Lob des Brudismus - wie ich auszog, die Welt zu retten. Und das dann auch gemacht habe

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Gast _deleted_

Moin,

Nachdem ich darauf hingewiesen wurde, dass 2016 keiner mehr Blogs liest, habe ich mich zu entschlossen meine Machwerke zukünftig hier zu veröffentlichen. Meine glorreichen Tinderexperimente (klick) lege ich damit erstmal ad acta, sie werden aber noch in nicht allzu ferner Zukunft eine nicht unwichtige Rolle spielen.

Mein Schreibprozess ist so eine Art persönlicher Exzorzismus, um mich zu sortieren. Eventuell wird der eine oder andere sich da etwas raus mitnehmen können.

Der erste Beitrag ist ein ziemlicher Wall of Text. Also macht euch n Kakao, nimmt euch n Keks und schaut Rapunzels Nacktbilder zur Stärkung an. Es wird ein wilder Ritt.

 

Katecholamine

"In der letzten Zeit spüre ich in mir vermehrt eine Ansammlung von Dingen, für deren künstlerischen Ausdruck ein Roman keine angemessene Form wäre. Ein 20 Jahre alter Poet hätte so etwas bewerkstelligt, aber ich bin keine 20 mehr, und ein Poet war ich nie." - Yukio Mishima, Sun and Steel

Blut, das mechanisch durch den Körper gepumpt wird. Dopamin, Adrenalin und Noradrenalin sind Teil des Cocktails, der gleichermaßen bei Verliebtheit und Gefahr durch den Körper fließt.

Meine Welt hat sich verändert. Nun, ehrlich gesagt, gar nicht mal so viel.

Es war ein Mittwoch an der Südküste Englands und das heißt hier traditionell Studentenparty. Eine gute Freundin, Holly, lädt mich zu einem „Social Event“ ihres Poledance Kurses ein. Soll noch mal einer sagen, platonisch mit Frauen befreundet zu sein, wäre schlecht.

Aber auf diesem Event zu sein, stellt man sich besser vor, als es ist. Ich sitze als einziger Kerl zwischen zehn Hübschis und gucke denen beim Schnattern zu. "Grmblfglfgr" knuspert meine innere Stimme. Überhaupt bin ich gar nicht so recht in einer geselligen Laune, nachdem ich den ganzen Tag eher mit logischen Tätigkeiten verbracht habe. Das ist so, als hätte ich am Morgen meinen Kaffee noch nicht gehabt, müsste aber trotzdem mit Bällen jonglieren. Und die Bälle brennen. Allerdings hat sich glücklicherweise die Aussage meines alten Feldwebels mir ins Gedächtnis eingebrannt: "Wenn man's schon scheiße macht, dann wenigstens scheiße mit Schwung." Eine jener bodenständigen Aussagen, die für jede Lebenslage hervorragender Rat ist. Also frisch ans Werk; ich hole ich mir ein Bier und versuche nicht zu gelangweilt dreinzublicken. Fühle mich wie ein stures Pferd, dem man eine Karotte vor die Nase halten muss, damit es sich bewegt.

Die Karotte selber hat ein Nasenpiercing, ansehnlich hohe Wangenknochen, ist blond-irgendwas und saß rechts neben mir.

Ganz offensichtlich wusste sie schon ein paar Dinge über mich. Ich hatte das Gefühl, dass sie von Holly gebrieft wurde... Mein Ruf eilt mir voraus. Was auch immer mein Ruf ist. Wahrscheinlich wollte Holly sie mir nur vorstellen. Oder sie ist einfach so herzlich zu jedem. Ich bevorzuge aber die erste Erklärung. Sammi heißt sie, kurz für Samantha. Vergesse ich natürlich sofort wieder, da ich unglaublich schlecht darin bin, mir Namen auf Anhieb zu merken.

Die Mädels teilen sich irgendwann auf, heute ist in mehreren Locations Studentenparty. Und die meisten gehen in eine recht populäre Großraumdisko. Sam, Holly und ich gehen in den Gayclub. Jawohl. Gayclubs sind ein absoluter Geheimtipp. Zugegeben, dieser ist recht durchmischt, viele Studenten und leicht alternativ. Sehr entspannte Atmosphäre allerdings. Und ab und zu bekommt man Komplimente. Win-Win.

Drinnen an der Theke treffe ich Keiran, mit dem ich früher viel rausgegangen bin. PUA. 1,73 großer, schmächtiger Inder, der unter dem Strich ziemlich gut ist, indem, was er tut; weil er einfach sehr kommunikativ und extrem positiv ist. Schon derart, dass es penetrant ist. Und bisschen zu gamey. Nichtsdestotrotz, deswegen kann ich niemanden mehr so richtig ernstnehmen, der sich dahingehend auf sein Aussehen fixiert. Sein Kollege, den ich nicht kannte, aber anscheinend "Nachwuchs" war, hatte einen schlechten Abend, und sah etwas wie ein begossener Pudel aus. Passiert. "Mach dir nix draus", rate ich ihm.

Ich ziehe mit meinen Mädels weiter nach draußen. Und man quatscht halt mit Leuten rum. Ich muss nicht immer die Aufmerksamkeit von den beiden haben, man unterhält sich locker mit allen Anwesenden. Im Allgemeinen läuft das in England ziemlich entspannt ab. Die Leute sind angenehm gesellig und nicht so reserviert wie in Deutschland. Sam selber hat die Fähigkeit mit jedem auf Anhieb zu viben. Da kann man viel daraus mitnehmen. Und ich dachte schon, ich wäre etwas besonderes, aber anscheinend ist das ihr Naturell.

Zwischendurch sehe ich Keiran wieder, mit seinem betreten dreinblickenden Kollegen im Schlepptau wie kopflose Hühner umherlaufend und approaches spammen. In den Pausen dazwischen steht er rum und scannt die Umgebung nach value ab. Das zu beobachten ist ungefähr so angenehm wie einem Kirchenchor beizuwohnen, bei dem alle Chorknaben im Stimmbruch sind. Das war schon vor seinem halben Jahr sein Problem. Ich will nicht sagen, dass man durch eine gewisse Arbeitsmoral "seine Resultate" verbessern kann. Dieses Hin und Her wird irgendwo auch immer subtil kommuniziert, sorgt für harte rejections, erfordert Willenskraft und ist langfristig nicht aufrechterhaltbar. Und trotzdem klappt es für ihn prinzipiell, also warum sollte er etwas daran ändern?

Man brauch kein kläffender, hyperaktiver Hund sein, der allem etwas beweisen muss. Und woher diese ganzen Hundemetaphern kommen... naja, ich hab da so eine Ahnung.

Wie dem auch sei. Schließlich hat er meine Mädels angequatscht. Bisschen verzweifelt der Move. Naja, kann er ja machen wie er denkt. Ich quatsche ein bisschen mit seinem Kollegen. Er ist ganz nett, aber sieht aus als wäre er lieber woanders. Ich sage Sam, dass sie ihn etwas aufmuntern soll. Sie nimmt seine Hände, tanzt mit ihm und blödelt herum. Tolle Frau zum Pferdestehlen. Man verpasst so viel, wenn man nicht mit Frauen abhängt; so richtig lernt man erst durch sie, sich und die Welt nicht zu ernst zu nehmen. Mal einfach loszulassen. Hilft ihm aber alles nicht. Einen Versuch war es wert.

Rauhe Gesellen, scharfe Schwerter und harte Kerle. Sam und ich genießen die gleiche Literatur. Schön sowas. Mit steigendem Alter wird mein Frauengeschmack immer filigraner, und so richtig vom Hocker hauen kann eine Frau mich nur noch, wenn sie was zu Tische bringt. Eigentlich muss sie nur Wikinger mögen und gut riechen.

Ich mache mir gerne einen Spaß daraus sie hochzuheben und mir auf die Schulter zu setzen. Das ist eine nette Spielerei, sollte ich aber dringend sein lassen im bierseeligem Zustand... es gab da mal einen... Unfall... vielleicht sogar mehrere.

Wir beide holen eine neue Ladung Getränke. Vor der Theke gibt es einen kurzen Leerlauf, Zeit das Eis zu brechen. Nach dem Motto „Ach, übrigens...“ packe ich mit der freien rechten Hand ihr Kinn und setze zum Kuss an. Zack. Wird nicht ganz erwidert, aber auch kein Widerstand, ich lasse ab. Überraschter Blick. Lachen. Subtile Kommunikation; "das kam überraschend, war nicht ganz bereit, war aber ganz gut." Keine große Sache. Als wär nichts gewesen reden wir über ein anderes Thema weiter, ich nehme sie bei der Hand und führe sie wieder nach draußen. Ich habs nicht eilig. Ich gehe davon aus, dass der "Deal" sicher ist. Immer. Nichts muss forciert werden.

Irgendwann kurz vor der Dämmerung leert sich der Laden. Die Türsteher meinen, dass der Laden bald zumacht, neue Getränke werden auch nicht mehr ausgeschenkt. Also sammeln wir uns draußen vor der Tür. Ich nahm Sams Hand und sagte: "Komm, wir bringen Holly nach Hause."

Holly hat sich als absoluter Schatz erwiesen. Ich spreche es nicht an, habe aber im Gefühl, dass sie irgendwie Kupplerin gespielt hat. Einen verdammt guten Geschmack hat sie damit bewiesen.

Leute, geht raus, lernt Menschen unvoreingenommen kennen. Sprecht mit jedem. Sorgt dafür, dass jeder eine gute Zeit hat. Verlangt nichts im Gegenzug. Und trotzdem werden die Menschen um euch herum auf euch zukommen.

Als die Tür zu Hollys Haus zufällt, stehen Sam und ich alleine im Hauseingang. Mal schauen, was da so geht. Ich drücke sie an die Wand, nehme ihre beiden Hände und halte diese über ihrem Kopf fest. Wenn da etwas Spannung und Widerstand drin wäre, kann man einen Gang zurückschalten und ablassen. Wenn nicht, hat meinen einen guten Indikator dafür, dass sie es mag. Anscheinend mochte sie es. Und sanf in die Unterlippe gebissen zu werden gefiel ihr auch gut.

Die Frage nach dem "Was jetzt?" erübrigt sich, Sam hakt sich bei mir ein und zieht mich mit einem energetischen "Hier entlang!" mit.

Schön, wenn die Frau mitmacht. Manchmal sind "die letzten Meter" auch so wie das Jonglieren mit brennenden Bällen. Zusätzlich ist man noch auf einem Einrad. Und das Einrad brennt. Man muss aber selber gar nicht immer voll aufs Gaspedal treten, bis die Frau irgendwann hoffentlich nachgibt. Ist viel besser ihr den Raum zu geben, sich zu entfalten, auch mal mitzuspielen und nicht nur Bambi sondern auch Jäger zu sein. So erspart man sich vieles an LMR.

"Ich habe einen Mops, und er macht immer Krach wenn Besuch da ist. Hoffe wir wecken meinen Mitbewohner nicht auf", erklärte sie mir, als sie ihre Haustür aufschloss. "Mhm, wird schon."

Etwas mürrisch, aber ruhig, schreitet der Mops herum, etwas unentschlossen, was denn nun zu tun sein; es war ja schließlich noch recht früh, und wer wagt es überhaupt, ihn um diese Uhrzeit aus den Träumen zu reissen?

Ich zerfließe auf dem Sofa und versuche den Mops einzuschätzen. Als sie aus der Küche kommt, drückt sie mir einen frischgemachten Tee mit den Worten "Aber machs dir nicht zu gemütlich!" in die Hand - "Nee. Niemals."

Wir liegen beide auf dem Sofa. Das Zimmer selber war "angenehm"; Klamotten lagen herum so herum, das es noch als geschmackvoll aufgeräumt gelten konnte, Papier, Schreibzeug und Notebook, denn es ist Prüfungszeit. Aber ansonsten war alles da wo es sein sollte. Schmetterlinge auf dem Fenster, niedlicher Mädchenkrams halt.

Der Mops liegt mittlerweile auf mir, schnuppert, knabbert, fühl sich anscheinend wohl. Ist wohl ein gutes Zeichen. Mopstest bestanden.

Allerdings konnte ich mich so nicht groß bewegen. Ein bisschen stahl er mir sogar die Show. Sam lag neben und mir und quiekte: "You're a good booooy knuddelwudddel". Nur nicht zu mir. Zum Mops. Mopsmopsmops.

Dann schaute sie auf die Uhr, schon 06:30. Anscheinend nicht so toll: "Ich will dich echt nicht wegschicken, aber ich bin todmüde und muss morgen viel Unikrams machen." Hm. Ja schön. Der Tee ist auch leer. Da ist nichts dran zu rütteln. Abschlussprüfungen sind so eine Art Kryptonit für ein ausgefülltes Sexualleben. Und Hunde. Fuck fuck fuck.

Auf dem Nachhauseweg im grellen Morgenlicht lache ich wie blöde darüber, ob ich denn nicht gerade gemopsblockt wurde. Als ob mein Leben nicht schon absurd genug wäre. Ist aber auch nicht so tragisch, denke ich mir, habe mir ihre Nummer geholt. Solide Sache. Und endlich ihren Namen. Ganz gefährliches Fettnäpfchen, dem ich da ausgewichen bin.

Nachmittags wachte ich mit einem Mordsschädel und nach Mops riechend auf. Ich hasse es, wenn das passiert.

Beim späten Frühstück in der Nachmittagssonne draußen im Café warte ich auf ihre Antwort. Der Mops ist mit in ihrem Profilbild. Schon ein bisschen gaga. Dopamin, Adrenalin und weiß der Geier was sonst noch in meinem Blutkreislauf rumschwirrt. Unnötiger Scheiss, ey.

Noch vor nicht allzulanger Zeit hätte mich dieses Ausbleiben eines faktischen "Resultats" genervt. Jedoch hat sich das mit zunehmender Lebenserfahrung geändert. Ich sitze in der Sonne, und diese ist nur ein Himmelskörper und Licht ein physikalisches Phänomen, dass auf die ineinandergreifenden Zahnräder eines vergänglichen Körperapparats wirken. Aber ich kann es dennoch genießen, für das, was es ist. Genauso wie der Hormoncocktail, der mir völlig sinnlos, mechanisch, durch die Adern rast. Verrückt, wie das Leben einem so spielt.

Fortsetzung folgt

bearbeitet von _deleted_

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brudi, mein Lieblings-Tindergamer. Unterhaltsamer Schreibstil, freu mich auf mehr. Und gut dass du den Weg vom Blog ins Forum gefunden hast, auch wenn das hier nicht unbedingt Erste Schritte sind :-)

 

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Am 9.5.2016 um 19:00 schrieb brudi!:

im grellen Morgenlicht lache ich wie blöde darüber, ob ich denn nicht gerade gemopsblockt wurde

Made my Day!!! :-D

 

Geiler Schreibstil.....habe mich teilweise ein bisschen gefühlt als würde ich in per Anhalter durch die Galaxis lesen....weiß auch nicht wieso....

 

 

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