Der Mythos vom "Neuen Mann".

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Mythos neuer Mann

Von Anne Petersen 31. August 2008

Alle sind sich einig: Die Männer sind das letzte lästige Hindernis auf dem Weg zur völligen Gleichberechtigung. Doch bisher lassen in Deutschland die Vollzeitväter und emanzipierten Gatten auf sich warten. Aus gutem Grund

Stellen Sie sich vor, Barbie-Ken zieht bei einer Ihrer Freundinnen ein. Sie geht morgens zur Arbeit, und er ist immer noch da. Deckt den Frühstückstisch ab, hebt ihre herumliegenden Klamotten auf und stellt dann noch eben eine Waschmaschine an, bevor er sich mit seinen anderen Kumpels (die teilweise schon Kinder haben) im Park zum Boulespielen trifft. Nachmittags kauft er vor dem Friseurtermin noch eben ein, denn abends gibt es Kässpätzle mit grünem Salat - Ihre Freundin isst das so gern.

Männlich, selbstbewusst und immer zu Hause - da haben wir ihn doch, den neuen Traumprinzen aller berufstätigen Frauen. Oder? Der Mann als Unterstützer auf dem letzten Abschnitt zur Chancengleichheit unter Beibehaltung der Geschlechterrollen, sprich: Du Tarzan, ich Jane. Aber jetzt mach doch bitte mal das Abendbrot.

Bei Alice Schwarzer war noch alles einfach, da waren nur die Männer schuld. Die neuen "Alphamädchen", wie Charlotte Roche ("Feuchtgebiete") oder Jana Hensel und Elisabeth Raether ("Neue deutsche Mädchen"), prangern die Strukturen an und hätten die Männer gern als Verbündete. Nur leider wissen die noch nichts davon. Genau genommen wissen sie sowieso nicht viel. Weder wo die Butter im Kühlregal steht, noch welches Nasenspray für Säuglinge geeignet ist. Und was Frauen wollen, das wissen sie erst recht nicht. Mehrheitlich hängen sie noch dem traditionellen Rollenverständnis an. Nach der "Brigitte"-Frauenstudie glauben 80 Prozent von ihnen, das Aussehen sei für Frauen das höchste Gut, sie wollten vor allem Markenkleidung tragen und schnell heiraten. Tatsächlich halten nur 60 Prozent der Frauen das eigene Äußere für entscheidend. Den Versorger suchen sie längst nicht mehr.

Die Frauen sind vorgeprescht. Und die Herren der Schöpfung? Stecken in der Findungsphase - für manche, wie für den Männerforscher Walter Hollstein, sogar in der Krise. "Was vom Manne übrig blieb", bilanziert er in seinem im April erschienenen Buch - viel ist es nicht. Schon in der Schule von den Mädchen überholt, bekommt er das Zappelphilipp-Syndrom oder ein Magengeschwür. Später wird er schneller arbeitslos, und dann stirbt er sogar früher - wenn er sich nicht sowieso schon umgebracht hat, denn das tun in den deutschsprachigen Ländern viermal mehr Männer als Frauen.

Der Mann als Kollateralschaden der Schöpfung - und die Frauen schütteln nur mitleidig die Köpfe. Dabei sind die Damen nicht ganz unschuldig an der derzeitigen Männermisere. Sie wissen nämlich auch nicht so genau, was sie von den Männern wollen: Reden sollte man schon mit dem Mann können, aber eine Plaudertasche soll er nicht sein. Sich mehr pflegen könnte nicht schaden, aber viel Zeit im Bad verbringen ist unsexy. Am besten verdient er 12 000 Euro und ist jeden Tag schon mittags zu Hause.

Die überforderten Männer sind ein neues Phänomen, plausibel, dass da manche Männer zu bindungsunfähigen Totalverweigerern werden und sich die Türen schön lange offen halten. Mit 50 kann man schließlich auch noch Vater werden. Zukunftsfähig ist dieser Typ nicht. Genauso wenig wie der vom "P. M."-Magazin reanimierte Macho, den man an seinen Tätowierungen, dem Kampfhund und der Mitgliedskarte von McFit erkennt. In seiner Fixiertheit aufs Äußere ähnelt er sehr dem in den 90er-Jahren erfundenen Metrosexuellen, dessen Prototyp David Beckham ist. Die wenigen übrig gebliebenen Exemplare dieser Sorte findet man heute an Orten wie Berlin-Mitte. Wer auf Spielplätzen Ausschau hält, sieht sogar mal Typen, die wie "moderne Väter" aussehen. Das ist die Gattung, die die Frauen gerade heranzüchten möchten. Also ein Mann - Prototyp Brad Pitt -, der kein Problem damit hat, im Buddelkasten zu sitzen, die Hausarbeit zu teilen und mehr als zwei Alibimonate Elternzeit zu nehmen.

Das Zukunftsinstitut, das in seiner Männerstudie die Evolution des Mannes vom ultramännlichen Marlboro-Cowboy John Wayne zum kooperativen Familienvater wie dem Heidi-Klum-Gatten Seal nachzeichnet, nennt diesen Typ den "Everyday-Manager". Mit einer Typologie versuchen die Trendexperten ein wenig Klarheit in die derzeitige Männerkonfusion zu bringen. Den "Everyday-Manager" erkennt man auf der Straße an Kinderwagen und Handy. Genauso wie seine Frau sehnt er sich nach der perfekten Work-Life-Balance. Der zweite Typ ist der "Health-Hedonist". Er will so ethisch und ökologisch korrekt wie möglich leben, lässt sich aber nicht die Butter vom Vollkornbrot nehmen. Der "Self-Designer", der dritte Typ, reagiert auf die Verweiblichung der Gesellschaft mit Fähigkeiten wie Empathie oder Kommunikationsfähigkeit, er wird sozusagen weiblicher, ohne Brüste zu bekommen. Der "Work-Life-Venturist" ist die vierte Kategorie. Er verabschiedet sich von seiner Rolle als Familienernährer und sieht Karriere nicht mehr als sein einziges Sinnreservoir.

"Everyday-Manager", "Health-Hedonist", "Self-Designer" und "Work-Life-Venturist" - Trendforscher lieben englische Bezeichnungen. Wie praxistauglich die Kategorien sind, merkt man, wenn man einen real existierenden Mann einordnet. Nehmen wir ein 35 Jahre altes Exemplar, das ein "Everyday-Manager" sein könnte, weil er regelmäßig mit seinen beiden Kindern auf den Spielplatz geht. Als "Health-Hedonist" geht er nur an der Fleischtheke durch, dort kauft er Biorind. Weil er weder Wäsche zusammenlegen noch kochen kann, wird er im Haushalt eher für Fahrradreparaturen oder das Müllherunterbringen eingesetzt. Anziehen kann man ihm, was man will. Wenn es nicht um das Ausrangieren seiner alten Clarks-Schuhe geht, ist er durchaus kommunikationsfähig. Ein "Self-Designer" ist er trotzdem nicht, er denkt eigentlich überhaupt nicht über sich selbst nach. Karriere ist sicher nicht sein einziger Lebenssinn, aber ob ihn das zum "Work-Life-Venturist" macht?

Was lernen wir daraus? 1. Jeder Mann besteht aus Versatzstücken dieser Typen. 2. Der oben beschriebene Mann ist augenscheinlich ein konservativer Brocken, aber - so steht zu befürchten - immer noch Durchschnitt. 3. Der simple Wandel vom Bürohengst zum heimischen Staubwedelchef kann nicht die Lösung sein und wird auch von niemandem ernsthaft angestrebt.

Doch wenn Männer auch leisten sollen, woran Frauen sich heute schon abarbeiten - Kinder, Karriere, Küche und knackiger Körper -, dann werden sich in Zukunft gleich zwei völlig erschöpfte Partner gegenübersitzen. Schon werden die ersten Stimmen laut, die die ganze Geschlechterkarawane zurückpfeifen: Klappt alles nicht, Schluss mit der Gleichmacherei von Mann und Frau. Besonders in den angloamerikanischen Ländern, in denen mehr Frauen schon lange Vollzeit arbeiten, wächst nach einer internationalen Studie der Universität Cambridge der Zweifel an dem Modell, auf das bei uns alle fleißig hinarbeiten. Wozu der Stress? fragt sich womöglich die junge Generation von Männern, die - so die Studie - viel weniger offen für Gleichberechtigung ist, als man erwartet hätte. Zum gleichen Ergebnis kommt die "Vorwerk Familienstudie 2008". Nur ein Drittel der befragten Männer im Alter von 16 bis 29 Jahren gesteht jungen Frauen zu, neben der Familie auch eigene Interessen zu verfolgen. Ohne weitere gesellschaftspolitische Maßnahmen entwickeln sich die Herren anscheinend nicht mehr weiter.

Deutschland muss also erst noch zum richtigen Lebensraum für den neuen Mann werden. Und bis dahin? Wurschteln wir uns so durch.

Dieser Text ist ein gekürzter Teil des Eröffnungsvortrages des "Fashion Day" des Deutschen Modeinstitutes, der am 26. August in Düsseldorf stattfand. Die Autorin ist Redakteurin der "Brigitte".

Was denkt ihr darüber?

Q.

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Ich stehe auf erfolgreiche Frauen. Das macht Sie so anziehend.

Das kann aber den Mann unter Druck setzen, wenn er nicht weiss was er im Leben ereichen will. Es leigt also wieder beim Mann, ob er seinen Frame halten kann und mit sowas klar kommt.

Ich finde es süss mit Baby und Handy in der Hand. :-)

bearbeitet von Axo23

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Gast Lady

Solche Artikel scheinen im Moment sehr angesagt zu sein.

So titelt auch der Stern diese Woche:

" Das Märchen vom modernen Mann - warum Väter lieber im Büro sitzen, als sich um ihre Kinder zu kümmern."

Der Stern Artikel vertritt allerdings eine, in meinen Augen, etwas sonderbare These.

Der Grund warum die Männer sich nicht grossartig um Haushalt und Kinder kümmern, so der Artikel, ist, weil sie es einfach nicht können.

Und zwar von ihren Fähigkeiten her. Sie hätten also einfach nicht gelernt mit Kindern umzugehen, Spülmaschinen einzuräumen, zu kochen, oder Waschmaschinen zu programmieren. Nun würden sie sich überfordert und zusätzlich von ihren Frauen gegängelt und bevormundet fühlen, da diese ihnen in den genannten Bereichen keine freie Hand und keinen Übungsspielraum lassen.

Ich weiss ja nicht wo die Autoren diese Männer aufgetrieben haben, aber ich kenne fast keines dieser unfähigen Exemplare.

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es muß halt jede zeitschrift mit irgendwelchen inhalten gefüllt werden. das motiv dieses mediums ist ja nicht, dass möglichst viele leser die artikel lesen, sondern, dass die zeitschriftenauflage ausreichend zahlungskräftige werbekunden bringt. die autoren werden ja in der regel durch werbeinnahmen bezahlt und nicht aufgrund der verkaufszahlen bzw. der tatsächlich verkauften exemplare. es werden auch bei weitem nicht so viele exemplare gedruckt, ausgeliefert und verkauft, wie es die höhe der auflage weißmachen möchte ... die auflagenhöhen sind die zahlen, die die werbeindustrie anlocken und binden sollen ... unabhängig von der tatsächlichen leserschaft.

die redakteure und autoren/journalisten sind letztendlich auch nur ein medien- und marketinginstrument. und irgendwas muß halt jede woche geschrieben werden. der inhalt ist wohl in vielen fällen eher nebensächlich, sofern sich die überschrift vermarkten läßt!

man sollte also nicht alles, was in eine zeitschrift steht zu ernst nehmen!

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Ich stehe auf erfolgreiche Frauen. Das macht Sie so anziehend.

Jep, ich auch.

frauen-blabla à la sex-and-the-city.

darüber gedanken zu machen ist mir zu gay!

Danke auch für deine -_- brillante Analyse der Mediengesellschaft. ;-)

Der Artikel selbst ist jetzt nicht so der Hammer, was für "gesellschaftspolitische Maßnahmen" die Autorin meint, ist mir beispielsweise schleierhaft. Aber an der Kernthese ist m.E. was dran. Die meisten Frauen definieren ihr Selbstbild und Rollenverständnis heute selbst. Die Gesellschaft drängt sie ja gerade dazu, weil sie widersprüchliche Anforderungen stellt (etwa Karriere/Familie). Währenddessen taumelt ein Großteil der Typen ohne Bewusstsein durch die Gegend. Wir nennen so einen dann AFC, wenn wir beobachten, wie er um das andere Geschlecht herum stolpert.

Ob es tatsächlich einen "neuen Mann" braucht, kann ich nicht beurteilen. Wer aber Pick-Up als Self-Development begreift, was es m.E. ist, und an seinem Inner Game arbeitet, wird dadurch mehr erreichen. Dann steht er im Leben, egal ob er auf regelmäßigen ONS oder LTR mit einem "Alphamädchen" aus ist.

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Ich weiss ja nicht wo die Autoren diese Männer aufgetrieben haben, aber ich kenne fast keines dieser unfähigen Exemplare.

Lady, als Frau, wie definierst Du für Dich (und mithilfe Deines und des PU-Wissens der Gesellschaft) den "Neuen Mann"?

)(

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Was denkt ihr darüber?

urbanes Gesülze

Männerstudie, Brigitte Frauenstudie, es gibt Dinge, die kann man wohl nur verstehen, wenn man noch nie einen Baum ohne Haus gesehen hat.

Emanzipation?: es gibt dazu ein passendes Zitat, was mir nicht einfällt, aber in eigenen Worten: "Emanzipation gibt es nur da, wo man es gewohnt ist auf Unterschiede zu achten", Wer Emanzipation anstrebt, gibt Frauen den gleichen Randgruppenstatus wie Behinderten oder Ausländern, grenzt sie aus und sorgt dafür, dass sie auch Jahre weiter noch eigene F-Vertreter und F-Bürow haben. -_- Kurz: Wer´s braucht...

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hey jack ... danke für den song! du hast einen interessanten musikgeschmack!

meine analyse basiert tatsächlich auf eigenen erfahrungen in der printmedienbranche. danke für deine anerkennung!

deine gesellschaftspolitische auffassung scheint mir allerdings ein wenig an den haaren herbeigezogen zu sein.

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