Transformation von Introversion zur Extroversion möglich?

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Eine Reihe von Graustufen zwischen Schwarz und Weiss. Ich bin eher Intro, im 27. Perzentil beispielsweise. Das heisst aber auch, ich kann noch längere Abende mit Live Musik etc. gut ab mit guten Freunden, Clubgänge sind für mich schon eine eher unertragbare nervige Sache.

Eine Bekannte von mir ist wiederum im 5. Perzentil. Das ist der Hammer. Die darfst du während der Arbeit nicht ansprechen, sie braucht in jedem Fall Kopfhörer um die MEnschen um sich drum rum auszuschalten und wenn du sie oft genug ansprichst, ist ein Wutanfall garantiert, weil sie die Rue auch bei der Arbeit braucht. Hochintelligent, nebenbei.

wie findet man raus in welchem perzentil man ist?

Für mich ist small talk auch gezwungen und im Urlaub komme ich 2-3 Tage klar auf die Menschen dann brauch ich immer ein paar Stunden Zeit für mich und zwar für mich alleine.

Im Gym hab ich die Kopfhörer drin und ignorier praktisch alles um mich herum.

Allerdings bin ich extrem kommunikativ wenn es um Dinge geht die mich interessieren die ich liebe.

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Hallo Tsukune,

ich kann dein Argument sehr gut verstehen, da ich ja genau vor dieser Entscheidung gestanden bin. Soll ich meine Umstände akzeptieren und versuchen das beste aus den Gegebenheiten zu machen oder auf die Gefahr hin zu scheitern, den Versuch dennoch wagen. Ich habe mich für letzteres entschieden und bin sehr froh darüber. Ein wichtiger Punkt der mir sehr geholfen hat, war zu erkennen, dass ein eiserner Wille etwas zu verändern, nicht an die Ablehnung der betroffenen Eigenschaft (des betroffenen Persönlichkeitsmerkmales) gekoppelt sein muss. Man kann lernen die Situation zu akzeptieren, echte Selbstakzeptanz und Liebe aufzubauen und dennoch beharrlich und mit einer festen Entschlossenheit ein Ziel verfolgen.

Ich denke es ist irgendwo auch eine sehr moralische Frage. Wenn man daran arbeitet die Intro / Extroversion- Prägung zu ändern, versucht man direkt die (großteils) erblich definierte Persönlichkeit zu ändern. Dadurch wird immer auch ein bewertender Aspekt sichtlich. Etwas das nicht negativ bewertet wird, muss nicht geändert werden. Die Schlussfolgerung daraus wäre, dass ein Therapeut mit einer Therapie die darauf abzielt den Anteil der Introversion zu mildern, einen introvertierten Mensch als schlechter ansieht als einen extrovertierten. Das ist ein absolutes Tabuthema und deshalb wird da auch kaum geforscht.

Neben dieser Tabuisierung kommt dann noch der Aspekt, dass der Therapeut ja die Verantwortung für seinen Patienten trägt. Sollte der Ansatz nach hinten los gehen und sich das Mindest das ich am Anfang beschrieben habe nicht aufbauen lassen, würde sich dieser für mögliche negative Folgen verantwortlich fühlen. Es ist also ein ganz heikles Thema. Wenn ich darüber nachdenke, kann ich die Haltung von Therapeuten in diesem Fall schon verstehen.

Das von Teilintrovertierten die Situation oft nicht ausreichend reflektiert oder differenziert wird, mag in manchen Fällen so sein, in anderen aber nicht. Um mir hier ein aussagekräftiges Urteil bilden zu können, habe ich nicht ausreichend Informationen. Ich sehe in meinen Freundeskreis zB Menschen, die laut den bigfive introvertiert sind, gleichzeitig aber sozial nicht eingeschränkt sind. Solange die Introversion noch sozialverträglich stark ausgeprägt ist, kann man auch auf den von dir beschriebenen niederen Ebene lösen. Aber meiner Meinung nach, gibt es eine Grenze, wo die Introvertiertheit für diesen Lösungsweg zu stark ausgeprägt ist.

Es sind halt meine Beobachtungen, meine Gedanken und Gefühle. Bei Gesprächen mit anderen Intros, habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich ab einer gewissen Höhe der Introvertiertheit, durchaus öfter ein Wunsch nach mehr Extrovertiertheit bildet. Wie hoch der Anteil von den Menschen ist, die ihre eigenen Wünsche nur nicht wirklich eingeschätzt (oder artikuliert) haben und denen, die sich durchaus mehr Extrovertiertheit wünschen, lässt sich schwer abschätzen. Es ist aber durchaus so, dass es beide Kategorien gibt. Ich beziehe mich immer nur auf die letztere.

Eigentlich möchte ich mit meinen Posts nur sagen, dass diesen Menschen auch das Recht zugestanden werden sollte, dass sie ihr Problem auf dieser Ebene versuchen dürfen zu behandeln. Das mag vielleicht für einen nicht Betroffenen schwer nachvollziehbar sein (genauso wie der Extro nicht versteht warum der Intro jetzt lieber ein Buch liest, anstatt mit ihm in den Club zu gehen), aber ich weiß, dass es Menschen gibt die es genauso empfinden, wie ich mich früher gefühlt habe. Man fühlt sich nicht ernst genommen. "Ach du weißt doch nicht was du willst". noch schlimmer "du bist ja krank wenn du einen Wunsch nach Veränderung anstrebst".

Ich muss zugeben mir geht das schon sehr nahe, da ich darunter gelitten habe. Wenn ich einmal wo über das Ziel hinaus schieße, bitte ich das zu entschuldigen ;-)

Gruss cClazZz

bearbeitet von cClazZz

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Hey cClazZz,

Bei Gesprächen mit anderen Intros, habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich ab einer gewissen Höhe der Introvertiertheit, durchaus öfter ein Wunsch nach mehr Extrovertiertheit bildet.

die Vorteile, die Extraversion mit sich bringt (Enthusiasmus, Aktivität, soziales Geschick) und das was durch sie erreicht werden kann, ist ja durchaus auch erstrebenswert. Ich als NLPler bin der Ansicht, dass es für jedes Verhalten einen Kontext gibt, in dem es sinnvoll ist und es somit für jeden Persönlichkeitstypus von Wert sein kann, sich auch die Eigenschaften des Gegenpols zunutze zu machen. Ist eine Sache der Flexibilität. Manchmal kann es selbst, betrachten wir mal einen anderen Aspekt der Big Five (die Verträglichkeit), für den Friedfertigsten durchaus sinnvoll sein, misstrauisch bis aggressiv zu werden. Er muss es nicht unbedingt zum Teil seiner Persönlichkeit machen, sich aber womöglich die Handlungsoption offen lassen. Und so ist es mit Extraversion/ Intraversion genauso. Da braucht es nicht unbedingt den schwer zu ändernden Trait, sondern mitunter genügt der leichter erlernbare Skill. Zumal ich ungern eine Hälfte des Kuchens für die andere eintauschen würde, die ja ebenso nicht das Ganze darstellt. Anders sieht es selbstverständlich aus, wenn ich nur ein Achtel habe ;-) Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass es mitunter schon sehr bereichernd ist, einen Partner auf der anderen Seite des Spektrums zu haben, da man einfach viel voneinander lernen und - Wertschätzung für die Bedürfnisse des Gegenübers vorausgesetzt- sich auch in die jeweiligen Welten entführen lassen kann und umgekehrt. Schon allein sich dannn darauf einlassen zu können, ändert schon ganz viel.

Herzliche Grüße,

Tsukune

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Der Big Five Test fragt ob man gerne unter Menschen ist (weis den genauen Wortlaut nicht mehr) hinterfragt dabei aber nicht wieso man es ist oder eben nicht ist. Wenn der Grund eine Soziale Phobie ist dann kann sich das sehr wohl ändern. Wie alle anderen Charakter Eigenschaften auch.

Viel treffender finde ich da den Begriff der Hochsensibilität.

Das nur mal so am Rande....

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Hey draco85,

du verwechselst das Symptom mit der Ursache. Die Frage, ob sie gern lange unter Menschen sind, würden sowohl gesunde (hypersensible und introvertierte) als auch psychisch kranke (Phobien und andere Angsterkrankungen, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, Depression etc) Menschen wohl durchaus, je nach individuellem Zustand oder Symptomkonstellation eher mit Nein beantworten. Testpsychologische Verfahren, auch jene zur Persönlichkeit, stützen sich nie auf eine Aussage allein, sondern immer auf das Zusammenspiel von mehreren. Auch muss eine entsprechende Differentialdiagnose erhoben werden, denn mitunter kommt es zu Überlagerungen. Hier ist es am Therapeuten, entsprechend Exploration zu betreiben.

Gerade Introversion, Schüchternheit/Sozialphobie und Hypersensibilität werden immer wieder gern in einen Topf geworfen, sind aber trotz eines ähnlichen "Phänotyps" völlig unterschiedliche Baustellen. Hier ein kurzer Überblick:

Schlagwort Charakteristikum Was passiert? Äußerung? mögliche Reaktion

Hypersensibilität starke Reaktion auf Sinnesreize Reizüberflutung Erschöpfung Rückzug

Introversion Energieverlust durch soz. Interaktion Akku leer Erschöpfung Rückzug

Sozialphobie Angst vor negativer Beurteilung Kopfkino psych+veg. Symptome Rückzug

Diese drei Personengruppen werden sich, je nach Ausprägung, eher aus sozialen Interaktionen zurückziehen als andere Menschen oder sie mitunter gar vermeiden, handeln aber aus völlig unterschiedlicher Motivation heraus.

Herzliche Grüße,

Tsukune

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Ich glaube, dass viele Persönlichkeitsentwickler den Begriff falsch verstanden haben. Es geht nicht darum, zu werden, was man nicht ist. Es geht vielmehr darum, das Geflecht an falschen Überzeugungen, Blockaden und Hemmungen zu entwirren (Ent-wicklung der Persönlichkeit) und sein optimales Selbst zu kultivieren. Die Magersüchtige verbindet lerntheoretisch ihren Selbstwert mit Schlankheit (Ich muss um jeden Preis schlank sein um erfolgreich zu sein) und forciert eine unnatürliche Veränderung, weil sie ihren Körper als imperfekt sieht. Mancher hier verbindet seinen Selbstwert mit seiner Lebensart (ich muss um jeden Preis extravertiert sein um erfolgreich zu sein), empfindet sein tiefstes Selbst als imperfekt und forciert deswegen Veränderung. Man könnte in Analogie durchaus behaupten dass da mitunter eine "Seelenschemastörung" vorliegt.

Ich glaube ja, ein klassischer Introvertierter beklagt sich nicht über seine mangelnde Extravertiertheit. Das ist so, als würde sich ein Asiate darüber beklagen, nicht Schwarz zu sein. Das eine ist nicht schlechter oder besser als das andere. Das tun eher a) die krassen Extremfälle und b) die extravertierten Gehemmten (also extravertierte Schüchterne). Kommen aber psychologische Prädisposition (Sexual- und Selbstwertkonflikte, unerfüllte Bedürfnisse), soziokulturelle Einflüsse (soziale Erwartungen und Rollenbilder) und genannter eiserner Wille zusammen, kann der daraus resultierende Wunsch nach Veränderung durchaus auch pathologisch werden, vor allem, wenn das in Eigenregie passiert. Wesensänderung ist schlicht unnötig. Jeder Mensch kann mit dem was er hat erfolgreich im Leben sein und sich gegebenenfalls Strategien und Skills aneignen, um Defizite auszugleichen und, sofern das sein Wunsch ist, auf der Bühne des Lebens zu glänzen.

Du hast genau das geschrieben, was ich mir dachte.

Introversion wird meiner Ansicht nach meistens dann bemängelt, wenn man es mit Schüchternheit, asozialem Verhalten etc. gleichsetzt. Und das ist es eben nicht.

Ich sehe das so: Ab einem gewissen Alter, irgendwann in der Pubertät, lernt man sich besser kennen und handelt nach seinen Emotionen. Man lernt sich selbst kennen und seinen Energiehaushalt, erste Präferenzen bilden sich heraus. Ich saß mit 14 gerne im Hobbykeller und habe an Computern geschraubt, alleine. Oder habe in meinem Hof mit dem Fußball gegen die Wand gekickt. Ich war nie unkommunikativ, durch die Zeit alleine habe ich eben weniger direkte Kommunikation mit anderen Menschen gehabt. Kurz: Ich habe soziale Interaktion nicht so oft geübt wie andere Menschen. Diejenigen, die lieber im Jugendhaus zu Zehnt waren, haben Kommunikation mehr geübt.

Also denke ich, dass der kausale Zusammenhang anderst ist. Aus Introversion folgt nicht, dass man zurückhaltend oder unkommunikativ wird. Sondern dass man weniger Zeit mit anderen Menschen verbringt und deshalb diese Verhaltensweisen weniger übt. Quasi eine versteckte Zwischenvariable.

Neulich war ich bei einer Party. Ich hab in ein paar Gesprächsgruppen zugehört, erstes Thema war der Islam. Als Politologe habe ich es beim Zuhören belassen. In der zweiten Gruppe wurde darüber gesprochen, dass das Dschungelcamp bald beginnt. Ich habe einen schnellen Bogen geschlagen und bin weiter zur dritten Gruppe, in der eine Dame gerantet hat, dass Deutschland total kacke ist, weil sie neulich geblitzt wurde und pipapo. Also habe ich mich aufs Sofa neben ein junges Mädchen gesetzt, die alleine dort saß. Sie war 17, geht ins Fitnessstudio und hat nicht getrunken. Wir haben dann noch 2h gequatscht. Bezeichnenderweise kam am Ende der Party der Gastgeber zu mir und fragte, ob ich die Party denn so scheiße fand, weil ich ja nur mit einer einzigen Person gesprochen habe. Ich habe ihm dann nur gesagt, dass die anderen über Zeug gesprochen haben, dass mich nicht juckt.

Pro Woche bin ich etwa 10h unter Menschen. Und diese Zeit verbringen ich auch nur mit Menschen, die ich interessant finde. Da erzählt mir keiner was vom Dschungelcamp oder sonstigem Schrott.

Wenn ich mal mit jemanden spreche, bin ich sehr kommunikativ. Aber ich rede eben nicht mit vielen, weil sie meistens über Zeug sprechen möchten, das mich nicht interessiert.

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Introversion Energieverlust durch soz. Interaktion

Ja Energieverlust trifft es sehr gut. Genau das ist das was mich so gestört hatte.

Wenn man bei einer Tätigkeit zu schnell zu viel Energie verliert, wie soll man sich hier wirklich weiterentwickeln.

Für mich hat eine zu hohe Introvertiertheit einfach zu viele negative Aspekte um das akzeptieren zu können, aber es kann ja jeder so beurteilen wie er möchte.

Also auch wenn ich der Meinung bin das es sich viele schön reden, ist das nur meine eigene Meinung.

Hier noch was zu den Nachteilen:

Introvertierte haben mit erhöhten Gesundheitsrisiken zu kämpfen Doch leider hat die Qualität Introversion auch so einige Schattenseiten, wie die Forschung zeigt. Introvertierte haben in vielerlei Hinsicht im Vergleich zu Extrovertierten mit erhöhten psychischen und physischen Gesundheitsrisiken zu kämpfen. So belegte zum Beispiel eine Studie der Universität North Carolina, dass sie im Vergleich zu Extrovertierten ein deutlich erhöhtes Depressionsrisiko aufweisen. Ganz vorne auf der Skala fanden sich dabei übrigens die männlichen Sensiblen Macher. Vor allem scheint die Präferenzkombination introvertiert/fühlend/spontan einen Risikofaktor für Depression darzustellen. Neben dem Sensiblen Macher betrifft das also auch den Verträumten Idealisten. Doch auch alle anderen Introvertierten erwiesen sich als erhöht gefährdet. Eine andere Studie derselben Universität stellte fest, dass bei Introvertierten denn auch ein höheres Suizidrisiko besteht als bei Extrovertierten. Besonders betrifft das offenbar introvertiert-spontane Persönlichkeitstypen (also den Sensiblen und denIndividualistischen Macher, den Analytischen Denker und den Verträumten Idealisten).

Bei introvertierten Persönlichkeitstypen treten Studien zufolge auch signifikant häufiger affektive Störungen (also Manie, Depression oder bipolare Störung) in Verbindung mit Alkohol- und Drogenmissbrauch auf. Auch hier erwies sich die Kombination introvertiert/fühlend/spontan als besonderer Risikofaktor. Unter den Alkohol- und Drogenpatienten ohne affektive Störung dagegen fanden sich überwiegend extrovertiert-logische Persönlichkeitstypen.

Geringere Lebenszufriedenheit - die Kehrseite der Intraversion? Es ist noch nicht ganz klar, wie Introversion diese erhöhte Anfälligkeit für affektive Störungen bedingt. Möglicherweise ist die Neigung Introvertierter zu depressiven Verstimmungen nichts weiter als die Kehrseite ihrer erhöhten Introspektions- und Reflexionsfähigkeit: Wer sich viel und intensiv mit sich und seinen Gefühlen beschäftigt, wer Dingen auf den Grund zu gehen versucht und immer bereit ist, alles in seinem Leben zu hinterfragen, der läuft natürlich auch eher Gefahr, auf Unangenehmes oder Deprimierendes zu stoßen. Salopp gesagt: Eine Depression entwickelt man vermutlich eher, wenn man allein im stillen Kämmerlein über den Sinn des Lebens oder die existenzielle Geworfenheit des Menschen ins Sein nachgrübelt, als wenn man (wie viele Extrovertierte) vorzugsweise mit vergnüglichen Sozialkontakten, Party- und Ausgehaktivitäten beschäftigt ist. Letzteres lenkt einen von den großen Fragen des Lebens (und den häufig darauf fehlenden Antworten) und den negativen Seiten der Welt eher ab, während ersteres den Scheinwerfer unter Umständen grell und unbarmherzig auf all das richtet, was das Leben schwierig und unwägbar macht. Viele der daraus resultierenden Überlegungen dürften gerade für fühlende Persönlichkeitstypen besonders schwer auszuhalten sein.

Eine Untersuchung der Universität Houston-Victoria aus dem Jahr 2001 ergab in der Tat, dass Introvertierte eine deutlich geringere Lebenszufriedenheit, ein geringeres psychisches Wohlbefinden aber eine höhere Selbst-Bewusstheit (im Sinne von Selbstreflexion) haben als Extrovertierte. Vielleicht ist der bei depressiven bzw. bipolaren Sensiblen Machern und Verträumten Idealisten vermehrt auftretende Alkohol- oder Drogenmissbrauch dann auch nichts anderes als ein verzweifelter Versuch, überwältigende negative Emotionen auf diese Weise zu „therapieren“ oder zumindest erträglicher zu machen. Rauschmittel (vor allem Alkohol) heben den Serotoninspiegel im Gehirn nämlich kurzzeitig an, der bei Depressionen zu niedrig ist, und sorgen so für mehr Wohlbefinden.

Das erhöhte Depressions- und vor allem das erhöhte Suizidrisiko von Introvertierten könnte auch damit zu tun haben, dass sie in Krisenzeiten eher als Extrovertierte mit Rückzug reagieren. Das ist ihre übliche Bewältigungsstrategie für anstrengende Situationen - eigentlich ein durchaus sinnvoller Reflex, wenn man bedenkt, dass sie, um ihre Batterien wieder aufzuladen, ja tatsächlich das Alleinsein und die Ruhe dringend brauchen. Das Problem ist nur, dass dieser eigentlich hilfreiche Mechanismus bei Introvertierten auch durchaus mal aus dem Ruder laufen kann - will heißen, sie kapseln sich dann so sehr von ihrer Umwelt ab, dass sie sich damit irgendwann nicht mehr guttun, sondern schaden. Soziale Unterstützung durch Freunde und Familie ist gerade in Krisenzeiten ein äußerst wichtiger Schutzfaktor gegen Stress und Depression, das haben unzählige Studien nachgewiesen. Das Sprichwort „geteiltes Leid ist halbes Leid“ ist deshalb unbedingt richtig. Das Gefühl, mit anderen über Probleme sprechen zu können, moralische und vielleicht auch aktive Hilfe von anderen zu erfahren und sich von einem sozialen Netz aufgefangen und getragen zu fühlen, ist existenziell für jeden Menschen und hilft enorm bei der Stressbewältigung. Extrovertierte - die auch in guten Zeiten mehr von der Gesellschaft anderer profitieren als vom Alleinsein - nutzen diesen Mechanismus deshalb in schwierigen Zeiten instinktiv. Introvertierte dagegen unterschätzen die Hilfe, die ihnen durch andere psychisch und praktisch zuteil werden könnte und lassen diese Ressource deshalb ungenutzt. Unter Umständen kann das dann irgendwann zu einer - gefühlten oder tatsächlichen - völligen Isolation führen, in der Gefühle von Niedergeschlagenheit und Auswegslosigkeit dann übermächtig werden.

bearbeitet von cClazZz

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Hey draco85,

du verwechselst das Symptom mit der Ursache. Die Frage, ob sie gern lange unter Menschen sind, würden sowohl gesunde (hypersensible und introvertierte) als auch psychisch kranke (Phobien und andere Angsterkrankungen, selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie, Depression etc) Menschen wohl durchaus, je nach individuellem Zustand oder Symptomkonstellation eher mit Nein beantworten. Testpsychologische Verfahren, auch jene zur Persönlichkeit, stützen sich nie auf eine Aussage allein, sondern immer auf das Zusammenspiel von mehreren. Auch muss eine entsprechende Differentialdiagnose erhoben werden, denn mitunter kommt es zu Überlagerungen. Hier ist es am Therapeuten, entsprechend Exploration zu betreiben.

Gerade Introversion, Schüchternheit/Sozialphobie und Hypersensibilität werden immer wieder gern in einen Topf geworfen, sind aber trotz eines ähnlichen "Phänotyps" völlig unterschiedliche Baustellen. Hier ein kurzer Überblick:

Schlagwort Charakteristikum Was passiert? Äußerung? mögliche Reaktion

Hypersensibilität starke Reaktion auf Sinnesreize Reizüberflutung Erschöpfung Rückzug

Introversion Energieverlust durch soz. Interaktion Akku leer Erschöpfung Rückzug

Sozialphobie Angst vor negativer Beurteilung Kopfkino psych+veg. Symptome Rückzug

Diese drei Personengruppen werden sich, je nach Ausprägung, eher aus sozialen Interaktionen zurückziehen als andere Menschen oder sie mitunter gar vermeiden, handeln aber aus völlig unterschiedlicher Motivation heraus.

Herzliche Grüße,

Tsukune

Was ich damit meinte war, das ein Extro mit Sozial Phobie laut diesem Test doch wohl als Intro eingestuft werden sollte... nicht?

Ich wüsste auch gerne mal wie man wirklich rausfinden kann ob man intro/extro und oder Hochsensibel ist. Es war bei mir immer so das ich extremst schüchtern war. Dachte immer ich sage in Gruppen nichts wegen der Hemmungen. Seidem ich aber nun an meinem Selbstvertrauen und gegen meine Ängste arbeite, merke ich wie mir größere Feiern anscheinend ziemlich auf die Eier gehen. Wenn ich innerhalb dieser Feier mein kleines Grüppchen habe ist alles gut soweit. Auch wenn ich merke das ich hin und wieder noch mit meinen Ängsten zutun habe. Aber wenn es irgendwann los geht mit "jeder quatscht mal mit jedem" geht mir das ganze Ziemlich auf die Eier. Schweife dann in Gedanken ab und denke an dinge die ich entweder allein tun könnte oder ich fange an die Situation an sich zu beobachten. Früher war dies aber auch schon in kleineren Gruppen der Fall. Was dazu führte das ich mich häufig selbst zum Aussenseiter machte.

Da ich meine Ängste aber schon habe seid ich denken kann, also schon im Kindergarten, kann es doch vllt auch einfach nur sein das ich diesen Sozialen umgang einfach nur noch lernen muss?! Den Aussagen meiner Eltern nach saß ich schon als ganz kleines Kind brav in der Ecke. Noch heute ist es manchmal so das ich in einer Schönen Umgebung ewig lange dasitzen kann und ja... wie soll ich sagen... die Atmosphäre auf mich wirken lassen. Dann gibt es aber auch wieder Zeiten an denen ich Hummeln im Arsch hab und meinen Energie irgendwie los werden muss.

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Also ich kenne jemand der eigentlich ein Extro ist und eine Sozialphobie hat. Wenn er in einer Gruppe ist denkt jeder der ist ganz klar ein harter Intro, ist er aber "in Sicherheit" als mit Leuten alleine die er seit seiner Kindheit kennt (kann dann auch eine Gruppe sein) oder auch bei Familienangehörigen, bricht ganz klar der Extro in ihm durch. Dann kann er nicht mehr aufhören dich vollzulabern :-)

Man merkt auch sehr deutlich, wenn er länger alleine ist tut ihm das gar nicht gut.

Gruss

bearbeitet von cClazZz

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Für mich klingt dein Text so als wärst du ein Teilintro mit einer stärker ausgeprägten Introvertierten-Ader, aber auch einer leichten Extrovertierten.

Laut der allgemeinen Meinung in der Psychologie kannst du die sozialen Kompotenzen lernen, nicht aber den "Hunger" nach sozialen Kontakten. Laut der Meinung hier im PU Forum ist das auch nicht notwendig, du musst nur lernen diese Situation zu akzeptieren. Ich gehe zwar mit beiden Meinungen nicht konform, wie man in diesem Thread ja lesen kann, aber das steht auf einem anderen Blatt.

Bei mir war es so. Als ich mich noch als Intro eingestuft hatte (also Intro der sich nicht in einen "Extro-State" pushen konnte) und meine Eltern oder mein Bruder kamen nach Hause, dann bin ich weiter vor dem PC gesessen weil ich mich wohl gefühlt hatte und ich keinen Drang danach verspürte mich in soziale Gesellschaft begeben. Ich war eben in meiner Welt. Auf Smalltalk oder oberflächliche Themen hatte ich zB absolut nie Lust.

Selbst Situation im "Extro-State". Die Türe geht auf und zack bin ich schon unten und unterhalte mich über das Wetter, hab Fun und lade mich mit positiven Gefühlen und Energie auf. Intro, Extroversion kann man meiner Meinung nach mit den Drang nach sozialen Kontakten gleichstellen. Ich meine damit nicht nach dem Bedürfnis nach mehr sozialen Kontakten allgemein, sondern direkt mit einem körperliche spürbaren Drang.

Gruss

bearbeitet von cClazZz

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Hallo und vielen Dank für diesen Beitrag,

ich habe gerade den Eindruck, das mir Schuppen von den Augen fallen.

Meine Introvertiertheit habe ich bisher als eine schlechte Eigenschaft wahrgenommen, so wie mürrisch sein, verbittert sein. Dinge, die daher kommen, weil ich mit irgendetwas nicht zufrieden bin.

Wenn ich nun die Perspektive wechsle in Richtung , "ich bin einfach introvertiert", aber daher auch Dinge wie Ruhe, Reflektiertheit etc. kommen, sehe ich mein Leben und viele Verhaltensweisen von mir plötzlich in einem ganz anderen Licht - und das mit 44.

Vor allem die Aussage, ein Introvertierter braucht eine Menge Energie für seine soziale Interaktion, während ein Extrovertierter ehr die Batterien auflädt, trifft den Nagel auf den Kopf.

Ich bin nicht schüchtern, lerne gerne Menschen kennen, bin eloquent, habe Humor, stehe schnell im Mittelpunkt bei Gesprächen, flirte gerne, halte völlig locker Vorträge vor hunderten von Menschen und und und... Aber ich merke, wie das alle Energie zieht und ich hinterher wieder den totalen Rückzug brauche.

Ich bin Dozent und Berater (IT, Softwareentwicklung). Wie oft habe ich mich schon gefragt, warum ausgerechnet ich, der tagelang nichts sagt und am liebsten vor sich hindenkt, eine Tätigkeit ausführt, bei der er voll im Mittelpunkt der Interaktion steht. Aber klar macht jetzt Sinn. Auch die Jobs vorher.

Frauen... Seit einem Jahr solo. Ein 2m Kerl, sportlich, seit neustem der "running Gag" das ich Model werden soll / bin. Die Frauen drehen sich nach mir um. IOI ohne Ende.

Meine (Ex)frau fragt, ob ich mal was mit ner anderen hatte - "Du hast doch Möglichkeiten ohne Ende"...

Meine Therapeutin sagt vögeln sie sich mal richtig aus - "Dürfte für sie ja kein Problem sein"...

Kolleginen fragen mich, wie viele Mädels ich denn jetzt so hab...

Aber der Kerl macht nix. Nicht weil ich schüchtern bin oder der Meinung bin, ich sei auf den Mund gefallen. Sex und Frauen sind mir auch nicht gerade egal. Aber die Vorstellung, nach einem "Hallo" Smalltalk zu machen (die Mutter der Energieverschwendung) und dann den "Eddie Murphey" bis in die Kiste durchzuziehen - der blanke Horror. Das ist jetzt nur eine Sache, die mir durch diesen Beitrag wohl klar geworden ist.

Im Moment setzt sich da gerade wirklich so ein Puzzle in meinem Kopf zusammen.

Gruß

bearbeitet von MacBest
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