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[Alpha in Ausbildung 76]

Hallo zusammen.

Kennt ihr das? Ihr sitzt am Dienstag Nachmittag im Büro, die Zeit scheint stillzustehen. Da alle Stifte nach Farbe sortiert und der Klebestreifen jetzt im 90° Winkel zum verstaubten Monitor steht, bleibt nichts mehr zu tun. Blick zur Uhr: Noch 3h. 3h in denen man einfach nichts zu tun hat und anfängt, über sein Leben zu grübeln. Das einzige, was einen dabei stört ist diese furchtbare Fliege, die einem bei Kopfstillstand immer so dicht ans Ohr fliegt, dass man sich einbildet, von den kleinen Flügelchen einen zarten Windhauch zu vernehmen. Dann grübelt man langsam nach über alles was bisher so geschehen ist: Ausbildung, Erste Freundin, Job, Geld, PU, etc. Eventuell kaut man noch auf einem alten Bleistift rum.

So gehts mir momentan immer öfter. irgendwie ist die Arbeit öde, monoton und meistens hat man nicht wirklich etwas zu tun. Man denkt sich "okay, das Geld ist ganz gut, das nehme ich mit". Aber nach jedem Arbeitstag geifert man nach der duftenden Freiheit wie ein 16 jähriger nach dem ersten Wodka. Man fühlt sich dann frei und es beginnt die spaßige Hälfte des Tages. Im Büro ist es eher wie ein goldener Käfig - Geld ok, Kollegen ok, Arbeitszeit ok. Nichts weltbewegend schlecht oder gut aber einfach.... langweilig? Ich spüre zur Zeit den Drang zur beruflichen Veränderung, weil ich mich inzwischen nichtmal mehr mit Druckerpapier sortieren beschäftigen kann. Aber dann ist sie wieder da: Die Comfort-Zone die dir ganz leise ins Ohr säuselt: "Bewerben? Nein. Ach du hast es hier doch gut. Dieser Aufwand lohnt sich nicht - und vergiss dabei nicht: Es könnte richtig kacke werden". Mit einem sanften Kuss verabschiedet sich dieser Gedanke in die hinterletzte Ecke des Kopfes. Mit Tee und Keksen. Dann kommt man irgendwie ins Zweifeln, ob man sich wirklich der Veränderung stellen sollte. Das ist vor allem dann ein Problem, wenn es per Se kein wirkliches Problem gibt. Es stellt sich einfach die Frage, inwiefern und in welchen Lebensbereichen man sich der mittelmäßigkeit hingibt und brav gemäß  Devise 0815 weiter als Roboter im ewiggleichen Büro-Hamsterrad seine Zeit abstrampelt.

Ich wische kurz die Fliege am Ohr weg und gehe ans Telefon:  "Ja, Morgen steht der Termin. Bis dann!". Und werfe mich wieder unzufrieden in meinen durchgesessenen Bürostuhl. Der Blick wieder auf diesen furchtbaren Monitor mit Excel-Tabellen gerichtet. "Meine Güte, wieso bin ich damals nicht den anderen Weg zu ende gegangen? Hab was praktisches gelernt?" überkommt es mich. "Aber nein, jetzt nochmal verändern wäre ja Hanebüchen, was ein Aufwand". So tippere ich die nächsten Zeilen in dieses digitale Arbeitslager und nach 2 Minuten folgt der Blick zum Handy. Noch 2,5h Arbeit. "Das ist wirklich nervig" puste ich. Andererseits: Es könnte schlimmer sein. Vielleicht beschwert man sich auch einfach zu viel und sollte froh sein mit dem, was man hat. Klar, es reicht nicht für einen Porsche oder eine Villa am Gardasee. Aber ich kann mir immerhin ein Stück Butter für inzwischen fast 3€ leisten. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Wir leben in unsichereren Zeiten als noch vor 10 Jahren. Da sollte man so einen Job schon wertschätzen. Mit einem okayen Geld.

Die Uhr klackt an der Wand weiter vor sich hin. Ich lege die Füße hoch und überlege mir erneut, wie ich dieser langweiligen Tristess ein Schnippchen schlagen könnte. Mir geistert ein Kommentar meiner Eltern durch den Kopf: "mach es doch einfach, Du kriegst das schon hin". Ein schöner Gedanke. Aber ich habe mich hier irgendwie eingerichtet. Ich kenne inzwischen die verkalkte Kaffeemaschine im Flur, den Papiermüll der jeden 2. Tag schon überquillt, die Putzfrau die ständig Selbstgespräche führt über "diese beschissene Gesellschaft" und vor allem die Kolleginnen, welche aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters eher Muttis ähneln. Irgendwie fühlt es sich ja auch heimelig an. Der Mensch ist ja so ein altes Gewohnheitstier.

Ich Streife mit der Hand über meine abgelederte Aktentasche und denke zurück an den Zeitpunkt, wo ich sie gekauft habe. Und warum: Weil ich großes vorhatte! Diese Aktentasche sollte keine Rechnungen sondern Anweisungen transportieren! Für meine Mitarbeiter!

Ich muss lachen. "Witzig, wie die Dinge manchmal so kommen" sage ich mir. Vom Traum bis zum durchziehen des langweiligen Mitarbeiteralltages sind es manchmal nur wenige Wochen. Wenn der Chef einen bauchpinselt, dass man ja so gut wäre, fühlt man sich erstmal gut. Erstmal. Irgendwie habe ich es langsam satt, anderen Leuten in die Tasche zu arbeiten. Anderen die Lorbeeren im Rosenkranz zu servieren, nur um mich zum Monatsende an einem Bruchteil meiner Arbeitsleistung Finanziell laben zu dürfen.

Ich haue nochmal die Fliege weg. Ich stelle fest, dass es nun noch 1h bis zum Feierabend ist. Aber was viel wichtiger ist: Nein ich möchte mich diesem Ameisenhaften Alltag nicht mehr ergeben und auch nicht mehr Gebauchpinselt werden, damit ich die Fresse halte.

Ich bewerbe mich jetzt auf die guten Stellen! Man lebt ja doch nur einmal und das sollte ein geiler Trip werden. Lebensveränderung hört nicht bei PU auf, es hört nie auf. Und das macht es so wunderbar🙂

[DirtyD 98]

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