Klassische Konditionierung

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Hallo,

inspiriert vom "Orgasmus ankern" Thread habe ich mich kurzfristig entschlossen, Euch eine Abhandlung über Klassische Konditionierung zu schreiben, ich hoffe, es erweist sich für den einen oder anderen als nützlich. Wenn ich etwas mehr Zeit habe, kann ich die Verbindung zwischen Konditionierung und Pickup bzw menschlicher Kommunikation gerne weiter ausführen.

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Die Klassische Konditionierung (KK) wurde von einem russischen Psychologen namens Pavlov entdeckt oder besser gesagt erforscht. Er fand bei einem Experiment mit Hunden heraus, wie die KK funktioniert.

Das Experiment:

1. Pavlov setzte Speichelauffangröhrchen an die Speicheldrüsen von Hunden, die bei Speichelproduktion den Speichel auffangen sollten.

2. Er klingelte mit einer Glocke. Dabei stellte er fest, dass die Hunde beim Hören der Glocke keinen Speichel absonderten.

3. Dann klingelte er wieder mit der Glocke, wartete wenige Sekunden und präsentierte den Hunden dann Futter. Sie sonderten natürlich aufgrund des Futters Speichel ab.

4. Er wiederholte Punkt 3 mehrfach. Klingeln, Futter präsentieren. Diese Durchläufe bezeichnete er als Probeläufe.

5. Als er der Auffassung war, genug Probeläufe gemacht zu haben, Läutete er nur die Glocke, ohne das Futter zu präsentieren. Das Resultat war, dass die Hunde Speichel absonderten.

Die Reaktion wurde also ohne den ursprünglichen Reiz (Futter) abgegeben, stattdessen wurde das Klingeln der Glocke mit der Präsentation des Futters verknüpft, so wurde das Klingeln mit der Futterpräsentation gleichgesetzt. Die Hunde hatten also gelernt Glocke -> Futter.

Pavlov machte 4 für die KK notwendigen Faktoren aus:

1. Unkonditionierte Reaktion/ Unconditioned Reaction (UC): Das Absondern von Speichel. Also die reflexartige Reaktion auf einen Reiz.

2. Unkonditionierter Reiz/ Unconditioned Stimulus(UCS): Das Futter, das den Hunden präsentiert wurde.

3. Konditionierter Reiz/Conditioned Stimulus(CS): Das Klingeln der Glocke

4. Konditionierte Reaktion/Conditioned Reaction(CR): Das Absondern des Speichels nach erfolgreicher KK, also nachdem die Verknüpfung Glocke -> Futter entstanden ist.

Die Phänomene Löschung und spontane Erholung:

Wenn eine Zeit lang nurnoch der Conditioned Stimulus ohne den Unconditioned Stimulus genutzt wird, die Conditioned Reaction herbeizuführen, verliert der Conditioned Stimulus an Kraft. Die Verbindung zwischen Conditioned Stimulus und Unconditioned Reaction geht sozusagen verloren. Das wird als Löschung bezeichnet.

Ist die Löschung vollzogen, gibt es die Möglichkeit der Spontanen Erholung. Das funktioniert dann so, dass der Conditioned Stimulus wieder mit dem Unconditioned Stimulus zusammen präsentiert wird. Dadurch wird die Verbindung wieder hergestellt (schneller als beim 1. Mal).

Generalisieren und diskreminieren

Generalisierungen treten auf, wenn 'wir' (Ich schreibe hier von 'wir', weil das ein meist menschliches Phänomen ist) auf etwas reagieren, das dem Conditioned Stimulus ähnelt (Conditioned Stimulus), und eine Conditioned Reaction hervorgerufen wird, auch wenn 'wir' nicht den Unconditioned Reaction mit dem Conditioned Stimulus-2 verknüpft haben.

Das heisst also, wenn wir gelernt haben, bestimmte Körperliche Reaktionen anderer Menschen (z.B. Zähnefletschen oder das Vorstrecken des Kinns) als Zeichen von Gefahr zu erkennen, könnte dieser Conditioned Stimulus-2 Angst (Conditioned Reaction) hervorrufen, auch wenn man sonst vielleicht nur Angst (Conditioned Reaction) bekam, wenn jemand die Fäuste ballte oder schrie (Unconditioned Reaction). Generalisierung ist also ein Hilfsmittel, konditionierte Reaktionen auf ähnliche Bereiche zu übertragen.

Diskreminierung tritt dann auf, wenn der Conditioned Stimulus-2 häufig genug präsentiert wird, ohne, dass die Folge (Angriff bei unserem Beispiel) eintrifft. Die Verknüpfung zwischen Conditioned Stimulus-2 und Unconditioned Reaction löst sich also.

Regeln für eine starke Assoziation zweier Reize

1. Der CS muss möglichst vor dem Unconditioned Stimulus präsentiert werden. 15 Minuten davor oder wenige Sekunden nach dem Unconditioned Stimulus könnte für rückwärts-Konditionierung oder Spurenkonditionierung sorgen, bei beiden Vorgängen wird nur eine sehr schwache bis garkeine Verbindung der beiden Reize ausgelöst.

2. Die Häufigkeit der Versuche ist proportional zur Stärke des Assoziation(Verknüpfung der Reize) - je öfter die Probedurchläufe, desto stärker die Assoziation.

3. Je stärker, lauter, heller (Druck auf Körperstelle[->NLP] /Glocke/Licht <-- Beispeile für Conditioned Stimulus) der Conditioned Stimulus, desto besser. Ein starker Conditioned Stimulus sorgt für eine stärkere Assoziation.

Kontiguität

Der Psychologe Rescorla fand etwas wichtiges heraus.

Der Conditioned Stimulus muss nicht nur in zeitlicher Nähe zum Unconditioned Stimulus stehen, sondern auch eine genaue Vorhersage auf diesen zulassen - wenn Mensch oder Tier konditioniert werden soll, darf der Conditioned Stimulus nicht nur alle 10, dann mal alle 3 und dann wieder alle 25 Minuten auftauchen, dann ist eine Vorhersage auf den Unconditioned Stimulus im Hirn nicht möglich, weil das Hirn nach Regeln der Regelmässigkeit arbeitet.

Eine letzte Anmerkung:

Allen Wagner erweiterte Rescorlas Idee um das sog. Wagner-Rescorla-Modell. Dessen einfache Aussage ist, dass der Conditioned Stimulus eine stärkere Assoziation ausbilden lässt, wenn er unerwartet kommt. Ich denke, das bedarf keiner weiteren Erklärung.

Wie KK (vermutlich) funktioniert:

Pavlov glaubte, dass für die Ausbildung einer Assoziation bei KK eine gleichzeitige Aktivität zweier Hirnbereiche verantwortlich ist. Ähnlich, als würde man eine Telefonleitung zwischen zwei Häusern spannen, zwischen denen vorher keine Verbindung bestand.

KK im Alltag :

- Die Ampel ist rot, du bleibst stehen. Springt die Ampel auf Grün um, tritt man schon fast automatisch aufs Gas.

- Der Herd ist heiss. Das hat jedes Kind irgendwann einmal gelernt. Hier ist auch ein gutes Beispiel für Generalisierung: Wenn man weiß, dass die Herdplatte heiß ist, weiß man meistens auch, dass das Bügeleisen heiss ist. Woran liegt das? Der Reiz, die abgestrahlte Hitze ist bei beiden gleich bzw unterscheidet sich nur in der Temperatur. Die Conditioned Reaction wäre dann: Hand weg!

Für Anregungen und Kritik bin ich gerne offen.

Gruß,

PEZ

*edit* Abkürzungen durch die Englischen Begriffe ersetzt. Englisch deshalb, weil es vielsagender ist und ich so nicht die ganze Satzstruktur ändern muss.

bearbeitet von PEZ

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super beitrag!

Als Anregung: die Kürzel ausschreiben. In wenig Sätzen kommen die oft vor. In meinen Augen erleichtert es das Verständnis :)

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Ich finds zwar gut, dass wir hier psychologische Infos bekommen, nur darf man nicht den Fehler machen, sowas als "wissenschaftlich gesichert" zu sehen. Nur um mal drei andere Hypothesen vorzustellen:

1.

Es gibt ebenfalls die Theorie, dass nicht hier der Klingelreiz den Speichelreflex auslöst, sondern die Erwartung des Hundes auf Futter und eben diese Erwartung wird von der Klingel ausgelöst.

Dieser Zwischenschritt über die Erwartung mag haarspalterisch klingen, zugegeben, ist in der Praxis dennoch wichtig. Wenn Du einen Orgasmus bei der Freundin ankern willst, indem Du beim Sex ihr kurz vorher was Spezielles sagst oder eine Berührung "ankerst", kann der Anker im Alltag z.B. daran scheitern, dass sie überhaupt keinen Orgasmus erwartet!

2.

Eine ganz andere Theorie, weshalb die Hunde zum Speichelfluss kamen:

Jerzy Konorski, ein Schüler Pawlows, hat das Experiment mit 200 Experimentatoren und Hunden wiederholt. Die

Hunde wurden gefüttert, das Glöckchen bimmelte. Nun gab es kein Futter, das Glöckchen bimmelte, Speichelfluß beim

Hund. Wiederholbar, Experiment wissenschaftlich also „bestätigt“?

Konorski veränderte eine Kleinigkeit, und zwar entfernte er *heimlich* den Schlägel aus dem Glöckchen der 200

Kandidaten, und beobachtete. Die versuchten, zu bimmeln, schauten den Hund an, jedoch hatte diesmal nicht Hund

Speichelfluß - der guckte den Experimentator nur interessiert an - sondern der Experimentator selber hatte Speichelfluß,

spiegelte in seiner gedanklichen Vorstellung, seiner „Realität“ quasi in das erwartete Verhalten des Hundes.

In einigen Fällen bekam der Hund zunächst keinen Speichelfluß, jedoch angesichts des Speichelflusses des

Experimentators schloß dieser daras, daß es bald Futter geben würde, und dann setzte auch bei diesem der Speichelfluß

ein. Experiment gelungen, auch ohne funktionierendes Glöckchen.

Von www.little-idiot.de

Demnach haben die Hunde keine Reflexe auf die Glöckchen gezeigt, sondern auf die Erwartungen der Experimentatoren bzw. deren Reflexe! Also sind die Spiegelneuronen mal wieder verantwortlich?! Oder wie NLPler sagen "Pacen und leaden"?!

3.

Und nur eine sehr unwahrscheinliche Hypothese, die weder widerlegbar noch beweisbar ist, sondern eben nur sehr unwahrscheinlich: Pawlows Hunde hatten keine automatische Kopplung mit Input "Reiz" und Output "Reflex" sondern ein menschenähnliches Bewusstsein bzw. Verstand und Kontrolle über ihren Speichelfluss. Sie haben sich ausgerechnet, dass wenn zehnmal die Klingel vor dem Futter klingelt, die Wahrscheinlichkeit nach der Regel der großen Zahlen groß genug ist, beim elften Mal schon vor dem Essen den Speichelfluss in Gang zu setzen um effektiv verdauen zu können. Dieses Beispiel ist wie gesagt nur unwahrscheinlich, aber zeigt sehr schön, dass niemand weiß warum die Viecher gespeichelt haben.

Außerdem:

Die Schwierigkeit bei diesem Experiment und bei vielen andern "psychologischen" Experimenten ist (gerade wenn es sich um keine Doppelblindstudie handelt), dass man trotzdem nicht in die Köpfe hineinschauen kann, sondern nur Korrelationen misst. Und Korrelationen allein dürfen z.B. in Wissenschaften wie Physik nicht als Beweisführung hergenommen werden, sondern nur als Indiz weiterzuforschen. Die Psychologie leider hat sich da ganz andere Regeln auferlegt: Ich messe einen statistischen Zusammenhang und kann diesen Zusammenhang in anderen Gebieten als logische Folgerung hernehmen. Was leider eben oft nicht gelingt. Und um sich noch mehr anzumaßen: Aus diesem Zusammenhang kann ich wissen, was in den Menschen (oder eben Hunden) vorgeht. Was dann halt noch öfter schiefgeht.

Vermutlich dürften die Hirnwissenschaftler (die meines Erachtens wissenschaftlicher als Psychologen arbeiten) die nächsten Jahre noch ein paar richtig spannende Entdeckungen machen, die viele dieser Zusammenhänge auf eine ganz andere Weise interpretieren. Zur Zeit gibts dort sehr viele Fortschritte....

Um beim Beispiel der Spiegelneuronen zu bleiben: Zwar nicht ganz richtiger Ausdruck, da es sich um ein ganzes Areal handelt und nicht um paar einzelne Neuronen. Diese Neuronen sorgen dafür, dass wir (und auch höher entwickelte Tiere wie andere Primaten) zum einen durch Nachahmung voneinandern lernen können und zum anderen dafür, Rapport herzustellen indem man sein Gegenüber spiegelt in Gesten, Sprache, Haltung und Bewegungen. Quasi dass was NLPler gern Pacen und Leaden nennen. Aber auch hier zeigt sich, dass es eben nicht ganz so einfach ist, wie NLP uns glauben machen mag. Als die Wissenschaftler nämlich die Gehirnaktivität der Spiegelneuronen maßen, als das Gegenüber Bewegung absichtlich nachahmen sollten (auch in einer Doppelblindstudie), stellten sie fest, dass die Spiegelneuronen nicht stärker aktiviert wurden als bei absichtlicher Nicht-Nachahmung.

Praxis:

Nun, was lässt sich daraus schließen?! Nicht viel. Außer dass man für sich selbst praktisch und in RL testen muss was funktioniert und was nicht. Theoretisch lässt sich das zumindest aus psychologischem Regelwerk kaum vorhersagen.

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