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PU-Treffen, paar Gedanken dazu. Abends in einer Kneipe. Bevor ich anfange, muss ich erst Selbstkritik üben und die Karten offen auf den Tisch legen. Ja, auch ich hatte an diesem Abend nichts Besseres zu tun, als dort hinzufahren. Somit bin ich wohl zu diesem Zeitpunkt kein Stück besser als diese kulturell, sozial verarmten Menschen. Ja, ich SCHÄME mich dafür dort gewesen zu sein! Ich fühlte mich wie ein Alkoholiker, der das erste Mal seine Selbsthilfegruppe besucht und realisiert, wie schlimm es um ihn steht. Ja, diesen Arschtritt brauchte ich. Ja, PICK UP ist ein SCHIMPFWORT! PUA = LOSER! Das Lokal ist schnell gefunden. Bundesliga wird übertragen. Das Treffen selbst findet in einem separaten Raum statt. Eine Tür und eine Fensterwand trennen den Nebenraum von den Fußballfans. 20 min vor Beginn ... Ich schaue mich um, sehe Leute zusammensitzen, lachen, Spaß haben. Wo ist das Treffen – Ah, trostlose Gestalten im Nebenraum. Coole Blicke, und wenig Worte. Da bin ich wohl richtig?!? Andi ist etwa 20Jahre alt. Er hat die Schule abgebrochen, die Ausbildung geschmissen. Er will ein neues Leben beginnen. Er besucht seit kurzem die Abendschule. In der Früh arbeitet er aber nicht etwa - nein – „Ich habe kein Bock so früh aufzustehen, ist eh leichter Abendschule!“ – Scharf gedacht von Andi. Neben Andi sitzt Klaus. Ein studierter Techniker. Etwas älter und nicht wirklich ein Frauentyp. Klaus arbeitet bei einem großen Konzern und spricht gerne Frauen auf dem Arbeitsweg an. „Mal im Bus und ab und zu in der Kantine“. Aber nur Frauen, „die mir gefallen“. Ja, auf den letzten Satz legt Klaus wert. Klaus hat strenge Kriterien für eine Frau. Nur so lässt sich sein langes Singleleben erklären!?! 10 min vor Beginn. Der Raum füllt sich. Sehr viele junge Leute kommen. Einige darunter, die PU wirklich nicht nötig haben. Das Vortragsthema erscheint spannend – „Wie Gedanken mich sabotieren!“ - Die realen PUAs sind leider ernüchternd, die Runde einfach nur lächerlich. Erschreckend: Die meisten machen gerade Abitur oder studieren. Es geht los. Die nervende Kellnerin verlässt den Nebenraum, endlich können wir Männer den wichtigen Themen zu hören. Das Versprechen: Nach diesem Vortrag ist Schluss mit den bösen „Limiting Beliefs“! Schluss mit den Gedanken, die mich von meiner Traumfrau fernhalten. Schluss mit Selbstzweifel. Warum sollte es denn an Andi liegen, dass er Schule und Lehre schmiss? Seine bösen Gedanken trieben ihn in diese aussichtslose Lage! Ihn selber trifft also keine Schuld, ist doch einleuchtend!?! Ein smarter Kerl in lockerem Business Outfit stellt sich vor. Weißes Hemd, schwarze Stoffhose, dunkles Haar, klare Aussprache. Ein Gewinnertyp vor seinen Jüngern. Wir hören nun zu. Auf dem Flipchart werden nun ständig Strichmännchen mit Brüsten gezeichnet. Wir sollen unsere „negativen Gedanken“ ausschalten. Wir reden es uns bloß ein, dass wir diese Strichmännchen mit Kreisen auf Brusthöhe nicht haben können! Es fängt an zu klappen. Die ersten beginnen zu nicken und notieren eifrig mit. Sie malen auch die diversesten Figuren vom Flipchart ab. Es werden sogar wichtige Fragen diskutiert. Michael wirft ganz selbstbewusst in die Runde ein: „Wenn ich ein heißes Weib in der Disco sehe, denke ich an Sex! Da kommen mir gar keine negativen Gedanken, die ich erst vertreiben muss!?!“ Michael ist anscheinend schon geheilt von seinen „Limting Beliefs“, Wahnsinn! Leider wird die Männerrunde immer wieder unterbrochen. Die Kellnerin wagt es stets zu fragen, ob wir noch was wollen. „Wasser vielleicht?“ Jedes Mal herrscht Stille im Nebenraum. Die Außenwelt darf nichts von diesen geheimen Treffen erfahren, und auch nicht diese Kellnerin. Wehe, die Frauen wüssten, was für Tricks diese smarten Boys heute noch auspacken in der Disco ... Warum lacht eigentlich die Kellnerin ständig, wenn sie den Nebenraum verlässt, die Glastür schließt und sich umdreht? Der Vortrag zieht sich. Die Thesen sind schnell abgehandelt: Alles nur Kopfsache – Du musst Versuchen, Fallen, Verbessern und wieder aufstehen ... ABER: Willst du nicht Versuchen, Fallen und Aufstehen, dann besorg dir einen Mentor. Dieser erklärt dir dann direkt den gelobten Weg ... Zufällig sind Mentoren mit Bootcamp für 50Euro im Angebot. Zugreifen, es handelt sich um Businesspreise! Die Jünger sind nun auf Touren. Der Schlussakt wird eingeläutet: Schließe deine Augen, und stell dir deine Traumfrau vor. Wie ist ihr Arsch? Wie sind die Brüste? Warum stört gerade jetzt wieder die Kellnerin? Also weiter. Der gut gekleidete Guru holt alles aus seinen Primaten heraus. Und wie ihre Köpfchen rauchen. Lattentreffer, das Lokal heult auf – die Primaten fühlen sich im Gehege gestört. Manche schauen verbissen durch die Glasfenster den Fußballfans entgegen. „Hey, ich kann mich bei dem Geschrei nicht konzentrieren!“ – Ist ja gut, zurück zu den Strichmännchen mit Kreisen ... Der Vortrag ist vorbei. Ich schnappe mir drei PUAs. Auf in die erste Bar. „Frauen ansprechen, kein Problem – nur leichte Defizite bei der Gesprächsführung.“ Na dann, hört sich nicht schlimm an. Ab in den Club. Das erste Frauengrüppchen – passt nicht. Das Zweite – wohl zu krumme Nasen – das Dritte – Sicher auch was auszusetzen. Na gut, ich spreche eine Gruppe an - Ja, es war nicht mein bester Tag – Paar Minuten läuft das Gespräch. Aber warum kommt keine PUA und „verführt“ die Freundin? Wo sind diese Wings? – Ahh natürlich, Sie schauen mir zu und – beobachten – liegen auf der Lauer! Das Gespräch ist zu Ende ... weiter geht’s. Zweites Set. Ich will die Jungs nicht beim Beobachten stören, also muss ich wieder die Zwei ansprechen – Schleppend. Die Jungs – beobachten. Der Abend wiederholt sich. Die Beobachter beobachten - diese Jungs haben sich das Label „Pick Up Artist“ wirklich verdient ... ... Ich selber distanziere mich ab sofort von Pick Up. Die Jungs in im Lair halten Pick Up für eine Religion – Lese ich lange genug, werde ich erhellt werden. Egal, wie schlimm es um mein Privatleben steht, wie schlimm es um einen selbst steht – Pick Up zeigt mir den rechten Weg. Privatleben – Wozu? Ich habe Pick Up! Zwar war vielleicht die Idee von PU eine andere, aber was ist daraus geworden? Ein Loser Magnet? Persönlichkeit und Charakter – Nein, Danke - ? Pick Up ist zu einer Ausrede für persönliche Defizite geworden! Es hört sich jetzt weit hergeholt an, aber mir sind Dinge nun wirklich verständlicher geworden: Gebildete junge Menschen unterwerfen sich einem Guru, einem „Pick Up Artist“. Wechselt das Wort Guru durch Führer aus, und es wird langsam ersichtlich, wie „Verführung“ damals und heute funktioniert! Bin auf eure Meinung gespannt. Wie ist die Pick Up Community wirklich?
