe ich parallel einige Projekte initiiert und geleitet, darunter etwa den e-conomy-Gründerwettbewerb, das Sonderheft Next bzw. Junge Elite für Abiturienten und Jobeinsteiger, den neuen Wiwo-Gründerwettbewerb, mein Buch und diverse Blogs. Das waren sehr unterschiedliche Herausforderungen mit unterschiedlichen Zielen. Und natürlich gab es noch eine Reihe privater Ziele. Die meisten davon habe ich erreicht, das macht mich sehr glücklich – und, wenn Sie so wollen, auch erfolgreich.Joachim Zischke: Vielen Dank für das anregende, interessante eMail-Gespräch. Quelle:www.dialogus.de/magazin/wirtschaft September 25, 2010 bearbeitet von First Violin Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen