tonystark 2393 Beitrag melden Mai 10, 2019 geantwortet Am 7.5.2019 um 01:51 , SanDiego69 schrieb: Eine Demenz ist im Gegensatz zu einer Depression ein objektivierbares (messbares, darstellbares) Krankheitsbild aus der Somatik (!). Das kann somit kein Symptom sein, daher hinkt dein Vergleich sehr. Über deinen infantilen Folgesatz sage ich mal nichts! Sorry ich hab´s ja doch getan. Wenn wir die Begriffe korrekt verwenden, dann kann auch eine Depression schon allein deshalb kein Symptom sein, weil es sich bei einem Symptom per definitionem um das kleinste beschreibbare Anzeichen einer Erkrankung handelt und eine Depressionserkrankung sich im Gegensatz dazu durch ein komplexes Beschwerdebild (etwa Müdigkeit, gedrückte Stimmung, Antriebsschwäche etc.) kennzeichnet, das depressive Syndrom. Das Kriterium der (völligen) Objektivierbarkeit spielt weder für das Vorhandenseins eines Phänomens, noch für die Erklärbarkeit oder Nicht-Erklärbarkeit seiner Ursachen eine maßgebliche Rolle. Mittels standardisierter psychologischer bzw. sozialwissenschaftlicher Instrumente kann ich auch Einstellungen, Meinungen, die Intelligenz oder eben auch Erkrankungen der Psyche zuverlässig abbilden und darauf basierend systematische Ursachenforschung betreiben. Es ist richtig, dass psychiatrische Erkrankungen (jedenfalls zum aktuellen Stand) grundsätzlich nie in dem gleichen Maße objektivierbar sind wie es bei somatischen Störungen typischerweise der Fall ist. Aber nur, weil eine Depressionserkrankung nicht im gleichen Maße objektivierbar ist wie die Infektion mit einem Grippevirus, bedeutet das doch nicht, dass sie deshalb "ein Symptom" ohne eigenen Krankheitswert sein muss. Was ist denn mit nicht organisch begründbaren Psychosen, Persönlichkeitsstörungen etc.? Auch alles Resultate eines "unglücklich gelebten Lebens"? Du widersprichst dir außerdem völlig, indem du einerseits postulierst, dass ein (Krankheits-)Konzept objektivierbarer Natur sein muss, um darüber sinnvolle Aussagen hinsichtlich etwaiger Kausalitäten treffen zu können, andererseits aber der festen Überzeugung bist, als Ursache für das "subjektive Konzept" des depressiven Syndroms ein weiteres subjektives Konzept namens "(niedrige) Lebenszufriedenheit" bzw. "unglücklich gelebtes Leben" mit hoher Gewissheit ausmachen zu können. Darüber hinaus ist es mit der Objektivierbarkeit der Demenz auch längst nicht so weit her wie du offenbar glaubst. Im Anfangsstadium einer Demenzerkrankung ist sie praktisch gar nicht gegeben, die Messbarkeit gestaltet sich hier äußerst schwer, da das frühe dementielle Syndrom bspw. große Übereinstimmungen mit der depressiven Pseudodemenz aufweist. Erst im fortgeschrittenen Stadium kann die Messbarkeit des dementiellen Syndroms als zuverlässig gegeben betrachtet werden und wird im zeitlichen Verlauf auch zunehmend mittels fMRT bildlich darstellbar. Eine zweifelsfreie Diagnose der dafür ursächlichen Grunderkrankung, d. h. welche spezifische Form der Demenz (etwa Alzheimer-Erkrankung oder Altersdemenz) hier eigentlich vorliegt, ist aber i. d. R. nur theoretisch bzw. posthum möglich. Nun könntest du einwenden, dass dir eine Objektivierbarkeit des Symptomkomplexes oder eine theroretische Objektivierbarkeit der Erkrankung (was gar nicht immer so klar zu trennen ist) völlig genügt. Worauf ich dann jedoch einwenden würde, dass es bereits heute schon objektive Erkennungsanzeichen einer Depression gibt und dass die grundsätzliche, respektive zukünftige Objektivierbarkeit (durch entsprechenden wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt) praktisch als sicher gelten darf: An objektiven Erkennungsmerkmalen wären typischerweise etwa sozialer Rückzug, sichtbare bzw. nach außen gerichtete Reizbarkeit, Gefühlskälte, Gefühlsschwankungen oder (dauerhafte) Niedergeschlagenheit zu nennen, weiterhin Schlafstörungen und/oder erhöhtes Schlafbedürfnis, Vernachlässigung von Hobbys und Interessen bis hin zur Vernachlässigung der Hygiene oder der eigenen Gesundheit und schließlich auch Suizidalität zu nennen, die allesamt von außen beobachtbar sind bzw. sein können. Dazu gibt es Hinweise, dass - insbesondere bei chronischen bzw. schweren Formen einer Depressionserkrankung - etwa der mediale Frontalpol im Gehirn charakteristische struktuelle Veränderungen zeigt. Auch weisen überdurchschnittlich viele Patienten mit Depressionserkrankungen leicht erhöhte CRP-Werte im Blut auf, was auf entzündliche Prozesse hindeutet und dazu passend haben sich auch mittels Positronen-Emissions-Tomographie Hinweise darauf ergeben, dass (jedenfalls in manchen Fällen) Depressionen das Resultat von entzündlichen Prozessen im Gehirn sein könnten. Nicht zuletzt deutet die positive Wirkung von Antidepressiva relativ klar darauf hin, dass auch der Hirnstoffwechsel bei Depressionen in irgendeiner Form beeinträchtigt ist bzw. sein kann (und zwar auch obwohl die Serotonin-Mangel-Hypothese sicher als überholt bezeichnet werden darf). Richtig ist, dass hier noch viel Forschungsbedarf besteht (sowohl neurobiologischer als auch technologischer Natur), aber das gilt ebenso auch für Demenzerkrankungen - auch hier sind die genauen Ursachen keineswegs geklärt. Was man zweifelsfrei weiß: Das Gehirn unterliegt einem degenerativen Prozess. Punkt. Eiweißablagerungen spielen bei der Alzheimer-Demenz eine wichtige Rolle, aber danach wird es auch schon sehr vage... So sehr hinkt der Vergleich also gar nicht... Und was die weitere Entwicklung betrifft, so spricht sehr vieles dafür, dass wir irgendwann in der Lage sein werden, die Depressionserkrankung selbst oder zumindest das Vorliegen des depressiven Syndroms objektiv messbar zu machen: Die gesamte Hirnforschung befindet sich erst in den Kinderschuhen, da sind in den nächsten Dekaden durch verbesserte Bildgebungsverfahren, Biosensoren, Mustererkennung mittels künstlicher Intelligenz, Fortschritten in der Pharmazie, der Medizintechnik, der IT und natürlich auch durch wachsende Kenntnisse in der Neurobiologie selbst enorme Fortschritte zu erwarten. Die theoretische Messbarkeit einer Depression ergibt sich für mich allein aus den für die Depression typischen Gefühlsmustern (nicht als Momentaufnahme, sondern als regelmäßig wiederkehrende Muster im Zeitverlauf). Man muss sich hier nur ein Instrument vorstellen, das diese Gefühlsmuster im Zeitverlauf messen kann (sei es jetzt auf Basis charakteristischer Neuronenaktivitäten oder durch typische Muster im Hirnstoffwechsel - es ist jedenfalls schwer vorzustellen, dass hier keine Gemeinsamkeiten über Individuen hinweg auftreten) und voilà - du hast (jedenfalls in der Theorie) deine objektive Messbarkeit wie im Falle der Demenzerkrankung. Bleibt noch das Thema Kausalität. Du behauptest, dass die Kausalität von Depression und Sich-unglücklich-fühlen vertauscht seien und deutest damit an, dass hier ein entweder-oder inerhalb eines geschlossenen Systems vorliegen müsse. Dein spöttisches "Depression - ich bin daher unglücklich/mir geht es ja deshalb so schlecht" suggeriert jedenfalls, dass es geradezu lächerlich wäre, ein gegenwärtiges Stimmungstief mit einer möglichen Depressionserkrankung zu erklären. Unabhängig davon, dass ich deine Meinung nicht teile nach der Depressionen immer (oder wenigstens meistens) das (primäre) Ergebnis eines "unglücklich gelebten Lebens" sein müssten: Gehen wir mal davon aus, dass dies zumindest in einigen Fällen eine zutreffende Beschreibung darstellt. Selbst dann ist aber keinesfalls ausgeschlossen, dass die Depression als Folge bzw. Symptomkomplex dieses "unglücklich gelebten Lebens" ihrerseits wieder neue Symptome oder Symptomkomplexe hervorrufen kann. Nehmen wir als Analogie die Suchterkrankung. Es ist zweifellos klar, dass ich nur dann süchtig nach Alkohol werde, wenn ich mehrere Male getrunken habe. Die Alkoholabhängigkeit ist also mit gutem Grund als Folge des Trinkens zu bezeichnen. Wenn ich aber erst einmal süchtig bin, dann ist die Alkoholabhängigkeit eben auch Ursache dafür, dass ich erneut trinke(n) muss. Und die Alkoholabhängigkeit bleibt auch dann bestehen, wenn ich vorübergehend nicht trinke. Ich bin abhängig, weil ich trinke (bzw. getrunken habe) UND ich trinke, weil ich abhängig bin. Am 7.5.2019 um 01:51 , SanDiego69 schrieb: Das stimmt. Die einzige Verallgemeinerung die stimmt ist wohl die, dass nie eine stimmt. Mit deiner Aneinander Kettung von Gründen, welche eine Depression auslösen könnten, könntest du wohl mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 - 90% jede Krankheit auf der Welt erklären. Das ist sicher nicht falsch aber das macht wohl deutlich, dass eine Depression evtl. bisher nur im Ansatz erforscht ist. Man hat keine objektivierbaren Tests/Messwerte/hirnorganische Auffälligkeiten mit denen man gesichert eine Depression darlegen kann. Serotonin zu gering = Depression, Dopamin zu gering = Depression. Auch damit geht es nicht. Eigentlich weiß man doch nur, dass es sich um eine hirnorganische Stoffwechselstörung handelt. Ursache - alles ist möglich - siehe oben. Es ist nicht greifbar! Womöglich doch ein Symptom? Was bitte hat die sichere Diagnose mit dem Wissen über die Ursachen zu tun? Eine Krankheit kann sehr schwer zu diagnostizieren sein (weil sie bspw. keine pathognomonischen Symptome hervorruft) und dennoch können ihre Ursachen bestens bekannt sein. Ebenso gibt es Krankheiten, die leicht zu diagnostizieren sind, deren genaue Ursachen aber im Verborgenen liegen. Noch einmal: Posthum ist die Alzheimer-Demenz zwar recht zuverlässig zu diagnostizieren. Zu den exakten Ursachen lässt sich bisher trotzdem nicht viel mehr sagen als zu denen einer Depressionserkrankung. Am 7.5.2019 um 01:51 , SanDiego69 schrieb: Ich habe nie und zu keiner Zeit von "Eigenverschulden" gesprochen. Das ist deine Interpretation. Ein unglücklich gelebtes Leben heißt ja noch lange nicht, dass ich mir das so ausgesucht habe. Richtig, das ist meine Interpretation. Aber da deine Intention nicht objektivierbar (messbar, darstellbar) ist, solltest du ja Verständnis dafür aufbringen, wenn ich das zum Anlass nehme, mir einfach eine substanzlose Meinung zu bilden, von der ich dann felsenfest überzeugt bin 😉 Aber ganz so substanzlos kommt sie mir wie gesagt gar nicht vor, angesichts deiner anscheinend spöttischen Imitation eines Depressiven "Depression - ich bin daher unglücklich/mir geht es ja deshalb so schlecht"... Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen
Aldous 9590 Beitrag melden Mai 11, 2019 geantwortet Am 3.3.2019 um 15:59 , UnitedKingdom3 schrieb: Ich bin jetzt 21 und glaube ich zerbreche langsam. Reife Leistung. Also wortwörtlich. Ein bis zwei Generation vor dir wurden solche Gedanken erst mit Mitte Ende Vierzig zugelassen. Und ältere Generationen haben sich meist garnicht getraut. Am 17.3.2019 um 22:32 , UnitedKingdom3 schrieb: hab mein Mindset total verändert in die Richtung, dass ich es mache weil ich will und nicht weil irgendwer es mir sagt! Wenn du auf Leistung getrimmt bist - und dann merkst, dass du mehr entspannen "musst". Dann wirste natürlich erstmal auch in Sachen Entspannung was leisten wollen. Kannst mal versuchen, das Ganze differenzierter zu sehen. Man muss immer Sachen machen, die man nicht selbst will, sondern die einem gesagt werden. Ich hatte alte Profs, bei denen hat man die Antworten auf die Fragen auswendig gelernt, die gefordert waren - und parallel hat man sich über die zeitgemäß richtigen Antworten unterhalten. So kannste das auch angehen. Als prinzipiell. Bau in deinen Tagesablauf regelmäßige Pausen ein, in denen du das machst, wonach dir gerade ist. Egal, was es ist. Mit grober Richtung Entspannung. Und: Such dir Gesellschaft, die komplett anders tickt, als dein bisheriges Umfeld. Geh beispielsweise in die Mensa der Kunstakademie essen. Da sind zwar tendenziell noch mehr Snobs unterwegs, als bei den Ings - aber ab und an auch ein paar Nette. Und von denen lernste dann was. Joah - und noch nen Buch zum Thema. Speziell für Ingenieure: https://www.droemer-knaur.de/buch/7739308/meditation-fuer-skeptiker Diesen Beitrag teilen Link zum Beitrag Auf anderen Seiten teilen