Allein unterwegs

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0:30 Uhr steht auf dem Bildschirm meines Handys. Ich stecke es wieder zurück in meine Hosentasche und schau mich um. Zu meiner rechten kann ich in einiger Entfernung den Eingang von einem Festzelt entdecken, etwas daneben eine Bar. Und alles voller Menschen.

Ich wende meinen Blick wieder meiner unmittelbaren Umgebung zu und mehr als drei Personen kann ich dort nicht entdecken: zwei Kumpels (nennen wir sie D. und K.) und eine Freundin (ab jetzt F.).

Ich drehe mich auf meiner Bierbank zu D., der neben mir sitzt: „Warum genau wollt ihr jetzt schon gehen? Schau dich mal um, was hier noch los ist. Ihr könnt doch nicht ernsthaft den halben Abend einfach irgendwo abseits rumsitzen und nach zwei Maß dann wieder gehen. Ich würde schon noch gern ins Partyzelt schauen.“

D. schaut mich etwas überfordert an: „Jaaa, aber F. ist schließlich unsere Fahrerin und will heim. Und da wir hier in irgendeinem Kaff sind und öffentlich nichts fährt, bleibt uns nichts anderes übrig, als mit ihr zu gehen. Überhaupt bin ich gerade auch ziemlich müde.“

Okay, ich muss also nur F. umstimmen, doch noch zu bleiben und die Nacht wäre gerettet: „Heeee Lieblings-F., ich kann dich ja verstehen, dass du jetzt nach Hause willst. Ewig abseits der Leute auf einer Bierbank zu sitzen und drei Typen zuzuschauen, wie sie ihr Bier trinken, ist echt nicht so der Bringer. Darum können wir auch einfach rüber ins Partyzelt gehen und wir tanzen zusammen eine Runde.“ - „Neee matrix, heute nicht mehr. Hab echt keine Lust mehr.“

Mist, bei ihr ist auch nichts mehr zu holen... In K. brauch ich erst gar nicht meine Hoffnungen setzen, da von ihm ständig ein „Genau.“ zu hören war, als D. und F. ihren Unmut kundgetan haben.

Ich füge mich also zunächst meinem Schicksal, lass aber mein Hirn fieberhaft laufen, wie ich doch noch hier verweilen kann.

Wir stehen auf und genau in dem Moment läuft ein Mädel an uns vorbei, bleibt ein paar Meter neben uns stehen und tippt etwas in ihr Handy.

K. schaut in ihre Richtung: „Wow, ziemlich hübsch, die Gute.“ Mir kommt eine Idee: „Ja, findest du? Sprech sie doch an.“ - „Hm naja, weiß nicht...“ - „Jetzt stell dich nicht so an. Ich geb dir 10 Sekunden und wenn du dann nicht bei ihr drüben stehst, werd ich sie eben holen. Du weißt, ich mach das. 10... 9...“ - „Warte, warte, ich kann da jetzt nicht einfach hingehen.“ - „4... 3... 2... 1...“

Da er sich keinen Millimeter in ihre Richtung bewegt hat, mach ich meine „Drohung“ wahr und geh auf sie zu: „Hey du, pass auf, mein Kumpel ist etwas schüchtern und würde gerne mit dir reden.“ Sie schaut leicht gelangweilt von ihrem Handy hoch: „Welcher denn? Warum kommt er nicht einfach selbst?“ - „Der mit dem grünen T-Shirt und ich sag doch, er ist schüchtern. Tippst du da eigentlich gerade deine Lebensgeschichte in dein Handy? Ich hoff, die ist spannend.“ - „Ne, will einer Freundin nur schreiben, wo genau ich stehe, damit sie mich findet. Sprichst du öfters Frauen für andere an?“ - „Klar, bin eben ein netter Kumpel. Schau, jetzt kommen sogar alle drei zu uns. Sei nett!“

„Matrix, wir wollen jetzt gehen, kommst du?“ - „Na, jetzt hab ich das Mädel schon für dich angequatscht, jetzt sag wenigstens 'Hi' zu ihr.“ - „Ähm ja, hi... (peinliche Stille...) Kommst du jetzt?“

Da die Frau wirklich hübsch ist und K. offensichtlich seine Worte auf der Bierbank liegen hat lassen, beschließ ich, dass die Dame jetzt unter meinem Interesse steht. „Leute, ich komm in 3,4 Minuten. Ihr könnt ja schon mal vorgehen.“

Keiner rührt sich. „Wirklich, ich komm gleich nach.“ Immer noch keiner hat seinen Fleck Erde verlassen. Miss Handy schaltet sich ein: „Ich glaube, er will euch damit auf eine nette Art und Weise sagen, dass ihr jetzt endlich verschwinden sollt.“ Ich fühle mich verstanden.

Die Frau scheint über mehr Autorität gegenüber meinen Kumpels zu verfügen als ich, weil die sich jetzt zumindest fünf Meter weiter weg bequemen. Ihre Blicke kleben trotzdem noch an mir.

„Na, wer hätte nicht gerne solche Freunde.“ - „Haha, da hast du Recht. Dein Freund ist ja wirklich schüchtern.“ - „Sag ich doch.“

Wir kommen für vielleicht drei Minuten ins „Gespräch“, bei dem wir aber ziemlich Spaß haben – die Frau scheint Humor zu haben – da seh ich sie schon wieder auf uns zu schreiten.

„Achtung, sie kommen wieder.“ Ihr Blick schaut jetzt ziemlich genervt aus.

D. fackelt nicht lange herum: „Na, hat er dich auch gefragt, ob du ihm ein paar Worte in dem Dialekt hier beibringen kannst? Wenn er dich langweilt, wir nehmen ihn gerne mit.“ Man muss dazu sagen, dass ich am Anfang vom Abend verkündet habe, mindestens einer Frau aus der Gegend hier einen Satz in ihrer „Heimatsprache“ zu entlocken, weil sich das in meinen Ohren ziemlich lustig anhört und habe dank Miss Handy Wort gehalten.

Aber WAS war das jetzt bitte für eine Aktion? Das Mädel wirkt leicht entsetzt und redet etwas von wegen „Ja, hat er... aber kann gerne noch bleiben.“ D. setzt noch einen nach: „War klar, dass er das bei dir auch gebracht hat. Matrix, komm jetzt.“

„Also wirklich, mir wird das hier zu blöd, ciao!“ waren ihre letzten Worte.

„Habt ihr eigentlich einen Treffer, was sollte das jetzt bitte? Einen Scheiß geh ich jetzt mit euch nach Hause, ihr spinnt doch.“ - „Stell dich nicht so an, anders kommst du hier nicht weg. Also, lass uns fahren.“ - „Ja, fahrt mal, aber ohne mich. Tschüss.“

Ich dreh mich mit einem Winken um und versuch in die Menschenmasse einzutauchen. Irgendjemand schreit noch, dass ich das nicht bringen könne, was ich mit einem „Klar kann ich, siehst du doch.“ freundlichst erwidere.

Da steh ich jetzt alleine und ohne Plan, wie ich hier wieder weg kommen soll. Aber als hätte der Himmel Mitleid mit mir, kommt mir plötzlich E. in den Sinn, der gar nicht so weit weg von hier wohnt. Ohne groß zu überlegen ruf ich ihn an: „Hey sag mal, könntest du mich von dem Dorffest hier zufällig abholen und mich bei dir pennen lassen?“ - „Ja hey, was machst denn du für Sachen? Aber so ein Glück wie du möcht ich auch mal haben. Bin gerade unterwegs, aber haben einen Fahrer, der dich bestimmt mit aufsammeln kann. Machen wir so um drei?“ - „Klar, wann immer du willst. Du bist meine Rettung, danke!“

Zwei Stunden hab ich jetzt also noch Zeit und die sollten genutzt werden. Also rein ins Partyzelt.

Drinnen ist es brechend voll und ich wühl mich erstmal vor zur Bar, da fällt mir diese Blonde mit ihrem hübschen Gesicht auf. Nichts wie hin.

„Hey, magst du mir verraten, wo hier die Bar ist? Ich verdurste schon halb.“ - „Na, gleich vor dir.“ - „Oh wow, tatsächlich. So viele Menschen überfordern mich glaub ich. Sag mal, hast du auch so einen lustigen Dialekt drauf wie die meisten hier?“ (Na, wer erinnert sich? ;) ) „Klar, warum, wo kommst du denn her?“ So geht das ein paar Minuten, da taucht eine Freundin von ihr auf und will sie wegziehen. „Du, ich muss weiter, aber wir sehen uns bestimmt nochmal. Wie heißt du überhaupt?“ - „Na, so einfach verrat ich dir das jetzt nicht und ich denk nicht, dass wir uns bei den vielen Leuten hier nochmal über den Weg laufen. Viel Spaß dir noch.“ - „Na doch, klar werden wir uns wieder treffen, wirst schon sehen. Tschüssi.“

Es ist zwar ziemlich was los hier, aber das Zelt ist nicht übermäßig groß, drum bin ich mir sicher, sie wieder zu sehen und geh jetzt endlich zur Bar. Während ich warte, sprech ich ein Mädel neben mir an: „Du hast nicht zufällig meinen Kumpel gesehen? Der Typ ist knapp 2 Meter groß, hat lange, lockige Haare und wollte eigentlich nur kurz auf's Klo. Das war vor einer halben Stunde.“ - „Nein, hab ich leider nicht, aber der muss doch auffallen.“ Sie lässt ihren Kopf hin- und herschweifen. „Sorry, ich seh ihn jetzt gerade auch nicht.“ So ein Zufall. „Oh nein, hat er mich einfach allein gelassen. Was holst du dir denn zu trinken, gibt’s da überhaupt was tolles?“ - „Ein Bier.“ - „Soso. Jetzt musst du mir aber nochmal helfen. Und zwar hat ein Typ mir vorhin irgendwas in eurem Dialekt beigebracht, wollte aber nicht verraten, was das heißt.“ - „Was denn?“ Ich geb mein bestes beim Aussprechen. „ Das heißt, dass man sein Bier nicht verschütten soll.“ - „Waaas und ich dachte, das wäre irgendwas versautes, so wie der gelacht hat.“

Mittlerweile hab ich bestellen können. „Du, ich such mal weiter, aber geb mir doch mal deine Handynummer.“ - „Nein, keine Chance.“ - „Oh, das hört sich kritisch an. Aber hast recht, fremden Männern nicht einfach so deine Nummer zu geben.“ - „Ja. Bist du bei facebook?“ - „Ne du, da muss ich dich enttäuschen, kann nur Studi bieten.“ - „Ne, da bin ich nicht.“ - „Oh ok, schade, aber ich schau jetzt trotzdem mal weiter, ciao.“

Mein nächstes Ziel war die Toilette, aber wer steht da ein paar Meter weiter und unterhält sich mit irgendwelchen Leuten? Richtig, die Blonde von vorhin. Also muss die Blase doch noch etwas auf ihre Entleerung warten. Ich bahn mir einen Weg zu ihr durch und als sie mich bemerkt, müssen wir beide grinsen. „Na, soviel dazu, dass wir uns nicht mehr sehen. Hab ich dir doch gesagt.“ - „Na, kann ich doch nicht wissen, dass du eine Hellseherin bist. Dann kannst du doch bestimmt auch meinen Namen erraten.“ - „Ääähm ok. Philipp?“ - „Schau ich also aus wie ein Philipp? Ist das gut oder schlecht?“ - „Weiß nicht, du erinnerst mich an einen, der auch so heißt.“

Da spricht sie ein Typ neben ihr an, der scheinbar zu ihrer Gruppe gehört. Die perfekte Gelegenheit, den Rest ihrer Leute etwas kennenzulernen. „Hey, wo habt ihr denn den Wein da her? Ist der gut?“ Sofort bin ich im Gespräch und wir unterhalten uns solange, bis sich meine Blase immer stärker in mein Bewusstsein einbringt. Da das Mädel immer noch mit dem Typen kommuniziert, verabschiede ich mich bei ihrer Gruppe und wink ihr nur kurz zu.

Mission „Druck abbauen“ war erfolgreich und da die sich die Toiletten außerhalb vom Partyzelt befinden, hab ich mir beim Rückweg ziemlich Zeit gelassen und dabei auch noch eine Frau angesprochen, welche aber nicht wirklich den Anschein erweckt hat, dass sie den Wunsch nach einer Unterhaltung mit mir verspührt – weshalb ich nach drei Sätzen dezent das Weite gesucht hab – und nun steh ich wieder vor dem Zelteingang.

Jetzt ist langsam der Moment gekommen, die Sache mit Frau Blond etwas zu forcieren.

Ich also wieder hinein ins Geschehen und kann sie an ihrem alten Platz ausmachen. Der Kerl von vorhin hängt immer noch an ihr und man sieht ihm sichtlich an, wie er um ihre Aufmerksamkeit bettelt. Er dürfte also kein allzu großes Problem darstellen.

Ich geh auf sie zu und stell mich direkt neben sie, wende aber meinen Körper ab von ihr, so als würden wir uns gar nicht kennen. Nichtmal 10 Sekunden dauert es, da dreht sie sich zu mir um: „Oh, hallo Philipp, du schon wieder.“ Ich setze eine etwas leisere Stimme auf, die nur sie hören kann. „Ich hab mich jetzt extra für dich unter Einsatz meines Lebens hier wieder in dieses Zelt gequetscht. Du gefällst mir irgendwie.“

Und da war das, was ich sehen wollte. Ein großes Grinsen macht sich auf ihrem hübschen Gesicht breit. „Oh, ok.“ Damit hat sie scheinbar nicht gerechnet. „Magst du mir jetzt verraten, wie du heißt?“ - „Matrix und du heißt bestimmt E. .“ - „Waaas, woher weißt du das?“ - „Na, glaubst du, dass du die einzige Hellseherin auf Erden bist?“ In Wahrheit hat sie irgendwann einer aus ihrer Gruppe bei ihrem Namen angesprochen. Man muss nur die Ohren offen halten.

Ihr vermeintlicher Verehrer wagt nochmal einen Versuch. Ich hab nicht ganz verstanden, was er ihr gesagt hat, aber sie wendet sich ihm zu. Ich drehe mich wieder weg von ihr und setze zum Gehen an. Ich bin mir sicher, das lässt sie nicht zu, nachdem ihre Reaktion auf meine Ehrlichkeit ein so süßes Lächeln war.

Und ich hab Recht: „Na, wo willst du denn hin? Erzähl mir lieber, was du noch so über mich weißt.“ Wieder in ihre Richtung blickend sehe ich den Typ in der Masse verschwinden und muss Grinsen. „Ok, ok, aber auf eigene Gefähr.“

Was jetzt folgt, könnte man wohl unter die Kategorie „flirten“ packen, besonders was unseren Augenkontakt betrifft. Sie fängt immer mehr an, mich zu berühren und einmal ist ihr Gesicht ziemlich nahe an meinem, was quasi einer Einladung für einen Kuss gleich kommt. Aber ich will die Spannung zwischen uns aufrecht erhalten und beschließe, sie wann anders nochmal zu treffen, am besten mit etwas weniger Leute um uns herum. „Gib mir mal deine Handynummer.“ Dabei drück ich ihr mein Handy in die Hand und stell mich so hin, dass es keinem von ihrer Gruppe auffallen kann. Sie tippt ihre Nummer ein und ich klingel sie an. Dabei fällt mir die Uhr auf dem Display auf: 2:50 Uhr. Zeit also zu gehen.

„Du, ich muss jetzt gehen, mein Fahrer wartet.“ - „Oh nein, komm doch noch mit in den Club XY, da ist eine Art after-show party.“ - „Sorry, ich glaub aber nicht, dass ich meinen Fahrer dazu bringen kann.“ Die Vorlage war eigentlich optimal und mir liegt schon fast auf der Zunge, dass wenn ich bei ihr schlafen kann, das klar gehen würde. Aber ich will sie kennenlernen und ein möglicher one-night-stand würde da etwas hinderlich sein. „Ich schreib dir einfach eine SMS, ob ich noch komm oder nicht. Ansonsten meld ich mich mal demnächst bei dir.“ - „Okay, geht klar.“ Ich schenk ihr eine Umarmung, die sie ziemlich deutlich erwidert, dreh mich um und wink dabei noch kurz.

Meinem Fahrer sag ich natürlich nichts von dem Club XY und schreib meiner neuen Bekanntschaft auch keine SMS mehr.

Morgen werde ich mich aber bei ihr melden. Ein bisschen freu ich mich schon.

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