10 Beiträge in diesem Thema

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Guten Tag,

nach längerer Zeit wende ich mich wieder mal ans Forum mit der Bitte um Hilfe.

Folgendes: Ich bin einfach 0,0 konfliktfähig. Wird der Ton bei Diskussionen rauer und sehe ich mich genötigt, meine Meinung gegenüber anderen zu vertreten, ist das gefühlsmäßig für mich eine Art Weltuntergang. Mir schnürt sich der Hals zu. Ich bekomme ein Zittern in der Stimme. Innerlich bin ich so angespannt, dass ich mich sehr zusammenreißen muss, um nicht loszuweinen. Ich werde sehr oft sehr wütend und würde am liebsten die Fäuste einsetzen. Letzteres ist zum Glück noch nie passiert. Wie gesagt: Es sind ebsolute Kleinigkeiten, die mich so auf die Palme bringen. Eine hitzige Diskussion unter Freunden beispielsweise, wo mir über den Mund gefahren wird. Oder ich fühle mich nicht richtig wertgeschätzt.

Ich denke, dass dieses Verhalten ein Überbleibsel meiner Vergangenheit ist, die von Mobbing und Depressionen bestimmt wurde. Ich weiß das, kann aber scheinbar nichts dagegen tun. Wenn ich Widerworte gebe, habe ich Angst, dass Leute sich von mir lossagen und ich dann alleine dastehe. Nach außen gebe ich stets den Coolen, der frech und selbstbewusst auftritt. Und auch bei Streitigkeiten behalte ich für Außenstehende einen kühlen Kopf. Innerlich brodelt es aber in mir und ich finde keinen Hebel, um dagegen vorzugehen.

Ein Beispiel: Ein Bekannter von mir lästert bösartig über eine andere Bekannte. Sie sei achso dämmlich und arrogant. Ich sage ihm, dass ich so nen Dreck nicht hören will und sein Urteil bei mir ebenso arrogant rüberkommt. Es entsteht ein kurzes Hin und her an Argumenten. Und nach wenigen Sätzen bin ich innerlich am Kochen und habe Probleme, noch richtig zu sprechen, so dass ich lieber den Mund halte und auf ein anderes Thema überlenke, wo ich dann versuche, einen Konsens zu schaffen. Schwamm drüber, sozusagen. Danach bin ich eienrseits enttäuscht von mir, weil ich meine Meinung nicht richtig vertreten habe; andererseits fühle ich mich schrecklich allein und habe Angst, dass mein 'Kontrahent' nichts mehr mit mir zu tun haben will.

Kennt das jemand? Hat jemand Empfehlungen für Bücher, die sich mit solchen Themen beschaftigen?

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Gast

Ich kenne das Verhalten in abgeschwächter Form auch von mir. Es sind mMn. mehrere Baustellen die aber die gleiche Ursache haben. Geringer Selbstwert lässt dich unterlegen fühlen, dabei hast du ja deinen Standpunkt klar gemacht.

Die Angst alleine dazustehen ist ebenfalls auf den Selbstwert zurückzuführen. Hier hat mir geholfen das ich interessenbedingt meinen alten Freundeskreis aufgegeben habe und mittlerweile viel alleine unterwegs bin. Ich weiss mittlerweile das ich jeden Tag interessante Menschen kennenlerne und das gibt mir die Sicherheit nicht alleine dazustehen.

Du scheinst ebenfalls wie ich einen Hang zum Jähzorn zu haben. Hier mach dir klar das du mit der Ohnmacht in der Situation nicht umgehen kannst. Sei respektvoll dir gegenüber und ziehe dich aus solchen Situationen zurück. Ich komme gut damit klar, wenn ich mich immer im grünen Bereich halte und nicht zu verbissen versuche mich durchzusetzen. Das machst du schon alles richtig, akzeptiere nur das du eben so bist.

Schau mal ob dir dein Leben derzeit wirklich gefällt und du genug Spass hast. Wenn das passt sind dir solche Auseinandersetzungen nicht mehr so wichtig und du kannst entspannter damit umgehen.

bearbeitet von Gast

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Aus meiner praktischen Erfahrung würde ich sagen: Die Angst seine Meinung zu vertreten in der Form wie du sie beschreibst, ist das nicht die Angst "alleine überzubleiben"? Du selbst benennst ähnliche Erfahrungen.

Also das geht's aus meiner Sicht um eine oft kindhaft geprägte Idee: Wenn ich das tue, dann verliere ich die Beziehung zu den wichtigsten Personen. Drum darf ich nicht und schlucke runter was mir auf der Zunge liegt.

Heilsam dafür kann sein: Freunde und Beziehungen zu erleben wo konträre Meinung geschätzt wird. Ob du das mit einem Buch hinkriegst - keine Ahnung was es da an entsprechender Literatur gibt.

Heilsam könnte auch sein: zu erkennen das du heute, als erwachsener Mensch, nicht mehr wirklich gefährdet bist wenn dir jemand die Beziehung aufgrund deiner abweichenden Meinung entzieht. Also mehr aus dir selbst zu leben, und dich weniger abhängig zu fühlen von anderen Menschen. Hattest du Erfahrungen wo "alleine dahstehen" für dich sehr schmerzhaft war?

Ist aus meiner Sicht ein super Thema für persönliche Arbeit mit professioneller Begleitung.

bearbeitet von Helmut

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vor 3 Stunden, Balth schrieb:

andererseits fühle ich mich schrecklich allein und habe Angst, dass mein 'Kontrahent' nichts mehr mit mir zu tun haben will.

Was genau würde passieren wenn "dein Kontrahent nichts mehr mit dir zu tun haben wollte"?

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vor 10 Stunden, Balth schrieb:

Ich sage ihm, dass ich so nen Dreck nicht hören will und sein Urteil bei mir ebenso arrogant rüberkommt. 

Mal für mein Verständnis: sagst Du das dann so? Oder war das nun im übertragenen Sinne gemeint?

weil... ist für mich total spannend. Ich selbst hab gefühlt überhaupt keine Probleme meine Meinung zu vertreten - würde so eine „wertende“ Formulierung aber nie benutzen. 

Ist ne interessante Sache in Kombination mit Dir Angst dass man nichts mehr mit Dir zu tun haben will falls du auf der anderen Seite gleich auf so ne Ebene gehst.

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vor 13 Stunden, Sam Stage schrieb:

Ich kenne das Verhalten in abgeschwächter Form auch von mir. Es sind mMn. mehrere Baustellen die aber die gleiche Ursache haben. Geringer Selbstwert lässt dich unterlegen fühlen, dabei hast du ja deinen Standpunkt klar gemacht.

Die Angst alleine dazustehen ist ebenfalls auf den Selbstwert zurückzuführen. Hier hat mir geholfen das ich interessenbedingt meinen alten Freundeskreis aufgegeben habe und mittlerweile viel alleine unterwegs bin. Ich weiss mittlerweile das ich jeden Tag interessante Menschen kennenlerne und das gibt mir die Sicherheit nicht alleine dazustehen.

 

Ja, ich denke, damit liegst du genau richtig. Der niedere Selbstwert ist. Leider wurde mir das von meinen Eltern in der frühen, prägenden Kindheit so einhämmert: Liebe bekommst du nur, wenn du artig bist und Leistung bringst.

Daran arbeitete ich mich schon seit der frühen Jugend ab. Die Lösung, die du für dich gefunden hast, klingt sehr interessant für mich. Bei mir sieht das definitiv noch anders aus, aber das wäre so der Punkt, wo ich mich hinbewegen will: Leicht Kontakt knüpfen mit Menschen, die meine Interessen und Einstellungen teilen. Danke für deine Rückmeldung!

bearbeitet von Balth

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vor 13 Stunden, Helmut schrieb:

Heilsam könnte auch sein: zu erkennen das du heute, als erwachsener Mensch, nicht mehr wirklich gefährdet bist wenn dir jemand die Beziehung aufgrund deiner abweichenden Meinung entzieht. Also mehr aus dir selbst zu leben, und dich weniger abhängig zu fühlen von anderen Menschen. Hattest du Erfahrungen wo "alleine dahstehen" für dich sehr schmerzhaft war?

Ist aus meiner Sicht ein super Thema für persönliche Arbeit mit professioneller Begleitung.

Ja, damit hatte ich schon mal ganz gute Erfahrungen gemacht. War eine Therapie, in der es darum ging, zu begreifen, dass Schutzmechanismen aus der Kindheit heute nicht mehr notwendig sind, um 'überleben' zu können. Damals sind wir natürlich auf unsere Eltern angewiesen gewesen; jetzt kämen wir alleine zurecht. Leider weiß das zwar mein Verstand, mein Gefühl sagt mir aber was ganz anderes. Vielleicht wäre es schlau, nochmal eine Therapie in diese Richtung zu starten. Scheint doch sehr fest in mir verankert zu sein.

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vor 13 Stunden, Helmut schrieb:

Was genau würde passieren wenn "dein Kontrahent nichts mehr mit dir zu tun haben wollte"?

Eigentlich gar nichts. Und das ist ja das Traurige: Ich fürchtete mich vor etas komplett Irrationalem.

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vor 5 Stunden, Calara schrieb:

Mal für mein Verständnis: sagst Du das dann so? Oder war das nun im übertragenen Sinne gemeint?

weil... ist für mich total spannend. Ich selbst hab gefühlt überhaupt keine Probleme meine Meinung zu vertreten - würde so eine „wertende“ Formulierung aber nie benutzen. 

Ist ne interessante Sache in Kombination mit Dir Angst dass man nichts mehr mit Dir zu tun haben will falls du auf der anderen Seite gleich auf so ne Ebene gehst.

Nein, so drastisch formluliere ich das nie. Ich denke zwar so, drücke mich aber in 99% der Fälle wesentlich diplomatischer aus.

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Gast

Ein bisschen Küchentisch-Psychologie: 😉

Ein Stück kennt das vermutlich jeder. Wenn der dämliche Chef ein angeblöckt und man innerlich. an die Decke gehn könnte. Oder man streitet sich mit der Freundin und hat Angst das der Ofen nun aus ist usw. Wenn es jedoch zu einem Dauerzustand wird, dann ist es problematisch. Ich kenne das auch aus Phasen, wo gerade nicht viel läuft, z. B. gerade keine Freundin und kein Job. usw.

Es gibt natürlich unzählige psychologische Möglichkeiten, woran die Angst verlassen zu werden begründet sein könnte: soziale Angststörung, Depression, Borderline, Co-Abhängigkeit, Narzissmus usw. Aber da gibt es dann meistens noch mehr Dinge, die nicht rund laufen. 
Vermutlich liegt es im Kontext der inneren Aggression einfach an deinem geringen Selbstwertgefühl und schlechten Erfahrungen in der Kindheit. Auch ein in der Kindheit eingetrichtertes: du musst nett sein, artig sein usw.

Zu den Aggressionen kannst du dich mal in reaktive Aggression einlesen.. 

Mein persönlicher Ratschlag:

1) emotionalen Abstand zu Personen und Gruppen aufbauen. Damit meine ich nicht, nicht mehr Teil einer Gruppe zu sein, oder sich neue Freunde zu suchen. Aber eine gewisse emotionale UNABHÄNGIGKEIT erlangen. Also nicht, ihr könnt mich alle mal, sondern: Spannend was du sagst ich habe dazu eine komplett andere Meinung. Prost.

2) Verstehen, dass selbst wenn die ganze Welt dich verlässt, du erwachsen und selbstständig genug bist halt dann alleine die Mammuts zu erlegen.

3) am Selbstwertgefühl arbeiten.

4) Lösungsstrategien für Konflikte entwickeln. (Siehe reaktive Aggression). Dazu ruhig mal Situationen mit Stift und Papier analysieren und alternative Handlungsweisen ausdenken.
- War ich in dieser Situation wirklich in einer Gefahr, herabgesetzt oder sonst wie in meinem Selbstwert erschüttert oder habe ich vielleicht überreagiert?
Bei der nächsten vergleichbaren Situation: aha, ich nehme Variante xyz. Die ist besser, als sich drüber aufzuregen.

Ansonsten schadet auch mal ein Gespräch mit einem Psychologen nicht.

Nachtrag:

Sich streiten und vertragen ist durchaus ein Teil der Sozialkompetenz. Das kann man auch noch im Erwachsenenalter lernen.

bearbeitet von Gast
Nachtrag

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