Hypnotiseure hier die online Traumata auflösen?

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Gast

Hey wilson_tight,

sagen wir es so, jede Psychotherapieform hat ihre Grenzen und so ist es auch bei der Hypnose. Es gibt psychische Störungen, bei denen ist es kontraproduktiv den Klienten in Entspannungszustände (oft einhergehend mit kortikalen Alpha- oder Thetawellenprofilen) zu führen, beispielsweise schwere Depression, das schizophrene Residuum oder ADS. Auch wenn es nicht möglich ist, zum Klienten durchzudringen, sei es, weil er dazu kognitiv nicht in der Lage ist (geistige Behinderungen) oder unter Wahn- oder Erregungszuständen bzw. Realitätsverlust (Manie, Schizophrenie, akute Drogenintoxikation) leidet würde ich von Hypnose dringend abraten. Und auch bei Epilepsie, Hirn- oder Herzinfarktpatienten und Schwangerschaft bestehen Risiken.

Bei Erickson und Bandler gibts doch viele Beispiele wo sie erfolgreich bei z.B. Schizophrenie Hypnose angewandt haben.

Erinnere mich noch an ein Zitat von Erickson, bei dem er sagte, dass die Behauptung, Schizophrene oder ähnliche könnten mit Hypnose nicht

therapiert werden ein Eingeständnis des Therapeuten sei, diese Person nicht therapieren zu können, ähnlich wie die Aussage Ericksons im Bezug auf "Widerstand" beim Patienten. Klar, Erickson aka "Mr. Hypnose" hatte tausende Fälle im Laufe seines Lebens. Aber eben deswegen wird er doch nicht so eine Aussage raushauen

(ich glaube sie ist in einem der Bücher der Reihe "Hypnose Lernen" von Dr. Rossi und Erickson, Klett Verlag, zu finden).

/Edit: Das mit den "kortikalen Alpha- oder Thetawellenprofilen" war damals bei Erickson noch nicht erforscht, vielleicht kannst du mir meinen Post damit etwas genauer beantworten.

bearbeitet von Gast

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Hi @ll,

etwas zu Milton Errickson: Er war nicht nur Hypnotiseur, sondern auch ausgebilderter Psychologe/Therapeut.

Ich bin persönlich der Ansicht, dass solch komplexes Thema wie Trauma, von einen Therapeuten behandelt werden sollte, der Fach- und Behandlungskenntnisse zu diesem Thema hat.

Weil leichtfertig sollte man mit solchen Thema nicht umgehen, weil doch einfach zu viele Risiken und Gefahren vorhanden sind.

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Hey,

dass die Behandlung von Störungsbildern dafür ausgebildeten Profis vorbehalten sein sollte, ist ja nicht nur gesunder Menschenverstand, sondern wird vom Gesetzgeber so verlangt. Und es reicht hier nicht, wie manche Coaches glauben, eine Sache anders zu nennen, um Narrenfreiheit bei der Behandlung zu erlangen. Wenn die ICD-10 Kriterien zutreffen, ist eine Phobie nun mal eine Phobie. Nur leider haben viele keine Ahnung von Psychopathologie, aber dafür ein ausgeprägtes Ego und arbeiten mit Dingen, von denen sie keine Ahnung haben.

Ich für meinen Teil bin inzwischen der Meinung, dass jeder Coach, der sich nicht explizit auf das Business beschränkt, eine entsprechende Grundlagenausbildung (HP Psychotherapie) absolvieren sollte, auch wenn er gar nicht therapeutisch arbeiten möchte - sondern einfach damit er erkennt was Sache ist und ggf. den Klienten abgibt.

Was die Grenzen der Hypnosetherapie betrifft, da scheiden sich sicher die Geister und im Falle Ericksons gilt sicher: Quod licet Iovi, non licet bovi. Erickson war ein Genie in einer Zeit, in der viele gängige Behandlungsmethoden in Frage gestellt wurden - schon allein weil es kaum Alternativen gab. Die medikamentöse Behandlung psychischer Störungen steckte Mitte des 20. Jahrhunderts noch in den Kinderschuhen und Lobotomie war eine gängige Therapie bei schweren Psychosen. Und was die Anekdoten Bandlers betrifft, so vermute ich bei vielen, dass es schlicht Metaphern sind, um den Leser anzuhalten, flexibler und mutiger bei der therapeutischen Arbeit zu sein und sich nicht hinter Dogmen zu verstecken. Sozusagen ein suggestiver Aufruf: "Wenn etwas nicht funktioniert, tu etwas anderes".

Ein wenig was zur Kontraindikation von Hypnose bei Psychosen: Ein Wirkmechanismus der Hypnose ist die Dämpfung des präfrontalen Kortex, einer Hirnregion, die u.a. für Impulskontrolle, Aufmerksamkeit, Planung, Priorisierung und motorische Umsetzung von Handlungsmöglichkeiten und für die Zielsetzung verantwortlich ist. Im schizophrenen Residuum, bei schweren Depressionen oder bei manchen Formen von ADS und Borderline ist diese Hirnregion eh schon drastisch unterstimuliert; die Betroffenen kommen nicht aus dem Bett, können sich zu nichts aufraffen, freuen sich an nichts mehr, das Denken verlangsamt sich usw. Arbeitet man in einem solchen Zustand mit Hypnose, wird diese Dämpfung verstärkt (präfrontale Hemmung), mitunter langfristig. Schizophrenie ist ja auch wieder ein Überbegriff unterschiedlichster Störungsbilder und nicht zwingend mit Wahn und Halluzinationen verbunden - in der Regel macht den Betroffenen die beschriebene Negativsymptomatik (also die Hemmung von Affekt, Denken, Antrieb und Psychomotorik) langfristig mehr zu schaffen als die Positivsymptome. Beide Zustände haben jedoch einen enormen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten einer Person. Und um Hypnose wirksam zu machen, ist funktionierende Geisteskraft wichtig.

Dass Trancearbeit i.d.R. Alpha- und Thetawellenprofile (Fokus, Entspannung, Visualisierung) erzeugt, ist hier auch nicht sinnvoll, da für Betroffene ein Betawellenprofil (Aktivierung, Tatendrang) wesentlich sinnvoller wäre.

http://www.hirnwellen-und-bewusstsein.de/hirnwellen_1.html

Und die (früher als endogen bezeichneten) Störungen wie Major Depression und Schizophrenie haben i.d.R. eine biochemische Ursache bzw. Korrelat, und sind im Vergleich zu beispielsweise Angststörungen eher Entgleisungen des Hirnstoffwechsels als psychogenen Ursprungs. Und da sind die medikamentösen Ansätze den psychotherapeutischen deutlich überlegen (wobei natürlich nicht ausgeschlossen, aber halt in einem Rahmen, der dem Patienten nicht schadet. Sozio- und ressourcierende Psychotherapie ist auch bei Psychosen indiziert).

Wie gesagt, ich bin ein großer Fan von Hypnose und weiß aus eigener Erfahrung, dass sie sehr viel Gutes bewirken kann, doch ist es mir zum Wohl des Klienten wichtig, ihre Grenzen anzuerkennen. In der Praxis habe ich es da eh einfach: Als Heilpraktiker für Psychotherapie darf ich an Psychosen nicht ran. Aber auch im klinischen Setting sollte man sich in erster Linie auf Evidenz verlassen. Und da steht die Hypnose bei vielen ("endogenen") psychischen Störungen nun mal nicht an erster Stelle und bedeutet für Patienten mitunter ein nicht kalkulierbares, zumal vermeidbares Risiko.

Herzliche Grüße,

Tsukune

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Gast

Vielen lieben Dank Tsukune für diesen Beitrag.

Ich hab mich halt beim Verfassen meines Beitrags an die Aussage von Erickson "das Unbewusste schützt immer das Bewusste" erinnert.

Hab mir, vielleicht etwas zu euphorisiert nach dem Lesen seiner Bücher, gedacht: "Das ist ja toll mit Hypnose, da kann man nix falsch machen"

(ausgehend davon dass das Unbewusste eine sehr, sehr mächtige "Kraft" ist).

Mich wundert trotzdem, dass Erickson meines Wissens nie vor der Anwendung von Hypnose gewarnt hat.
Er wurde ja oft genug begleitet bei seinen Sitzungen und befragt, auch als er schon ein recht hohes Alter hatte.

Das mit den Bandler Stories hatte ich mir auch schon irgendwie gedacht.

Ändert aber nichts an der Kraft und dem Nutzen der Anekdoten, wie ich finde.

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