Internet- / Informations- / Medien- / digitale Konsumsucht

5 Beiträge in diesem Thema

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Ich wollte mal fragen, ob es hier Member gibt, die Internetsüchtig / Mediensüchtig sind oder waren und einen Weg raus gefunden haben.

Mir geht es nicht um gutgemeinte Ratschläge von Menschen, die nicht wirklich die Erfahrung gemacht haben oder nachvollziehen können wie es ist, sondern um Erkenntnisse von Menschen, die es erleben oder erlebt haben.

Meine persönliche Definition der Sucht: Wenn es einem schwer fällt und mit Überweindung verbunden ist, mehrere Tage zu verbringen ohne auf einen digitalen Bildschirm zu sehen. Egal ob Fernseher, Youtube, Foren, Netflix, Nachrichten, sinnloses (ohne gezielt auf ein reales Treffen hinsteuerndes) benutzen von Whatsapp, Facebook, Tinder, weitere soziale Apps (hier kann es sehr leicht verschwimmen), etc. Unterhaltung eben.

Meine Situation in Stichworten: Sozialer Umgang mit anderen Menschen hat mich schon immer Energie gekostet, auch wenn es schön war bzw. ist / Ich bin schon früh mit digitalen Medien in Verbindung gekommen und habe diese schon in meiner Jugend und Kindheit (damals noch mit anderen Menschen, Freunden, Familienmitgliedern) stark konsumiert, genutzt / Irgendwann habe ich erkannt, dass es meiner Persönlichkeit, Entwicklung, langfristigem Wohlbefinden schadet und habe es mental als schlecht abgespeichert und etwas wovon in ich los kommen muss. Vermutlich hat sich unterbewusst ein schlechtes Gewissen entwickelt, dass immer dann irgendwie da war, wenn ich es benutzt habe / Ich habe meine Umgebung so gestaltet, dass ich gar nicht die Möglichkeit hatte es zu nutzen: Kein Fernseher, Keine Videospiele, erst sehr spät ein Smartphone (Abwegung sozialer Nutzen vs. Schaden) gekauft, keine Konsolen, nur ein Notebook, welches nicht für Spiele geeignet ist, keine Abos wie Netflix etc. / Ich bin aber immer nur mal mehr mal weniger losgekommen. War ich lange auf Reisen ohne Smartphone und Notebook und hatte ausgefüllte Tage, Bekanntschaften etc. dann habe ich es kaum oder gar nicht vermisst und es passierte automatisch ohne dagegen anzukämpfen. Hatte ich wieder einen normalen Alltag = Arbeiten, alleine Wohnen, nach der Arbeit nichts geplant, da Ende der Arbeit nie absehbar und Pläne dann mit Stress verbunden, dann kam die Sucht zurück und ich hatte nur die Wahl zwischen ständig dagegen ankämpfen oder nachgeben. Die Sucht hat sich einfach neue Wege und Excuses gesucht. Keine Games mehr? Ok, dann eben Youtube. Komplettes Youtube Verbot? Aber da gibt es doch auch viele nützliche Dokus und Videos etc. Seit ich dann für lange Zeit sehr krank mit chronischen Schmerzen war/bin + Einsamkeit + Quarantäne, hat es auch als Ablenkung gedient. Wegen den Schmerzen konnte ich mich eben leider auch nicht einfach nach dem Abendessen hinlegen und an die Decke gucken oder Spazieren gehen (Schmerzen unter anderem im Magenbereich, Übelkeit, Reflux was schlimmer wird, wenn ich mich zu früh nach dem Essen hinlege und Schmerzen im Sprunggelenk, welche durch Spazieren gehen schlimmer wurden und mich auch davon abgehalten haben), dann noch Winter, Kälte, Dunkelheit, Ausgangssperre am Abend. Da ich alleine Wohne und keine Hobbies habe, welche mich alleine zu Hause so faszinieren, dass ich damit die Stunden bis zum Schlafengehen überbrücken kann, bin ich momentan so in die Sucht reingerutscht wie noch nie. Ich habe mittlerweile Schmerzen im rechten Auge, wenn ich auf Bildschirme gucke, vor allem beim Lesen und die Schmerzen lassen nach, wenn ich mich mal für ein paar Tage zwinge nicht drauf zu gucken. Trotzdem nehme ich die Schmerzen in Kauf und bleibe wieder am Bildschirm kleben, auch wenn ich mir vorgenommen habe, heute einfach mal alles aus zu lassen. Als ich in WGs gewohnt habe, war das mit der Sucht weniger stark, aus ähnlichen Gründen wie beim Reisen, damals ging es mir aber auch gesundheitlich noch besser und ich war weniger eingeschränkt. Außerdem habe ich mich in WGs mit Randommitbewohnern nie wirklich für längere Zeit wohlgefühlt und meine Privatsphäre vermisst und deswegen kommt es für mich nicht in Frage. Die momentane Einsamkeit wäre für mich das kleinere Übel, wenn ich wieder uneingeschränkter wäre und mir die Leute, mit denen ich mich wohl fühle von außen ins Leben ziehen könnte.

Mehr Rausgehen und unter Leuten sein ist ein wichtiger Teil um das Problem in den Griff zu bekommen. Dafür brauche ich keine Ratschläge. Ich wäre echt dankbar, wenn Leute die diese Sucht auch haben oder hatten ihre Erfahrungen hier reinschreiben würden. Wie geht ihr damit um, wenn euer Gehirn rationalisiert: "Nur diese eine Info auf Google/Youtube nachgucken. Ah ok das noch." Schon ist man wieder angeklebt und es hilft nur noch sich mit Gewalt los zu reisen und sich gegen sein eigenes Verlange zu stellen". Habt ihr Hobbies oder Tätigkeiten gefunden, welche euch geholfen haben den Abend nach der Arbeit alleine zu Hause zu verbringen, ohne den Drang nach Medienkonsum zu haben? Wie lange hat es gedauert bis es so war und ihr euch nicht mehr zwingen musstet? Manchmal habe ich das Gefühl nur ein ganz radikales Ändern der Umstände und des Alltags könnte noch etwas bewirken, ähnlich wie das Reisen und anders kann ich nicht davon los kommen. Das ist aber im Moment nicht möglich. Ein Leidensgenosse, dem es genauso geht und der es auch so sieht wie ich und mit dem ich das ganze wie ein Projekt angehen könnte mit regelmäßigen Treffen würde bestimmt auch helfen. Ich kenne zwar viele, denen es mit der Sucht, abgesehen von der Einsamkeit wohl genauso gehen müsste wie mir, die es aber nicht so sehen und die es auch nicht stört. Schließlich gilt es als normal nach der Arbeit vor dem Fernseher zu gammeln.

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Hey! 🙂

Ich denke ich treffe auf deine Beschreibung zu. Ich hatte schon in der 4. Klasse Zugang zum Computer, woraus sich über die Jahre eine echte Sucht entwickelt hat. Mit 16 kam dann auch noch das Smartphone hinzu. Jedenfalls war ich über die Jahre mal mehr, mal weniger süchtig nach Computerspielen, WhatsApp, Tinder, Youtube, Pornos, you name it. Wirkt ja alles neurologisch sehr ähnlich. Mit 22 und 23 hat sich dann aber einiges geändert, weil ich mir eingestehen musste, dass ich wertvolle Jahres meines Lebens, meiner Jugend an diese Sachen fast verschwendet habe und noch heute an den Spätfolgen leide - nie gemachte Erinnerungen, nicht ausreichend gelernte soziale Fähigkeiten, wenig Freunde, Schüchternheit... Die Entscheidung gegen diesen Lebensstil war für mich hart gesprochen eine Entscheidung für das Leben und gegen den Tod. Ich wusste, inmitten einer Depression zu diesem Zeitpunkt und dunklen Momenten auf Autobahnbrücken und an Bahngleisen, dass ich in den nächsten Monaten draufgehe, wenn ich nichts an meinem Leben ändern würde. 

Diese Erkenntnis hat aber nicht von jetzt auf gleich alles geändert. Ich denke das wäre auch sehr viel verlangt und das gleiche denke ich auch in Bezug auf deine Situation. Aber jetzt, ein, zwei Jahre später bin ich an dem Punkt, bei dem es mir sogar trotz Corona ziemlich gut geht - obwohl ich noch vor zwei Jahren kurz davor war, Suizid zu begehen. 

Es gibt ein paar Punkte, die mir ganz stark geholfen habe. Es war aber nicht, dass ich mir ständig auf die Finger gehauen hätte, um nicht an den PC oder nicht ans Handy zu gehen, sondern ging viel fundamentaler. Insofern stimme ich dir voll zu:

vor 4 Stunden, Driftwood schrieb:

Manchmal habe ich das Gefühl nur ein ganz radikales Ändern der Umstände und des Alltags könnte noch etwas bewirken, ähnlich wie das Reisen und anders kann ich nicht davon los kommen.

Es wird dir nichts bringen, weiter wie bisher gegen dein Gehirn und deine Triebe anzukämpfen. Du merkst doch selber, dass das nicht funktioniert.  

Lass es mich weiter ausführen: Ich hab mit der Zeit immer mehr kapiert, dass es meine Lebensumstände sind, die mein Leben zur Hölle gemacht haben. Die Sucht an sich war nicht das eigentliche Problem. Klar, sie hat mir nicht gut getan, war aber im Prinzip ein "safe spot", ein Bewältigungsmechanismus für mich, weil ich nicht das Leben geführt habe, dass ich bräuchte. Und je mehr ich meine Lebensumstände zuletzt verändert habe, desto mehr bestätigte sich diese Vermutung. Und so hab ich in 2020  mein Leben aufgeräumt. 

Ich habe beispielsweise gemerkt, dass mir alleine wohnen nicht gut tut und schon gar nicht während Corona. Also habe ich schon im Sommer mit Blick auf den harten Corona-Winter eine WG gesucht und bin jetzt unglaublich froh, mit zwei lieben Mädels immer jemanden zum quatschen zu haben und etwas Auslauf in der Wohnung zu haben. 

Ich habe mir außerdem einen anderen Nebenjob gesucht, da mich der alte nur noch fertig gemacht hat. Das war mit einer leichten (sozialen) Angststörung und im Mai mitten während Corona echt nicht ohne, aber hat sich total bewährt. Im November habe ich ein neues Studium angefangen, wo ich trotz Corona neue Leute kennenlerne und bald schon eine Kommilitonin treffe oder zumindest mal mit Leuten in Online-Seminaren mit gleichen Interessen quatschen kann.

Ich habe meine Beziehungen zur Familie und zu Freunden verbessert. Gerade während Corona sehr sehr viele, emotionale Gespräche geführt. Heulend mich von meiner Mutter ins Krankenhaus fahren lassen, weil ich es alleine nicht geschafft habe. Mit Freunden und meiner Ex reinen Tisch gemacht. Nie habe ich anderen Menschen gegenüber so viel preis gegeben. Dafür sind die Beziehungen zu meinen wichtigsten Menschen aber jetzt auch 10 mal so gut.  

Ich will nicht, dass der Text zu lang wird, deswegen muss das als Auszug reichen. Wohlgemerkt war das alles in 2020. Aber vielleicht noch ein paar Sätze speziell zu Corona, was mir da besonders hilft:

Nachts gehe ich häufig spazieren, um genug Bewegung zu habe. Ich trainiere alle zwei Tage Zuhause und habe auch keine Rückenschmerzen mehr, die ich jahrelang hatte. Nach der (online) Uni oder Arbeit schalte ich den Rechner aus, gehe nicht mal mehr an die Xbox oder so. Lieber raus an die frische Luft, Essen holen, einen Schneemann mit ner Freundin bauen, Putzen, was kleines kochen, meine Pflanzen züchten, mit Leuten telefonieren. Im Prinzip ist über das vergangene Corona-Jahr die Sucht komplett verschwunden, wobei es vielleicht schon ein halbes Jahr vorher weniger wurde. 

Natürlich muss man sich in eine Sucht flüchten, wenn das Leben scheiße ist. Und natürlich geht's einem scheiße, wenn die Rahmenumstände scheiße sind. Wenn du so weiter machst wie bisher, wird dein Leben weiter so sein, wie es ist. Wieso sollte es sich sonst auch ändern? 

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Würde auch sagen es gibt Ansatzpunkte:

1. Entweder Konsum reduzieren sprich über Entzug. Einfach Internetanschluss kündigen oder Router per Post verschicken. Wobei dann die Gefahr besteht mit dem Handy zu surfen. 
Problem ist evtl ne Suchtverlagerung.

2. Was der Vorposter erwähnt hat, sprich Lebensführung. Wer keine Hobbies und Ziele im Leben hat, der muss sich auch mit Medien weghauen. Konkrete Ziele setzen und stramme Tagesplanung umsetzen. 

Das Thema wird auch in der Gesellschaft viel zu wenig thematisiert, einfach weil auch völlig normal ist sich jeden Tag mit dem Konsum von oberflächlicher Scheisse zu betäuben. Sei es Youtube, Netflix, Porn, Krimis oder Spiegel Online oder das PUF^^

Ich persönlich hatte schon suchtähnliche Probleme mit Medien, seitdem ich 13 bin. Jetzt in Coronazeiten ist es viel problemtischer. Entscheidend ist dass man Zeit vergeudet, die man lieber für was anderes aufwenden sollte. 

 

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Gast
vor 10 Stunden, Driftwood schrieb:

Hatte ich wieder einen normalen Alltag = Arbeiten, alleine Wohnen, nach der Arbeit nichts geplant, da Ende der Arbeit nie absehbar und Pläne dann mit Stress verbunden, dann kam die Sucht zurück und ich hatte nur die Wahl zwischen ständig dagegen ankämpfen oder nachgeben.

Das ist der Kern deines Problems. Da würde ich mal ansetzen. Allerdings hast du dir mit dem Winter+Lockdown die denkbar schlechteste Zeit dafür gesucht. 

Ich würde jetzt anfangen es zu reduzieren und dann in ein paar Wochen regelmäßige Unternehmungen Abends zu planen. Das kann z.b. einfach ein 2 stündiger Spaziergang sein den du aber machen MUSST. Wichtig ist das diese Tätigkeit nach ein paar Wochen zur Normalität wird und dir fehlt wenn du das nicht machst. Spazierengehen ist wirklich super weil du dich in der Natur bewegst und das eigentlich immer geht solange du gesund bist. Da gibt es auch keine Ausreden wie Fitti/Boulderhalle geschlossen usw. Wenn dir dein Fuss weh tut dann nimm das Rad und schau ob es damit besser ist.

Du arbeitest um zu leben und nicht umgekehrt. Schau das du dir von deiner Arbeit nicht dein ganzes Leben diktieren lässt. Ich hab mit 40 im Büro gewohnt und 16 Stunden gearbeitet. Damals war ich zu fett und richtig unglücklich. Das passiert mir nie wieder.

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@Driftwood, mich würden deine Fortschritte interessieren. Berichtest du bitte, ja? Erstmal dicken Respekt, dass du schon so viel erreicht und dich nicht aufgegeben hast - Da kannst du wirklich sehr stolz auf dich sein!

Mir geht es hin und wieder ganz ähnlich. Bin jedoch - vielleicht im Gegensatz zu dir - ein sehr sozialer Mensch. Genieße es regelrecht unter Freuden und Bekannten zu sein, mit Menschen zu arbeiten, Projekte anzustoßen etc. Leider habe ich - corona-bedingt - aktuell überhaupt keine Arbeit, keine Projekte, meine WG ist super zweckmäßig, meine Kontakte rar und ich hänge - mal wieder - super viel an Playstation, auf Tinder, bei Instagram, auf Krypto-News Seiten, OBWOHL ich weiß, dass mir das nicht gut tut. (Ich würde gern Gitarre lernen, mehr Sport machen...) Und natürlich wichse ich auch wieder vermehrt zu Pornos. Im Grunde weiß ich auch, dass mir das nicht gut tut. Teuflisch!

Wie sieht es denn mit anderen Süchten bei dir aus? Ich habe - bis auf meinen Medienkonsum - keine kritische Sachen mehr. Trinke nicht mehr, kiffe nicht mehr... Aber bin verdammt abhängig von Sozialem. 😞

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