Ich schmeiß noch was ganz Anderes in die Waagschale. Daß nach dem persönlichen Arbeiten die Ex möglicherweise uninteressant wird, könnte auch mit Folgendem begründet sein. Bißchen abgespaced vielleicht, aber es ist spät und mir ist langweilig, weil ich noch nicht müde genug zum Schlafen bin. Neurobiologisch gedacht, könnte man das, was man so wahrnimmt vom Leben, auch mit einem Bild gleichsetzen, das mit Vertrautheit und Routine besetzt ist und Sicherheit gibt. Und in diesem Bild war Ex ein großer Bestandteil. Sie entzieht sich, es entsteht ein großes Loch im Bild. Folge ist große Unsicherheit, Vermissen, Sehnsucht nach der Einen, die nun einmal genau das Puzzlestück ergibt, das jetzt fehlt, die eingewoben war in dieses Bild, in gewohnte Routinen. Das Gefühl ist vergleichbar wie der Verlust des Partners durch Unfalltod, da es dort zu einer ähnlich abrupten Entfernung aus dem Bild kommt. Entsprechend ist Verarbeitung leichter, wenn jemand sich allmählich aus dem Bild verabschiedet, beispielsweise durch lange Krankheit mit absehbar tödlichem Ende. Das Bild kann sich langsam anpassen, der Abschied fällt "leichter". Das ist beileibe nicht zynisch gemeint! Back to topic, wir haben also ein großes Loch, das Bindeglied für Vertrautes fehlt, und die erste natürliche Reaktion ist, dieses Loch irgendwie zu füllen, die fehlenden Verbindungen zu überbrücken. Am naheliegendsten wäre die Rückkehr der Ex, denn sie paßt "optimal" in dieses Bild. Je zentraler und bedeutsamer Ex für unser Leben war, desto hilfloser und verzweifelter sind wir, da ihr Anteil des Bildes, der vertrauten Routinen, entsprechend groß war. Vertrautes geben wir ungern auf, denn sich in Unvertrautes einzuarbeiten, kostet Kraft. Deshalb Sehnsucht, Verzweiflung, Nicht-Wahrhaben-Wollen, deshalb Oneitis. Je mehr Zeit ins Land geht, je mehr andere Erfahrungen, möglicher (oder idealer-?)weise wir machen, desto mehr bilden sich im Loch Verflechtungen aus, es schrumpft, und das Umgebungsbild arrangiert sich allmählich. Vielleicht kennt Ihr auch den Moment nach einer vergeblichen Liebe, wenn plötzlich der Horizont sich wieder weitet und alles in neuem Licht erscheint? Das könnte dieser Effekt der Anpassung sein. Der Prozeß ist mühevoll, weil mit viel Unsicherheit und bewußter Anstrengung verbunden. Und auf dem Weg suchen wir immer wieder die Beschäftigung mit der Ex, durch Reden, durch Erinnern, Kopfkino... Das alles läßt sie wieder präsent werden. Wir projizieren sie uns in dieses Loch hinein, versuchen, sie darin "lebendig" zu erhalten. Sie ist real weg? Egal, durch gedankliche Beschäftigung mit ihr lassen wir die Beziehung fortdauern, in dieser Projektion. Doch dieses trägt nicht, bzw. wird immer wieder an der Realität falsifiziert. Neurobiologisch sind es die starken Bahnungen, die wir in der Beziehung mit der Ex aufgebaut haben, die uns immer wieder in diese "vertraute" Spur ziehen. Die neue Realität muß erst mühevoll erschlossen und verdrahtet werden. Und das Gehirn arbeitet gerne effizient und ist mitunter etwas zögerlich, wenn es plötzlich viel Energie aufbringen soll für Ungewißheit... Doch so mühevoll der Weg auch ist, das Loch wird kleiner, das Bild wandelt sich, die Ex verliert an Bedeutung (wenn wir es zulassen und nicht ständig Maß an dem Loch nehmen und dasgenau passende Puzzlestück suchen - Oneitis, Abgleich anderer Frauen mit Ex...). Beschäftigen wir uns dagegen immer weiter mit der Ex und lassen keine anderen Erfahrungen zu (das ist kurzfristig für das Gehirn der Weg des geringsten Widerstandes, weil wir uns auf einer neuronalen Autobahn bewegen), erlauben wir dem Gehirn, die bestehenden, wenn auch nicht mehr zeitgemäßen Muster und Erfahrungen aufrecht zu erhalten. Das Loch mit der Projektion bleibt. Die Entwicklung stagniert. Wenn wir uns der Welt öffnen, wenn wir Trauer, aber dann auch das Loslassen zulassen, heilt das Loch immer mehr aus, das Bild arrangiert sich neu, seine Bestandteile ergeben wieder Sinn, ohne daß eine Sinnlücke klafft... Bis irgendwann das Bild wieder vollkommen ist, die Lücke geschlossen. Spuren sind noch im Bild, denn es mußte sich neu konsolidieren, aber es ist wieder vollständig - ohne die Ex. Dieser Prozeß ist Kraftaufwand und Krise. Wir sind labil in dieser Zeit, da erst wieder funktionierende Routinen abseits der Beziehungssicherheit gefunden werden müssen. Wir sind teilblind, weil ein mehr oder weniger großes Puzzlestück unseres Bildes fehlt. Die Heilung verläuft schneller, wenn Ersatz gefunden wird, denn der Ersatz findet aufgrund seiner Ähnlichkeit schneller Anknüpfung und Passung im Bild (wieder Beziehung, wieder Sex, wieder Vertrautheit, wieder ein "Wir"). Kommt der Ersatz zu früh, droht insofern Gefahr, als das Bild noch zu unfertig das Eigene entwickelt hat und im Grunde effizienterweise bekannte Muster wieder aufbauen möchte. Die neue Beziehung droht dadurch zum Flickwerk zu werden, da das an die alte Beziehung angepaßte Bild sich noch gar nicht neu ausbalancieren konnte und alte Anknüpfungspunkte zu nutzen anbietet. Kurzfristig effizient, längerfristig fatal (Rebound). Wie auch immer - ist der "Heilungsprozeß" abgeschlossen, paßt das Puzzlestück Ex nicht mehr, denn die Lücke ist wieder gefüllt - profund mit dem Bild erneutert oder mehr oder weniger notdürftig geflickt. Das ist, was wir im Endeffekt als das Loslassen-Können bezeichnen: Wir brauchen sie nicht mehr. Und das ist unabhängig von ihrer Person und ihrer Einzigartigkeit. Warum diese Einzigartigkeit, die uns vielleicht früher fasziniert hat, nicht mehr greift, mag an der immensen Energie liegen, die sie uns gekostet hat, indem sie ging, und auch an der Diskrepanz zwischen dem Bild, das wir mit ihr zusammen formten, und dem, das sich jetzt in der Loslösung von ihr neu gebildet hat und in jedem Fall wieder mehr Anteil von uns enthält. Es ist kraftvoller, denn es enthält mehr Erfahrung und mehr Unabhängigkeit (idealerweise). Aber es enthält auch Narben, die Geschichte tragen. Spuren des Energieaufwandes, den seine Reparatur und sein Neuaufbau gekostet hat. Und wie vorher die Beziehungsstruktur, mag das Gehirn nun dieses neue, kraftvollere Bild nicht so einfach wieder aufgeben oder gar in einen dem alten Bild ähnlichen Zustand regredieren lassen. Das wäre ineffizient und drohte außerdem, schlechte Erfahrungen zu wiederholen, die großen Reparaturbedarf nach sich ziehen. Deshalb die Reserviertheit gegenüber der Ex. Möglicherweise bis hin zum gänzlichen Desinteresse. Selbstschutz. Idealerweise hat sich die Lücke bereits geschlossen, wenn eine neue Partnerschaft sich anbahnt. Denn dann kann ich unbefangen das Neuland erkunden, mich ganz habend, ohne Bedürftigkeiten noch offener Stellen in meinem Mosaik. Was könnte man von dieser bildhaften Modellvorstellung ableiten? - Die alte Erfahrung nach genügend Trauern konsequent ruhen lassen, damit sich das Bild vollkommen und mir-gemäß regenerieren kann. Keine unnötige Aktivation "alter Schaltkreise", denn die führen nur zum sinnlosen Erhalt dieser Schaltkreise. Der Kreisverkehr würde sinnlos ausgebaut. Die Trauer braucht natürlich Raum, denn sonst würde das Bild kollabieren. Bis das Bild sich konsolidiert, braucht es die Auseinandersetzung mit dem "Loch" - einfach, weil wir nicht verleugnen können, daß ohne diese vertrauten Routinen für manches in unserem Alltag gerade schlicht der Plan fehlt. (Ist einfacher, wenn eine Fernbeziehung endet, denn dann ist das Loch im Bild kleiner, der Alltag lief weitgehend ohne "Schaltungen" mit dem, was fehlt.) Sind die übrigen Bildanteile übrigens stark ausgeprägt (z.B. Eingebundensein in starkes soziales Umfeld, starker Glaube, Vertrauen, daß man es "packt" etc.), erleichtert dies das Loslassen, denn die Bildanteile bilden ein stabiles Stützgewebe, so daß das Loch nicht weiter ausfransen kann.) - Suche nach neuen Erfahrungen, Stimulation des Bildes. Auseinandersetzung mit sich selbst, buchstäblich Arbeit am eigenen Bild. Bewußtwerden der Größe des Loches, der Position, welche Gründe und Folgen beides hatte... -> Auseinandersetzung mit der Beziehung. - Es scheint besser zu sein, mit komplett ausgeheiltem Bild wieder Beziehung zu suchen, um "frei" zu sein. Frei für eine neue Partnerin, frei aber auch vielleicht für eine völlig neu zu gestaltende Beziehung mit der Ex, wenn man das zulassen kann (siehe oben). In jedem Fall ist es heilsam, in Beziehung zu Mitmenschen zu treten, denn diese Beziehungen (unterhalb der Partnerschaftsschwelle) enthalten auch Anteile der "alten" Beziehung und heilen so unmittelbar, ohne daß Gefahr für Flickwerk entstünde. Denn es weben sich Teilqualitäten über das Loch hinweg ein, aber nicht ein zusammenhängender, passend zu machender Flicken durch eine einzige Person. Nochmal konkreter: - Kontaktsperre macht Sinn - Alle Begegnungen mit Ex und anderen Frauen vom eigenen Bild her beurteilen: Bin ich "frei" oder besteht noch Sog durch "Loch". Kann ich mich unbefangen annähern, oder will ich noch Lücke füllen. Bin ich bedürftig oder an weiterführenden, veredelnden Impulsen für mein Bild interessiert? - ein "Alpha" trägt ein lückenfreies Bild mit sich herum, das er verfeinern möchte. Er läßt Raum für eine Frau, aber läßt diese nicht einen zu großen Anteil in seinem Bild einnehmen, so daß ohne sie das Bild seine Aussage verlöre. Sie veredelt sein Bild mit ihren eigenen Qualitäten. (Umgekehrt idealerweise genauso). - Pickup um des Pickups Willen hat meines Erachtens damit nicht viel zu tun, weil zu "kurzlebig", um im eigenen Lebensbild relevant zu werden. Ich halte vor dem Hintergrund dieses Gedankenspiels die Haltung für irrig, die "natürliche" menschliche Lebensform wäre das ewige lustige Wechselspiel. Es gibt die Sehnsucht, einen besonderen Nächsten in das eigene Bild zu "lassen". Ist er aber drin, ist das "Loslassen" nicht so einfach, was meiner Ansicht nach auch nichts mit Souveränität zu tun hat. Wir "integrieren" nicht zum Spaß. Das menschliche Gehirn strebt nach Beziehung - und baut auf deren Verläßlichkeit. Denn Verläßlichkeit bedeutet auch Sicherheit. Ob damit nun die traditionelle Ehe gemeint sein könnte, ist eine andere, individuell zu beantwortende Frage. - damit verurteile ich PU überhaupt nicht, im Gegenteil: Es ist das Lernen des Umgangs miteinander, das Entwickeln der eigenen Persönlichkeit im Spiel mit dem anderen Geschlecht. So seh' ich es idealerweise. Das hat nur im Äußeren mit Besamung und Flachlegen zu tun, vom Grund her jedoch mit den ganzen Menschen, die da interagieren. Da ich langsam doch müde werde :), komm' ich nochmal kurz zum Grund meines Posts: Ich glaube eben nicht, daß die Ex durch Zusammenleben uninteressant wurde, sondern dem Heilungsprozeß und seinen Mühen zum Opfer fällt. Durch "Beziehungswiederaufnahme" droht Regression in einen jetzt "veralteten" Zustand, mit der Gefahr, den Bewältigungskraftakt noch einmal auf sich nehmen zu müssen. Da die Lücke wieder geheilt ist, braucht es das Puzzlestück Ex nicht mehr notwendigerweise. Sie muß also "neu" konkurrieren mit anderen Möglichkeiten, sowie das Negativkonto kompensieren, daß sie durch das Verlassen erzeugt hat. Das kann nur gelingen, wenn sie entweder vorab genügend Positivpunkte gesammelt hat, oder wenn sie glaubhaft vermitteln kann, auch das neue, anspruchsvollere Bild noch veredeln zu können, ohne wieder Löcher hineinzubeißen. Das ist eine nicht zu unterschätzende Hypothek. Wie kommt's dazu, daß Exen meist erst realisieren, daß sie zurückwollen, wenn es zu spät ist? Nun: Das Loch beim Verlassenen ist zugewachsen, damit schwindet seine Bedürftigkeit und die Vereinnahmungs- und Hilflosigkeitskomponente. Er ist wieder erstarkt, idealerweise mindestens zu der Größe, die er am Anfang der Beziehung hatte. Das ist attraktiv. Blöderweise bedeutet dies jedoch gleichzeitig, daß er das alte Puzzlestück nicht mehr zur "Vollkommenheit" benötigt, sondern recht entspannt sehen kann, welche Veredelung seinem Bild gut tut. Und damit: Siehe oben: Die Wiedereinstiegshürde liegt plötzlich für die Ex höher als für andere Frauen, denn die haben noch keine Negativerfahrung, keine Verletzung etc. erzeugt. Was auch noch dazugehört: Die sich trennenden beginnen zumeinst frühzeitig, den Noch-Partner aus ihrem Bild zu tilgen. Wenn da nichts eskaliert schaffen sie für sich eine zwar schmerzhafte, doch bewältigbare "Ektomie" des Freundes, da sie das Bild rechtzeitig modifizieren konnten. Häufig haben sie bereits ein Ersatzpuzzlestück paratliegen. Problematisch an letzterem ist, daß ihr Bild sich möglicherweise dann ebenfalls nicht groß entwickelt hat , sondern vielleicht nur ein Neuer bei gleicher Infrastruktur in das vorhandene Loch eingepaßt wird, womit wir wieder den oben erwähnten Flickenteppich haben (Rebound). Schwierig für Verlassende ist außerdem, daß sie einen bewußten Cut machen. Sprich, sie reißen bewußt ein Loch in ihr Bild, bringen bewußt vertrautes und Routinen durcheinander. Idealerweise geht dem ein gut reflektierter Prozeß voraus, so daß das innere Bild vorbereitet ist und vielleicht sogar befreiter weiterleben kann. Oft wird das aber auch ein Gewaltakt sein, ein regelrechter Beziehungskapp, ein -abbruch, der genauso schwer wiegt wie auf Seiten des Verlassenen. Mit einem Unterschied: Der Verlassende muß dies vor sich selbst und seiner Umwelt als gerechtfertige Lösung verkaufen, sprich, das Loch möglichst schnell notdürftig "verputzen", um nicht in Richtung des geExten labil zu werden (was ja trotzdem oft genug geschieht). Sprich, der Verlassende hat oft die gleichen nun obsolet gewordenen Autobahnen im Kopf, auch bei ihm paßt der Ex irgendwie ideal als Puzzlestück: Doch dies darf alles nicht sein, weshalb die Aufarbeitung möglicherweise eher verzerrt oder gar nicht geschieht und eher in Form von Verdrängung stattfindet, sich stützend an zusammengeklaubten Negativerfahrungen, die vor sich selbst und anderen als Begründung herhalten müssen. Es muß schwarz-weiß gezeichnet werden, sonst ist die Entscheidung zu sehr anfechtbar, im Innen wie im Außen. Und das unterbindet gesunde Aufarbeitung. Mit der Zeit balanciert sich dies aus, die polarisierende Fluchttendenz mag zur Ruhe kommen und der Blick zurück wird zulaßbar, insbesondere, wenn vom (gesundeten) Verlassenen kein fluchtverstärkendes Drängen mehr ausgeht. Dann wird der oder die Verlassende wieder zugänglich, nahbar, häufig vielleicht sogar bedürftig, weil der Flicken vom selbstverursachten Loch zwischenzeitlich abgeplatzt sein mag... Der Verlassene ist es aber leider häufig nicht mehr. Soweit meine müden, vielleicht etwas wilden und verwirrten Spindisierereien... Ich hör' jetzt lieber auf und geh' schlafen. Würd' mich aber interessieren, was Ihr dazu meint. Vielleicht fallen mir im Wachzustand noch ein paar weitere Ableitungen ein. Gruß, Tadde