Misanthropie, negative Einstellungen, ehrliche Kritik und harte Worte

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Gast selfrevolution

Ich war heute mit einer Freundin auf einem Jazz-Konzert, wo ich ein paar Bekannte von einer Band, die ich kenne, getroffen habe, über die ich mich total gefreut habe. Wir haben uns gemeinsam an die Bar gesetzt, weil kein Tisch mehr frei war und haben noch geplaudert, bis das Konzert begonnen hat. Die Band war nicht überragend, aber meiner Ansicht nach in Ordnung. Junge Künstler, denen es an Sicherheit gemangelt hat, also habe ich gezeigt, dass ich ihre Musik schätze. Viel applaudiert, mit-geswingt und hin und wieder ein "Huuu!" oder "Yeah!" loslassen, wenn mir ein Solo mal so richtig gut gefallen hat.

Anders die Freunde, die ich dort getroffen habe. Sie waren als Musiker noch einmal weniger begeistert und haben nicht applaudiert, was jetzt nicht so sehr aufgefallen ist, weil ja recht viel los war. Auch das Lästern über den Drummer, dessen Solos einfallslos seien, ist im Grunde nur mir und der Freundin aufgefallen, mit der ich dort war. Was hingegen aufgefallen ist, waren die "Buh!"-Rufe von einem meiner Kumpels während des zweiten Sets, der auch die Lautstärke seiner Lästerei angehoben hat. Die Band hat das mitbekommen. Ich hab' ihn dann einmal klar gemacht, dass das einfach unter jeder Sau ist. Die Band gibt ihr Bestes, und wenn's einem nicht gefällt, dann lehnt man sich meinetwegen zurück, aber ein "Buh!"-Ruf ist eine öffentliche Diskreditierung.

Inhalt der Lästerei war im Übrigen etwa, dass "die eigentlich überhaupt nichts drauf haben!" Die Freunde, die ich dort getroffen habe, waren selbst als Musiker ganz okay, aber vom Niveau her nicht sonderlich viel mehr als die Band. Genau genommen habe ich von denen auch schon ein schlechteres Konzert gesehen. Ich hab' ihnen dann einmal generell gesteckt, dass sie sich so den Spaß selbst ruinieren. Die Freundin, mit der ich da war, wollte dann auch schon nach dem ersten Set gehen (sie war zum ersten Mal in einer Jazzbar), und ich hab' sie noch ein Stück begleitet. Als ich zurück gekommen bin, habe ich mich dann aber nicht gleich zurück zu meinen Kumpels begeben, sondern hab' das Konzert von wo anders aus angeschaut.

Der Abend wurde später deutlich besser, und wir sind bis zur Sperrstunde noch beisammen gesessen und haben geplaudert. Davor aber habe ich ihnen einmal relativ harsch meine Meinung zu ihrem Verhalten gesagt (während des Konzerts hatte ich es ja zwar hin und wieder schon angesprochen, aber ich wollte jetzt nicht während des Konzerts zu diskutieren beginnen und einfach die Musik genießen).

90% aller Jazzmusiker sind Poser, 90% aller Männer sind Schweine, 90% aller Frauen sind verlogen, die meisten Leute sind dumm und unkritisch, die meisten Leute plappern alles nach, was ihnen die Medien sagen, die meisten Studenten lernen nur auswendig und versuchen gar nicht zu verstehen, die meisten Politiker nutzen ihre Macht aus und sind Betrüger,... wie oft höre ich all diese Aussagen.

Warum sind diejenigen, die andere als "ekelhaft erbärmlich" betiteln meist auch nicht die coolen Typen, mit denen man gerne abhängen würde?

Wie treffend speedfreak es hier nicht ausgedrückt hat. Mir selbst rutschen manchmal auch Kommentare unter der Gürtellinie heraus, oder ich denke sie mir einfach nur, wenn einmal wieder ein paar Frauen über den Singlemarkt lästern, der schonmal besser war, und jetzt nur noch eine "Scheiß Auswahl" zu bieten hat - Grüße an 447.

Die meisten Leute sind echt in Ordnung, wenn man sich auf sie einlässt. Ich war die Tage auf einer Party, wo zwei Mädels waren, die für mich erst ziemlich wortkarg und distanziert gewirkt haben. In gewisser Hinsicht uninteressant (und uninteressiert), also habe ich mich halt mit anderen Leuten unterhalten. Der Abend war länger und weiß nicht mehr, wie es gekommen ist, aber letztlich bis ich sicher die letzten drei bis vier Stunden teils abwechselnd, teils gemeinsam mit den beiden Mädels zusammengesessen und hatte echt faszinierende Gespräche, unter anderem auch über ein Thema, über das ich noch nie auch nur ansatzweise mit jemandem auf diesem Niveau diskutieren konnte (nein, ich hab' keine gevögelt, ja ich hab' von beiden den Facebook Account und die Einladung, mich zu melden, wenn ich mich mal "zum Quatschen oder so" treffen will). Manchmal muss man genauer hinschauen, um die Stärke eines Menschen zu erkennen, oder auch einwenig Geduld haben, bis der andere auftaut.

Noch im Februar hatte ich hier eine recht intensiver Diskussion mit jemandem von hier, dessen Ansicht ich einfach unverantwortlich gefunden habe. Nicht später haben wir uns auf ein Bier getroffen und treffen uns seit dem regelmäßig ca. alle paar Wochen. Auch von einem anderen User hab' ich anfangs nicht sonderlich viel gehalten, aber ich denke, irgendwie haben wir uns arrangiert, plaudern per PN und so weiter.

Diese negative Einstellung, die manche Menschen haben, diese Misanthropie, nervt mich schlichtweg, und vor allem macht sie einem das Leben einfach nur schwer. Dabei geht es noch nicht erst um Vorurteile dem einzelnen gegenüber, sondern schon das um pauschale Verurteilen "der Masse". Wie kann man sich einem einzelnen Menschen gegenüber wohlwollend verhalten, wenn man schon der Statistik nach im Vorhinein davon ausgehen muss, dass er ein Trottel ist?

Aber auch eine so unangenehme Haltung gegenüber Leuten, die einem weniger zusagen kann, wenn sie übertreiben wird, einfach nur zach werden. Wenn ich jemanden, wirklich lahm finde, dann geb' ich mich nicht mit ihm ab und schreie nicht "Buuuh!" durch den Raum. Erst Recht, wenn die Kritik am anderen ohne Gehalt ist, sondern letztlich eine reine Diskreditierung ist, verbreitet das einfach eine negative Grundstimmung. Und wer ist schon gerne wo, wo die Stimmung schlecht ist?

So, das sind einmal die Überlegungen, die gewissermaßen die eine Seite darstellen. Dem gegenüber steht durchaus auch etwas - die Ehrlichkeit und Direktheit. "Der Großteil der Jazzer sind Poser", und jetzt kommt der Kopfschuss, stammt von mir. Schonmal ein Konzert gesehen, bei dem echt jeder nacheinander sein 5-Minuten-Solo spielt, während so etwas wie ein "Zusammenspiel" kaum vorhanden ist? :80:

Hier um Forum regt mich dieses "Du bist eine Pussy"-Gelaber auf, und ich beschwer' mich in genau diesem Post über die Leute, die sich ständig beschweren. Ich suche bei Texten von anderen nach den Gedankenfehlern und habe doch nicht den Eindruck, damit etwas Schlechtes zu tun, genauso wie hinter dem "Du bist eine Pussy" oft eine gewisse Wahrheit steckt, die durchaus wohlwollend ist. Aber auch die simple Diskreditierung kann doch ihre Berechtigung haben und jemanden auf den Boden zurückholen. Noch bevor ich Ende Mai meine Pause eingelegt habe, hatte ich einwenig PN-Kontakt mit einem User von hier, der mit Mitte Zwanzig eine ungeküsste Jungfrau ist. Vor ein paar Wochen habe ich hier einen Post oder so gesehen, in dem er einen anderen dafür ausgelacht und niedergemacht hat, dass der "ein Loser ist, der keine abbekommt" (sinngemäßes Zitat). Habe mich ziemlich zurückhalten müssen, nicht öffentlich genau das zu schreiben, was ich ihm dann per PN geschrieben habe - und das war nicht alles sachlich, sondern ging teilweise in Richtung "haben's dir ins Hirn g'schiss'n!?" (er hat's verstanden, seinen Post editiert und wir chatten jetzt hin und wieder über Skype).

So. Eigentlich sollte das ein Blogeintrag werden, aber letztlich hat sich mir hier ja so etwas wie ein Spannungsfeld aufgetan, so etwas wie ein Thema, das sich durchaus diskutieren lässt, und mich würde euer Zugang dazu einmal interessieren.

Edit: Zum Runtermachen von anderen gibt es im Übrigen, einen treffenden, interessanten Kommentar von Legally Hot:

Also ich hab die Erfahrung gemacht, dass praktisch alle Menschen, die sich selbst als "mit Ansprüchen" beschreiben würden, eher dazu tendieren, egozentrisch und/oder selbstüberschätzt zu sein bzw. das als Excuse benutzen , um nicht eingestehn zu müssen, dass sie nicht in der Liga spielen, in der sie gerne spielen würden.

Wer sich eine tatsächliche Selektion wirklich leisten kann, der tut´s meiner Erfahrung nach einfach und hat gar keinen Grund, es zu thematisieren, geschweigedenn nen größeren inneren Monolog dahingehend zu starten. Komplett Geschlechterunabhängig.

Spannender Weise denkt kein Mensch, den ich kenne, der wirklich große Auswahl hat, in "ist mir nicht gut genug". Kein einziger. Dieser Impuls, andere klein zu machen, ihnen Wert abzusprechen, weil sie irgendwelchen subjektiven Schablonen nicht entsprechen, ist für mich ne ziemlich typische Minderwertigkeits-Kiste..

Der Gedanke wird auch hier...

http://www.pickupfor...on-legally-hot/

...wieder aufgenommen.

bearbeitet von selfrevolution
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Warum sind diejenigen, die andere als "ekelhaft erbärmlich" betiteln meist auch nicht die coolen Typen, mit denen man gerne abhängen würde?

Wie treffend speedfreak es hier nicht ausgedrückt hat. Mir selbst rutschen manchmal auch Kommentare unter der Gürtellinie heraus, oder ich denke sie mir einfach nur, wenn einmal wieder ein paar Frauen über den Singlemarkt lästern, der schonmal besser war, und jetzt nur noch eine "Scheiß Auswahl" zu bieten hat - Grüße an 447.

Jepp, der Fall war lustig. :-D

Entsprechende Fälle im RL lassen sich aber eigentlich mit c&f recht leicht in halbwegs positive oder zumindest nützliche Situationen verwandeln.

Zum eigentlichen Thema:

90% aller Jazzmusiker sind Poser, 90% aller Männer sind Schweine, 90% aller Frauen sind verlogen, die meisten Leute sind dumm und unkritisch, die meisten Leute plappern alles nach, was ihnen die Medien sagen, die meisten Studenten lernen nur auswendig und versuchen gar nicht zu verstehen, die meisten Politiker nutzen ihre Macht aus und sind Betrüger,... wie oft höre ich all diese Aussagen.

Diese Aussagen sind nicht immer, aber sehr oft "sachlich" halbwegs richtig. In dem Sinn, dass sie als grober Anhalt einfach extrem oft stimmen - denn sonst würden sie sich garnicht erst bilden.

Die übliche Reaktion ist hier eben das ganz tief bei uns reingetrichterte "Bloß keine Vorurteile!!1111".

Die meisten Menschen gewöhnen sich aber keine Regelsätze an, die für sie nicht funktionieren...

Mit ein wenig Nachdenken (sollte man vor lauter alpha-alpha vielleicht auch nicht vergessen) kommt man aber darauf, dass man selbst die Wahl hat wie man reagiert.

Sprache ist ein Werkzeug und vieles andere auch...

Bsp: Wenn ich weiß, dass 90% aller Jazzmusiker Poser sind, kann ich

a) nicht zu solchen Konzerten gehen

b) zu solchen Konzerten gehen (z.B. weil da HBs sind) aber einfach mal mein Maul halten

c) auf einem solchen Konzert die positiven Aspekte suchen, c&f umsetzen, proof geben und mich auf nützliche Aspekte konzentrieren, z.B. um meinen Bekanntenkreis zu erweitern - PU bietet mehr als Pussyhypnose

d) da schlecht gelaunt (und das zeigend) hingehen, dummes Zeug reden und allen auf den Sack gehen, weil ich weder über Selbstdisziplin noch soziale Fertigkeiten noch mehr Gehirnzellen verfüge als der Durchschnitt über den ich mich beschwere... :aggressive:

Diese negative Einstellung, die manche Menschen haben, diese Misanthropie, nervt mich schlichtweg, und vor allem macht sie einem das Leben einfach nur schwer. Dabei geht es noch nicht erst um Vorurteile dem einzelnen gegenüber, sondern schon das um pauschale Verurteilen "der Masse". Wie kann man sich einem einzelnen Menschen gegenüber wohlwollend verhalten, wenn man schon der Statistik nach im Vorhinein davon ausgehen muss, dass er ein Trottel ist?

Auch hier gibt es viele Möglichkeiten:

a) selection --> mit wie vielen Menschen spricht/trinkt/diskutiert/küsst man sich NICHT? Jeden Tag gehen wir an dutzenden/hunderten Leuten vorbei und beachten sie nicht.

Ganz unterbewusst, ohne irgendwie darüber zu theoretisieren selected jeder von uns, und das umso stärker je mehr Menschen um uns rum sind. Weil wir die für uns persönlich besten Kontakte pflegen wollen.

Ob wir (bzw. gerade Anfänger, die sich zum ersten mal intensiv mit sozialen Vorgängen auseinandersetzen) richtig abschätzen können ob unsere Vorstellung davon was ein guter Kontakt ist auch richtig ist...ist noch einmal etwas anderes.

b) Nicht dumm sein, mehr wissen. --> Le Bon lesen. Eine beliebige Einführung in Gruppendynamik lesen. Das zeug ANWENDEN. Nicht nur wenn es um Pussys geht.

Erkennen, dass die meisten Menschen (und es ist schlicht eine Tatsache!) Indianer und nicht Häuptlinge sind. Das muss auch so sein, sonst gibt es nur Rangordnungskämpfe.

Erkennen, dass die Rolle von Indianer und Häuptling an verschiedenen Plätzen wechseln kann.

Erkennen, wie formbar und flexibel die meisten Persönlichkeiten sind (Milgram-Experiment u.a.) und wie sehr wir alle (man selbst je nach Persönlichkeit und Situation eventuell eingeschlossen!) diese westlich-kapitalistische Illusion der "einzigartigen Schneeflockenpersönlichkeit" angenommen haben.

dann: Pragmatisch handeln nach dem was man weiß, bringt es Erfolg ist es erstmal ok.

c) Sich mit 90% der Menschen nicht emotional und intensiv abgeben, sondern eben freundlich, glatt, höflich durchlaufen lassen. Schauen, dass Ziele erreicht werden und Prozesse funktionieren - auf emotionaler Ebene wohlgemerkt.

Die Techniken dazu stellt PU im Übermaß zur Verfügung. Empathische Frames mobilisieren, ihre Bedürfnisse erkennen, ihnen mal proof geben (danach dürsten unglaublich viele Menschen extrem, kA warum)--> Kurzfassung: Sein Sozialleben und seine soziale Umwelt aktiv und planend angehen, nicht nur passiv-abwartend und dümmlich-unreflektiert sein, nicht gleich jedem blöden Bauchimpuls folgen.

Ein ganz einfaches Beispiel:

Probiert mal aus, jemanden (kann auch die Bäckerin oder sogar der Chef sein) für die Ausführung von gewöhnlich-alltäglichen Dingen die zuverlässig erfolgen zu loben.

Kleiner field-test: Ich habe mir meinr Lieblingsbäckerin ausgesucht, die immer freundlich ist.

Also sage ich ab und zu (Frequenz ca. 1/zwei Wochen) etwas wie "Ah, Frau Sonnenschein ist da :-)". Selbstverständlich macht sie einfach nur ihre Arbeit (es ist ihr Job mich gut zu bedienen) und ist höchstwahrscheinlich ein bedeutungsloser Mensch. Dennoch freut sie sich, ich kriege die dickere Brötchen und es entstehen weder frameverluste noch sonstige Kosten oder Nachteile.

Zum Runtermachen von anderen gibt es im Übrigen, einen treffenden, interessanten Kommentar von Legally Hot:

snapback.pngLegallyHot& schrieb:

Also ich hab die Erfahrung gemacht, dass praktisch alle Menschen, die sich selbst als "mit Ansprüchen" beschreiben würden, eher dazu tendieren, egozentrisch und/oder selbstüberschätzt zu sein bzw. das als Excuse benutzen , um nicht eingestehn zu müssen, dass sie nicht in der Liga spielen, in der sie gerne spielen würden.

Sehe ich etwas anders: "Runtermachen" ist eher ein Ausdruck von Impotenz.

Warum?

Entweder habe ich Macht, Argumente oder genug social proof um etwas durchzusetzen - oder nicht.

Unabhängig davon ob das "runtermachen" zu Recht oder zu Unrecht erfolgt, sachlich angemessen ist usw. usf.

Aber: Wer verbal hetzen und kläffen muss kann eben nicht handeln.

Eine Konfronation zu suchen, etwas in Frage zu stellen oder auch ganz stumpf negativ zu bewerten (auch öffentlich) hat m.M.n. nichts mit irgendeinem Minderwert zu tun.

Minderwertig wird es dann, wenn das verbale Rumkläffen die Tat ersetzen soll, indem pussymässig offensichtlich unbeholfen auf andere Einfluss genommen werden soll --> die Person versucht statt selbst etwas zu tun andere mit negativen Emotionen zu mobilisieren oder Drama anzuzetteln und sie "vozuschicken".

Wie in Deinem Beispiel:

Der Typ hat weder die Eier selbst in einem Contest o.ä. (kA ob es das im Jazz gibt) anzutreten, noch den Leuten persönlich gegenüberzutreten und seine Kritik zu formulieren, den Ort verlassen will er auch nicht, weil er alleine zu schwach ist --> er kläfft pudelmässig (Buh-Rufe feige aus der sicheren Menge) herum statt zu handeln.

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Gast selfrevolution

Mag sein, dass hinter so manchem Vorurteil eine gewisse Wahrheit steckt. Allerdings beeinflussen Vorurteile die Wahrnehmung, und damit alles weitere, vom eigenen Gefühl zum eigenen Handeln, zum Gefühl des anderen, zum Handeln des anderen, zur eigenen Wahrnehmung zurück und so weiter. Die sich selbst erfüllende Prophezeiung ist das offensichtlichste Beispiel, aber oft erfüllen sich diese Prophezeiungen gar nicht und doch fühlt man sich bestätigt. So hört man ein langes Jazz-Solo und meint in seinem Vorurteil, dass das Solo über das Zusammenspiel gestellt wird, bestätigt zu werden.

Vorurteile sind zwar an sich unvermeidbar, ich wäre aber sehr vorsichtig damit, mit welchen Vorurteilen ich durch die Welt laufe. Das Vorurteil, dass die meisten Menschen völlig in Ordnung sind ist sicher das angenehmere Vorurteile. Man kann so leichter die Stärken eines Menschen, seine Vorzüge, seine Attraktivität erkennen und hat einen leiwanden neuen Bekannten gefunden.

Aber ja, angesichts seiner Urteile wie Vorurteile hat man eine große Entscheidungsfreiheit, wie man damit umgehen kann. Ich denke aber, dass das Wertschätzen dessen was da ist, wohl die Variante ist, mit der man besser fährt. Die Jazz-Solos sind für gewöhnlich verdammt stark und als Solos beeindruckend. Kann das sehr gut genießen, und in der Tat können die diversen Solisten darauf auch stolz sein. Bei Open Stage Sessions spielt man spontan miteinander und studiert keine Songs ein, der meiste Live-Jazz aber, den ich höre, ist nun einmal Open Stage. Das was da ist kann großartig sein, wenn man nicht ständig an das denkt, was nicht da ist. Damit setze ich schon vor dem Urteil, dass die meisten Menschen Trottel sind an.

Erkennen, dass die meisten Menschen (und es ist schlicht eine Tatsache!) Indianer und nicht Häuptlinge sind. Das muss auch so sein, sonst gibt es nur Rangordnungskämpfe.

Erkennen, dass die Rolle von Indianer und Häuptling an verschiedenen Plätzen wechseln kann.

Indianer sind cool. Das meine ich im doppelten Sinne: a) die wenigsten mögen Häuptlinge sein, aber Indianer selbst sind es wert, geschätzt zu werden und können schlichtweg verdammt cool sein. Und b) Indianer sind einfach cool. So wie die ausschauen und so, Jacky Chan in Shang High Noon ist toll als Indianer. Seine Frau genauso. Nicht um sonst verkleide ich mich am liebsten als Indianer. :-D

Das zentrale hier: das lässt sich nicht mit der Misanthropie gleichzeitig leben. Genauso wie es zu dem verleitet, das Legally Hot anspricht, dass man eigene (soziale) Inkompetenz dadurch kaschiert, dass man meint Ansprüche zu haben - man ist am Ende derjenige der selbst hinaus selektiert wird, tut aber, als wäre man es, der Entscheidungen trifft. Habe hier einmal gelesen, dass jemand Rumgezicke nicht mein einem Lay belohnt. Kann schon stimmen - aber es klingt für mich schon einwenig nach genau dem.

Oder aber man setzt die Ansprüche so hoch, dass sie keiner erfüllen kann, weil man Ablehnung so im Vorhinein verhindern kann. Wenn keiner gut genug ist, dann kann einen keiner Ablehnen.

Sehe ich etwas anders: "Runtermachen" ist eher ein Ausdruck von Impotenz.


[...]

Wer verbal hetzen und kläffen muss kann eben nicht handeln.


[...]


Wie in Deinem Beispiel:
Der Typ hat weder die Eier selbst in einem Contest o.ä. (kA ob es das im Jazz gibt) anzutreten, noch den Leuten persönlich gegenüberzutreten und seine Kritik zu formulieren, den Ort verlassen will er auch nicht, weil er alleine zu schwach ist --> er kläfft pudelmässig (Buh-Rufe feige aus der sicheren Menge) herum statt zu handeln.


Jemanden in einem Wettstreit zu besiegen ist kein "runtermachen" im billigen Sinne. Aber ja, ich denke, deine Betrachtungsweise hat hier etwas für sich.

Und weil's gerade zu gut passt... Ist zwar mehr Blues als Jazz, aber egal...

bearbeitet von selfrevolution

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