Candygirl

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Alle erstellten Inhalte von Candygirl

  1. Man bleibt so lange in einer destruktiven/lethargischen/selbstbemitleidenden/kindlichen Situation, bis man selbst genug davon hat. Irgendwann wächst dann aus dem Inneren heraus die Kraft, eine Veränderung herbeizuführen. Ich bin noch in oben genannter Situation - wie auch du. Aber wir haben eine Kraft in uns, die alles möglich macht. Wir können alles schaffen, was wir wollen. Vertraue auf dich selbst. Und wenn wir die Kraft in uns entdeckt haben, dann das, was Doc Dingo sagt. Aber warte nicht darauf, suche sie!
  2. Was mir bei dir aufgefallen ist (und genau das spiegelt deine jetzige Frage): Du eröffnest Threads, in denen du Fragen oder Hilfe erbittest, die genau an deinen Problemen rühren. Das sind kluge Fragen, wichtige Fragen, und genau so erhältst du kluge und wichtige Antworten. Anstatt in dem Thread jedoch weiter zu arbeiten, verschwindest du eine Zeit lang, dein Thread schläft ein, bis du mit einem neuen Thread und einer neuen Frage auftauchst. Genau das ist die Sabotage. So versuchst du immer wieder den Berg zu erklimmen, merkst jedoch nicht, wie du immer und immer wieder einen neuen Berg baust. Lass doch einfach einmal einen Thread eine Zeit lang laufen, sieh, wohin er dich führt. Das kann Angst machen, ich weiß. Doch keiner hier will einem etwas Böses. Du kannst dich hier öffnen und die Dinge nach oben kommen lassen. Was auch immer nach oben kommen will. Ich hab dich mittlerweile wirklich sehr lieb gewonnen und wünsche mir so sehr für dich, dass alles für dich gut wird.
  3. Ich glaube, dass du nicht Hass empfindest, sondern Hilflosigkeit. Du hast Erfahrungen gemacht, Dinge beobachtet, gegen die du dich machtlos fühlst. Hass ist leichter auszuhalten als Hilflosigkeit. Diese Gefühle kannst du leichter ertragen, wenn du dir Wissen aneignest. Du kannst dich mit dem Islam auf wissenschaftlicher Ebene beschäftigen, du kannst sowohl islamkritische als auch muslimische, bzw. bekenntnisorientierte Literatur lesen. Hass kommt in Wellen. Mal stärker mal schwächer. Die Hilflosigkeit wird dir aber vielleicht lange bleiben. Irgendwann weicht sie dem Vertrauen in das große Ganze. Dann wird sich Gelassenheit einstellen. Was du gerade fühlst, erfahren viele Menschen, die sich im Angesicht der Flüchtlingswelle mit einer fremden Kultur konfrontiert sehen. Die Gesellschaft wird eines Tages anerkennen müssen, dass auch negative Gefühle der Bevölkerung ihre Berechtigung haben, seien es Ängste oder Wut. Nur so kann dem Hass begegnet werden. Ein Hass-Verbot führt nur zu einem Eskalieren der Gewalt. Ein Leugnen und Unterdrücken der Gefühle wird sich eines Tages gewaltvoll entladen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deine eigene Aufgabe kann sein, dir Wissen anzueignen. Ich kenne den Islam sehr gut. Von innen und von außen. 5 Jahre war ich in einer Beziehung mit einem Muslim und habe für den Verlust dieses geliebten Menschen lange Zeit den Islam verantwortlich gemacht - und gehasst. Ihn und seine Familie habe ich sehr geliebt, aber die Ideologie gehasst, die sie in meinen Augen gefangen hielt. An alle, die hier kommentieren, möchte ich appellieren, dem Thread-Ersteller liebend zu begegnen. Ja, dieses Thema ist polarisierend, aber lasst uns doch jedermanns Gefühle anerkennen und uns gegenseitig liebend begegnen.
  4. Danke auch für dein Feedback, MexWeb. Heute habe ich beinahe schon die Entscheidung gefällt, es nicht zu veröffentlichen. Auch aufgrund einer Rückmeldung meiner Therapeutin. Zugleich wurden meine Gedanken wieder düster, denn irgendwie habe ich das Gefühl, als sei dieses Buch mein Leben lang gewachsen. Darin enthalten sind alte Briefe von mir, Tagebucheinträge, alte Texte und Gedichte, die ich vor so vielen Jahren schrieb und damals nicht verstand. Nun ergeben sie ein Bild für mich. Dieses Buch erscheint mir wie mein Lebenswerk, mein Sinn, den ich hier auf Erden zu verrichten hatte. Mein Dasein im Moment empfinde ich bis auf das Buch als geradezu überflüssig. Ich trage nichts bei, habe keinen Job, weiß auch überhaupt nicht, was ich kann. Zumal mein eigentliches Können, mein Studium, bisher nirgendwo gebraucht wurde. Doch wenn ich es veröffentliche, es aber niemand lesen will, dann gab ich mein Innerstes preis, die tiefsten Schichten meiner Seele, meine grenzenlose Verwundbarkeit, meine klaffenden Wunden, die scheinbar endlos sprudeln wie ein Gebirgsquell. Ich teile euch gerne mit, was meine Therapeutin mir schrieb, nachdem ich sie um Freigabe bat, denn ich fügte viele ihrer Emails an mich ein, so wie auch Sätze, die sie im Lauf der Jahre zu mir sagte. "Liebe Sala, Natürlich kannst Du unsere Korrespondenz einfügen, ich freue mich ja, wenn Du sie so schätzt. Wegen der Veröffentlichung kannst Du ja später immer noch eine Entscheidung treffen, sie läuft Dir nicht weg und vielleicht ist das ein Projekt, das Du erst nach vielen Jahren in Angriff nehmen möchtest, dann, wenn niemand mehr nach Deinen Kindheits- und Jugenderlebnissen fragt, aber Dir selbst es wichtig ist, die Erinnerung daran nicht verblassen zu lassen. Oder der Schmerz in Dir löst sich über die Jahre so komplett auf, dass Du selbst keinerlei Bedürfnis hast, nochmal etwas aufzurütteln. Du wirst es spüren, Sala, was genau Du tun möchtest und das ist dann gut so. Ganz liebe Grüße" Zum Schluss teile ich auch gerne einen Text. Ich schrieb ihn im Jahr 2006 als ich 19 war. Er ist das letzte Kapitel des Buches, eine Art Nachwort. Der Text trägt den Titel: "Ich kann fliegen". Inspiriert hat mich das Lied "Lamb" von Gabriel. Es war einmal ein Mädchen mit langen blonden Haaren und roten Lippen und tulpenweißer Haut. Es war einmal dieses Mädchen mit den langen blonden Haaren und mit Blut an ihren Händen. Dieses Mädchen saß auf einer Wiese, irgendeiner Wiese, an einem Ort den niemand kannte und trank aus einer purpurroten Schale aus Lehm grünen Lotusblütentee. Sie trank diesen Tee und es war ein wunderschöner Sommertag und der Himmel war blauer als jedes blau in deinem Malkasten und die Wolken waren strahlend weiß, weißer als deine frisch gewaschene Wäsche, die du immer über dem Kamin aufhängtest, wie dich selbst eines Tages. Es war warm und auf ihrer weißen Haut glänzten kleine glitzernde Sommertropfen aus Goldstaub, und sie saß auf dieser Wiese und trank ihren Tee und war da und schaute in den Himmel, schaute die Wolken an, und vergaß sich selbst. „Wohin starrst du?“ Fragte der Junge mit den roten Haaren und dem weißen Ball unter dem Arm, und wischte sich mit der Hand die Worte aus dem Mund. Aber das Mädchen bewegte sich kein Stück, senkte nicht einmal die Augenlider, sondern blieb mit ihrem Blick fest an ihren Wolken und ihrem Himmel hängen, als würde da niemand vor ihr stehen und als hätte sie niemand etwas gefragt. Und so verschwand der Junge aus ihrem Leben, verschwand von ihrer Wiese durch den Wald und schließlich durch die Wasserpfützen auf dem Weg aus ihrem Nirgendwo. „Wer bist du?“ Fragte eine Frau mit faltiger Haut und einem braunen Zotteldackel an der Leine und schmierte dabei mit rosa Chanelllippenstift einen Kussmund auf ihre Wange. Aber das Mädchen regte sich für keinen Moment und hielt ihren Blick weiter auf den Himmel mit den weißen Wolken. Und so verschwand die Frau mit der faltigen Haut und dem Zotteldackel aus ihrem Nirgendwo und kam nie mehr zurück. „Wer bin ich?“ Fragte das Mädchen mit den langen blonden Haaren und Tränen liefen über ihre Wangen. „Was ist aus mir geworden und wer bin ich gewesen?“ Fragte dieses Mädchen und sie begann zu schreien und zu weinen und wie wild um sich zu schlagen, solange bis ein großer Mann herbei gelaufen kam und fragte: „Warum schweigst du so laut und wieso ist Blut an deinen Händen?“ Aber als er diese Worte ausgesprochen hatte, da setzte sich das Mädchen wieder auf die Erde nieder und trank aus ihrer purpurroten Schale aus Lehm einen Schluck Lotusblütentee und begann wieder in den Himmel mit den weißen Wolken zu starren. Sie regte sich kein Stück, nicht einmal ihr Atem war zu hören, und sie senkte nicht einmal ihren Blick oder ihre Wimpern von ihrem Himmel, als der Mann über den Berg hinfort war und das Ortsschild, auf dem Nirgendwo stand, weit hinter sich zurück ließ, sie bewegte sich nicht einmal dann, als der Mann schon lange aus ihrem Nirgendwo verschwunden war. Es war sehr warm an diesem Tag, und ihre Tränen trockneten schnell und hinterließen klebrige Spuren aus Salz auf ihren Wangen und auf diesen Spuren blieb der vorbei fliegende Blütenstaub kleben und zeichnete gelbe Linien auf ihre Wangen. Aber sie bewegte sich kein Stück, senkte kein einziges Mal ihre Augen und schlug auch kein einziges Mal ihre Wimpern nieder, nichts an ihr bewegte sich und selbst ihre langen blonden Haare regten sich kein Stück im vorbei fliegenden Wind. Alles blieb still und reglos, still und reglos wie der blaue Himmel und die weißen Wolken, auf die sie starrte, auf die sie starrte, als wäre sie da oben oder als könne sie hinauf fliegen, wenn sie nur lange genug ihren Blick auf den Himmel und die Wolken richtete. „Warum weinst du?“ Fragte ein kleines trauriges Mädchen mit einer toten Katze auf dem Arm und einem schmutzigen und von Dornensträuchern zerrissenem, weißen Sommerkleid. Sie stand da, vor dem Mädchen mit den langen blonden Haaren, das sie nicht kommen gesehen hatte, aber jetzt ganz deutlich aus ihren Augenwinkeln sehen konnte wie das kleine Mädchen da vor ihr stand, barfuß und traurig, mit schmutzigen Füßen und einer grauen, toten Katze auf dem Arm, mit einem zerrissenen Sommerkleid und traurigen Augen und traurigen Mundwinkeln und einem traurigen, kleinen Gesicht. Das Mädchen mit den langen blonden Haaren regte sich kein Stück und senkte auch nicht ihre Augenlider, aber sie sah das kleine Mädchen ganz klar aus ihren Augenwinkeln und ließ es nicht mehr los, sah ihre schmutzigen Füße, ihre traurigen Augen und die tote Katze auf ihrem Arm, und da begannen Tränen über ihre Wangen zu laufen, erst langsam und zögerlich, weil sie diese Tränen nicht weinen wollte und sie zurückhielt, aber es wurden immer mehr und ihre Kehle schmerzte immer mehr vom Zurückhalten der Tränen und vom Hinaufstarren in den Himmel mit ihren Wolken und so musste sie sie loslassen und sie begann bitterlich zu weinen, so viele Tränen, dass ihr ganzes Gesicht zu einem Fluss aus Tränen wurde und die gelben Linien auf ihren Wangen hinfort spülten. Die Tränen fielen aus ihren Augen und liefen glänzend und glitzernd im Schein der Sonne über ihre Wangen bis zu ihren Wangenknochen und ihrem Kinn, wo sie hinabstürzten und auf die Erde fielen, und mit ihnen senkte sich der Blick des Mädchens vom Himmel und den Wolken nieder auf die Erde und sie sah zum ersten Mal, wo sie sich befand, wo sie all die Jahre gewesen war und was sie all die Jahre getan hatte, und da hob sie ihr Gesicht und erhob ihre Augenlider und blickte auf das kleine traurige Mädchen mit der toten Katze auf dem Arm, sie sah sie an, und erhob sich von der Erde, nahm die Hand des kleinen Mädchens und sagte: „Ich kann fliegen.“ Und nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, da ging sie mit dem kleinen Mädchen an der Hand über die Wiese, durch den Wald und über den Berg, durch die Wasserpfützen auf dem Weg aus dem Nirgendwo, und sie gingen bis zum Ende des Weges, vorbei an dem Ortsschild, auf dem Nirgendwo stand, und kamen nie mehr zurück. Ich kann fliegen (Juni 2006) Ich werde jetzt zu meinem Freund fahren und seine Nähe genießen. Ihn küssen und die Nacht mit ihm verbringen. Welch unendliche Freude ich empfinden darf, ihn zu haben. Wie unendlich dankbar ich bin, für dieses Glück. Ich wünsche auch euch einen freudvollen Abend und eine magische Nacht.
  5. saian, das ist sehr großzügig und lieb von dir. Aber ich kann und werde dein Angebot nicht annehmen. Ich bin wirklich unschlüssig. Werde mir das Buch nun erst einmal selber über das Internet bestellen, irgendwann lesen und dann entscheiden. Es läuft mir ja nicht weg. Meine Zweifel rühren vor allem daher, dass ich meine Familie schützen will. Trotz allem liebe ich sie sehr und auch wenn ich sie nicht um mich haben will, möchte ich nicht, dass sie auf irgendeine Weise verletzt werden. Ein Sturm hat vor kurzem das Haus meiner Eltern unter Wasser gesetzt, den Garten vollständig verwüstet. Mein Vater hat sich bei der Arbeit einen Finger gebrochen. Die Dinge sind nicht beständig und ich sehe auch wie meine Eltern älter werden, gebrechlicher, und sie werden eines Tages sterben. Niemals werden sie auch nur ansatzweise begreifen, was sie uns angetan haben. Aber das ist in Ordnung. Sie sollen ihren Lebensabend in Freude verbringen, das wünsche ich ihnen. Ich konzentriere mich jetzt wieder auf die Jobsuche. Schwermütig bin ich nach wie vor. Vor allem, weil sich meine Achillessehnen entzündet haben und ich längere Zeit keinen Sport machen kann. Aber ich bin mir sicher, dass sich alles fügen wird. Wird schon.
  6. Das Buch ist nun fertig. Der letzte Schliff am Format fehlt noch, ansonsten ist es mehrfach Korrektur gelesen. Es ist schön geworden. Vielleicht etwas lang. Ca. 390 Seiten. Aber was jetzt? Was mache ich nun damit? In meinem Kopf geht es hin und her, ob ich es veröffentlichen soll oder nicht. Kann mir jemand einen Rat geben? Es ist so unendlich intim, aber auf der anderen Seite liegt es fertig vor mir und wartet darauf, gelesen zu werden. Ich könnte es, wie voriges Jahr, einfach wieder wegschließen und vergessen. Aber weshalb dann diese ganze Arbeit? Hm. Ich habe absolut keine Ahnung. Vielleicht steckt hinter meinem Wunsch es zu veröffentlichen, die Hoffnung, dass das Buch mich retten möge. Aber vielleicht würde es das nicht. Was mache ich jetzt?
  7. Den Text von Doc Dingo über das Unterbewusstsein muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wirklich sehr lehrreich! Stone Cold, wir sind uns, glaube ich, gar nicht so unähnlich. Ich war auch kalt und scheu und ich weiß, wie sehr man ab einem bestimmten Punkt darunter leidet. Wenn du aber erst einmal dein Unterbewusstsein erkannt hast, dann kannst du es Schritt für Schritt mit bewussten Entscheidungen verändern. Das ist Arbeit und zum Teil anstrengend, aber es kann auch sehr viel Spaß machen, wenn du das Leben ein bisschen weniger ernst nimmst.
  8. Ich war schon einmal auf so einer Insel. In der vollkommenen Einsamkeit. Völlig allein ohne eine Menschenseele. Es war kein physischer Ort, sondern ein Zustand in meinem Kopf. Ich will da niemals wieder hin. Ich verstehe auch nicht ganz, weshalb du mir das vorschlägst. Ich habe Liebe und tiefe Beziehungen in meinem Leben. So, und jetzt werde ich mich dem Kapitel mit dem Titel "Leben in der Hölle" widmen. Ich habe ein paar neue Erinnerungen, die eingearbeitet werden müssen. Das Dokument ist seit heute morgen geöffnet und ich habe bisher nur die ersten 3 Sätze geschafft.
  9. Du kannst Konversation NOCH nicht. Das kannst du lernen. Ich war früher quasi stumm und habe mich nie an Gesprächen beteiligt. Hatte vollständige Stotter-Blockaden. Mittlerweile rede ich oft wie ein Wasserfall und schnacke mit jedem über alles. Aber nicht immer. Es gibt auch wieder Stotter-Tage. Mit meinem Beispiel will ich dir nur zeigen, dass das alles möglich ist. Es braucht nur Übung.
  10. Was für ein schöner Text, Doc Dingo. Du haust Sachen raus, da finde ich immer was für mich. Und dann so strukturiert, sehr nice.
  11. Exakt. Wo auch immer man hingeht, man nimmt sich selbst mit. Eine Freundin sagte vor ein paar Monaten: Andere Koordinaten ändern dich nicht. Außerdem bin ich gerne umgeben von Menschen. Es macht mich glücklich, manchmal einfach nur zu beobachten, was um mich geschieht. Da ist das Liebespaar, das sich zärtlich in die Augen sieht, die Großmutter mit ihrem kleinen Enkel an der Hand, die Schwangere, die sanft ihre Hand auf den Kugelbauch legt, die Frau, die sich am Bus mit einer innigen Umarmung von ihrer Freundin verabschiedet, die Mutter, die ihr Baby aus dem Kinderwagen hebt. So viel Liebe in der Welt. So viel. Überall. Man muss nur einmal zum Bahnhof fahren und die Abschiedsszenen auf sich wirken lassen. Eine Atmosphäre der Sehnsucht, des Begehrens, des Schmerzes, der Liebe, des Loslassens... Nein, eine Insel ist in keinster Weise eine Option ;)
  12. Eigentlich wollte ich schon längst schlafen, aber manchmal treibt mich nachts etwas umher. Ich habe viel an dem Buch gearbeitet, aber vor den Kapiteln mit meinen Tagebucheinträgen drücke ich mich. Vor den Erinnerungen. Stattdessen sitze ich vorm Laptop und betäube mich anderweitig. Ich muss noch einmal durch diese Kapitel durch. Sie fühlen. In den letzten Tagen habe ich hin und wieder geweint. Nur ein paar Tränen. Ein, zwei. Als ich ein schönes Klavierstück hörte. Nebenbei. Und auch ganz nebenbei liefen die Tränen über meine Wangen. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie sie in meinen Augen entstanden waren und heraus fielen, erst als sie kühl über meine warmen Wangen liefen, da bin ich auf sie aufmerksam geworden. Ich liebe Tränen. Sie sind so reinigend. Früher konnte ich nie weinen. Es hat so lange gedauert, bis ich meine Tränen fand und auch jetzt noch sind sie mir unendlich kostbar. Ich habe überlegt, dass ich mich hin und wieder - wie beim Yoga - auf die Matte auf meinem Wohnzimmerboden setze, Klaviermusik höre, in meine Erinnerungen gehe und weine. Dann würde endlich das Betäuben aufhören. Dann würde ich endlich aufhören, wegzulaufen. Ich würde mich einfach hinsetzen und mich hingeben. Das jahrelange Davonlaufen hat mich so müde gemacht. Das alles hat mich so müde gemacht. Heute Vormittag, als ich mit dem Bus zum Rothenbaum zur Swatch World Tour fuhr und ich mich so unendlich schwer und müde fühlte, da wurde mir bewusst, wie stark ich früher gewesen sein musste, das alles durchzustehen. Das alles von mir fernzuhalten. Das alles zu überleben. Wenn ich früher so stark war, dann bin ich es auch jetzt. Es wird schon. Jeden einzelnen Tag einen Schritt weitergehen. Es wird schon. Wisst ihr, immer wenn ich einen Erinnerungsfetzen habe und zulasse, dass er größer wird, dann ist es wie ein innerer Feuerball oder eine brennende Kugel aus Eisen, die sich in mir ausdehnt, je mehr ich von der Erinnerung zulasse. Eine Kugel aus Schmerz und Zerstörung. Heute Nacht begleitet mich "Eyes Closed and Traveling" von Peter Broderick. So schön ruhig und traurig. Auf dass meine Augen sich nun öffnen mögen, auf meiner Reise der Heilung. Denn mein Leben ist einzig und allein eine Reise der Heilung.
  13. Eine andere Sache ist mir beim Lesen deines Textes noch klar geworden, aber das geht sehr tief. Was du im Außen siehst, ist nur ein Spiegel deiner Selbst. Wenn die Menschen dich nicht mögen, dann magst du dich selbst nicht. Wenn du zu anderen kalt und distanziert bist, dann bist du es auch zu dir selbst. Wenn du für andere kein Lächeln hast, dann hast du auch keines für dich. Wenn dein Spiegelbild nicht lächelt, dann lächelt niemand. Sich zu fragen, warum man so ist, wo das alles herkommt, kann sehr schmerzhafte Antworten geben. Es gilt immer, sich zuerst die Welt anzuschauen, sie als Spiegel zu erkennen, um sich schließlich selbst zu sehen. Wenn man sich selbst sieht, fängt das Fühlen an, was zuweilen sehr, sehr schmerzhaft sein kann. Aber auch diese Reise lohnt sich: Denn wer die Tiefe des Schmerzes erfahren hat, wird in eben demselben Maße Freude empfinden können. Schau nicht nur in den Spiegel, sondern erkenne den Spiegel...
  14. Stone Cold, es rührt mich, was du über mich schreibst. Es ist schön zu lesen, dass du schreibst, man könne mich gar nicht nicht mögen. Ja, jetzt zeige ich mich sehr verletzlich, gleichzeitig voller Lebensfreude und Lebensmut und eigentlich mögen mich alle Menschen, die ich treffe. Es war aber nicht immer so. Bis zum Weggang aus meiner Studienstadt bin ich immer wieder in Mobbing-Situationen geraten. Immer wieder. Immer und immer wieder. Niemand mochte mich. Nachdem ich nach Hamburg gezogen war, wusste ich, dass ich vor diesen Mobbing-Attacken nicht weglaufen konnte, weil der Grund dafür ich selbst war. Ich habe mich gefragt: "Warum passiert mir das immer wieder?" Und da bekam ich die Antwort: Weil ich verschlossen und distanziert war. Weil ich niemanden an mich heranließ. Weil ich verbarg, dass ich Stotterin bin und das Verbergen machte mich komisch. Seitdem ich mich offen und verletzlich zeige, hat es mich seltsamerweise auch selbstbewusster gemacht. Ich habe jetzt die innere Einstellung: "Ja, ich stottere, das ist ein Defizit, aber ich habe das Recht, so viel Raum und Zeit in Anspruch zu nehmen, wie ich eben brauche. Und du hast mir diesen Raum zu geben. So wie auch ich ihn dir gebe." Die Haltung dahinter ist: "Ich bin okay. Du bist okay." In mir drin war schon immer ein Teil, der einfach nur fröhlich ist, ohne nachzudenken, einfach nur sonnig, herzlich, offen, voller Freude. Dieser Teil war lange verborgen. Seitdem ich hier in Hamburg die Reise in meine Seele gestartet habe, blüht er immer weiter auf und zeigt sich. Neben meiner melancholischen, traurigen Seite. Da ist beides in mir. Und das ist in Ordnung. Ich frage dich: Welche Teile sind in dir? Was siehst du, wenn du in dich hineinschaust? Und dann frage ich dich: Was und wie möchtest du gerne sein? Was und wie möchtest du tief in deinem Herzen wirklich sein? Falle hier nicht auf dein Ego herein... Finde dein Herz dahinter... Warum bist du anderen gegenüber distanziert und kalt? Ist das bei jedem anderen so oder nur bei bestimmten Menschen? Hast du Angst, verletzt zu werden, wenn du dich zeigst? In Kontakt trittst? Das mit dem Lächeln kann man gut üben: Du kannst morgens mit der Verkäuferin beim Bäcker scherzen. Und sag mir nicht, dass dir so was schwer fällt, denn zum Teufel, sogar ich hab so geübt und ich stottere ;) (Ja, das Argument bring ich echt gerne hahahahaha) Du kannst auch dem Busfahrer noch einen schönen Tag wünschen, oder ihm an einem Sonntag ein Raffaelo schenken und ihm danken, dass er uns an einem Sonntag durch die Gegend kutschiert, oder der Kellnerin 2 Euro Trinkgeld geben für einen 2,50 Kaffee, einfach so, ohne Gegenleistung. Oder lächle in der Bahn ein Kind an und freu dich, wenn es zurücklächelt. Oder hör einmal genau hin, wie der Wind sich anhört, wenn er durch die Blätter der Bäume wirbelt (Das ist wirklich ein Lächeln wert). Es gibt so unendlich viel. So unendlich viel und es sind die kleinen Dinge, die in der Summe einen glücklichen und zufriedenen Menschen aus dir machen. Ich habe grad keinen Job, Selbstzweifel quälen mich oft und ich trage das Päckchen meiner Vergangenheit. Aber wenn die Sonne auf mein Gesicht scheint, ich draußen beim Sport bin oder schreiben kann, dann weiß ich, dass es sich gelohnt hat, dass ich vor so langer Zeit nicht aufgegeben habe. Und dass es sich jeden weiteren Tag lohnen wird, zu leben. Was auch immer geschieht. Gibt es denn irgendetwas, das dir Spaß bereitet? Hast du schon eine Sportart gefunden, die dir gefällt? Ich habe deinen Thread vermisst, in dem du dir einen SC aufbauen wolltest. Ich hatte gehofft, dass ich dich mit dem Thread auf deiner Entwicklungsreise begleiten darf. Aber der Thread ist eingeschlafen und ich hatte das Gefühl, dass du dich innerlich zurückgezogen hast. Das ist auch in Ordnung. Solche Phasen sind absolut in Ordnung. Willst du denn jetzt aus dir heraus in die Welt dort draußen gehen? Ich begleite dich sehr gerne, wenn du das möchtest. Hand in Hand, Stone Cold, mein Freund, denn dann sind wir niemals alleine :) Das Glück sind die kleinen Dinge. Aber sie kommen nicht von alleine. Das ist aktive Arbeit. Ein Bewusstsein in dir dafür zu schaffen. Sie zu erkennen, die kleinen Glücksaugenblicke, die dann wie ein Blütenblatt vor dir auf den Asphalt fallen. Glück ist Arbeit. ich habe immer mal wieder ein Problem mit dem Rauchen. Und vor ein paar Tagen habe ich meine letzten Zigaretten zerbrochen und sagte zu mir: "Ja, das wäre so leicht, dich damit zu betäuben. Aber die Zigaretten werden dich nicht glücklich machen. Sie werden dich zerstören. Yoga und Volleyball, Freunde treffen und in die Sonne gehen, eine Bewerbung schreiben und dich um dich selbst kümmern, das mag zwar alles anstrengend sein, aber das wird dich glücklich machen. Die Zigaretten nicht." Solche bewussten Entscheidungen kosten viel Willenskraft. Es ist verdammt schwer. Aber wenn ich das schaffe, dann schaffst du es auch. Ich glaube, dass du dir in deinem Leben ein paar Dinge erschaffen musst, die dir einen Grund zum Lächeln geben. Manche Aktivitäten machen so viel Spaß, dass man gar nicht anders kann. Und dieses Lächeln trägt man dann auch im Alltag mit sich. Es ist wie inneres gekitzelt werden. Ich wünsche dir, dass du so etwas findest. Etwas, das dich kitzelt. Und irgendwie hätte ich Lust, mit dir mal am Elbstrand zu sitzen, eine Rhabarberschorle zu trinken und uns gegenseitig Witze zu erzählen. Ich bin die schlechteste Witze-Erzählerin der Welt und wenn ich etwas Witziges sagen will, dann lach ich mich selbst schon immer kaputt, bevor ich meinen Satz vollendet habe. Und von dir habe ich das Gefühl, dass du am Anfang ganz grimmig wärst, doch je länger wir zusammen säßen, desto mehr würde deine grimmige Mimik sich lösen, zuerst nur ganz leicht, dann immer mehr, und irgendwann wäre ein kleines Lächeln auf deinen Lippen, bis du dich irgendwann loslöst, von allem, von deinen eigenen Gedanken, die dich gefangen halten, und du schließlich aus ganzem Herzen lachen kannst. Vielleicht über einen deiner eigenen Witze, denn ich kann ja keine erzählen ;)
  15. Die Arbeit geht gut voran. Das Gerüst steht nun endgültig. Noch ein bisschen an der Kapitelaufteilung rumschrauben und dann werde ich es Korrektur lesen und ein letztes Mal stilistisch überarbeiten. Es ist zwar anstrengend und meine Augen sind am Ende des Tages sehr erschöpft, aber es macht auch Spaß. Ich zerbreche mir jetzt nicht mehr groß den Kopf darüber, was geschieht, wenn es fertig ist. Es passiert ohnehin immer das, was passieren soll. Übrigens hat sich mein Essverhalten deutlich gebessert: Ich schreibe doch zuhause und nicht in der Bibliothek oder in einem Cafe und trotzdem esse ich relativ normal. Ich hatte schon lange keine Fressflashs mehr und ernähre mich fast nur gesund. Heute habe ich ein paar Süßigkeiten gegessen, aber in einem gesunden Maß. Ich muss mich nicht mehr mit Essen betäuben. Genau das passiert, glaube ich, gerade. Ich kann meine Tagebücher lesen, das Buch, und es reißt mir nicht mehr den Boden unter den Füßen weg. Heilung ist ein Prozess. Bewusste Entscheidungen, die man jeden Tag aufs Neue fällt. Vielleicht finde ich so meinen Frieden, auch wenn es nicht jeden Tag perfekt läuft. Ich spüre aber, wie sich mein Leben gerade wieder aufhellt, nachdem düstere Wolken meinen Himmel bedeckt hatten. Ich habe mich in meine Erinnerungen hineingeschrieben und genauso werde ich mich aus dem Elend hinausschreiben. Jeder Tag ist ein neuer Anfang. Ein neues Kapitel. In meiner ganz eigenen, kleinen Geschichte.
  16. Danke dir, RapidChair. Nein, ich kiffe nicht mehr. Seit Silvester besitze ich kein Gras mehr, denn ich wusste, dass ich in meiner Arbeitslosigkeit sonst gar nichts mehr auf die Reihe bekommen hätte. Vor etwa einem Monat habe ich mit dem Cousin meines Freundes einen Joint geraucht - mein Freund kifft im Moment gar nicht - aber es hat an dem Abend einfach gut gepasst. Wir waren den ganzen Samstag in der Sonne, haben Sport gemacht, gechillt, abends auf dem Balkon Salat mit Pute gegessen und im Anschluss gekifft und Film geschaut. Mittlerweile kann ich es genießen und zelebrieren. Und ich brauche es nicht mehr. Gestern habe ich den ganzen Tag geschrieben, gearbeitet und abends bin ich zum Yoga gegangen, um zur Ruhe zu kommen, mich nur zu spüren. Ich werde das Buch schreiben und gleichzeitig nach einem einfachen Bürojob Ausschau halten. Ich habe den Gedanken losgelassen, dass ich eine bedeutende Stelle brauche. Ich werde demütig und nehme mit Freude an, was mir bestimmt ist. Dass das, was ich schreibe, gut ankommt, streichelt meine Seele, dennoch habe ich sehr starke Zweifel. Gestern habe ich den ganzen Thread hier durchgelesen und fragte mich immer wieder, weshalb ihr meine Posts gerne lest... Ich denke so negativ über mich selbst und gleichzeitig bäume ich mich dagegen auf, wenn man Negatives zu mir sagt. Da ist dieser Kampf in mir, dieses "Ich bin wertvoll und eure Worte sind nicht wahr" sowie aber auch "Ihr habt Recht, ich kann nichts und ich bin nichts." In meiner Kindheit schwankte ich immer zwischen diesen beiden Polen. Gleichzeitig zweifle ich so sehr, ob das, was ich erlebt habe, wirklich so schlimm war, oder ob ich es nur so empfinde. Dann frage ich mich, ob ich diese Empfindung in das Buch transportieren kann, ob es mir gelingt, ein höhnisches Lachen, einen verächtlichen Blick, eine ironische Intonation und die ganzen passiv-aggressiven Verhaltensweisen für andere nachvollziehbar beschreiben kann. Ich habe das Gefühl in der Hölle gelebt zu haben, aber wenn ich es beschreiben soll, denke ich nur: Eigentlich ist ja gar nichts passiert. Wenn sie mich nur richtig verprügelt hätten, in den Keller gesperrt oder mich beinahe verhungern hätten lassen. Dann gäbe es Beweise. Eindeutige. Dann würden die Menschen verstehen und sagen: Oh du Arme. So aber muss man so unendlich viel erklären und beschreiben und mit jedem Wort werden die Zweifel in mir selbst wieder größer. Habe ich mir das alles nur eingebildet? In meinen klaren Momenten weiß ich, dass mir schreckliche Gewalt widerfahren ist. Aber die Zweifel kommen immer wieder. Nachdem ich 2009 mit Hilfe meiner Therapeutin den Missbrauch erkannt hatte, besuchte ich den Beratungslehrer in meiner alten Schule, der mich auf ein Internat geschickt hatte. Mit seiner Hilfe hoffte ich, meine Erinnerungen wieder zu bekommen. Ich war so aufgewühlt, dass mir vor ihm herausplatzte, dass ich missbraucht worden sei. Er sah mich ungläubig an und sagte: Was sagt denn deine Therapeutin dazu? Und was sagen deine Geschwister dazu? Meine Stimme war tränenerstickt und ich konnte nicht weiter mit ihm sprechen. Abends brach ich zusammen und schrieb meiner Therapeutin eine Email: X., bin ich doch verrückt? Habe ich doch alles nur erfunden? Ich war heute bei Herrn XX vom XXX. Ich wollte, dass er mir hilft meine Erinnerung wieder zu bekommen. Er hat mir nicht geglaubt. Er hat Andeutungen gemacht, dass ich es erfinde. Er hat mich gefragt: Was sagen denn deine Geschwister dazu? Was sagt denn Frau X dazu? Es hat sich alles um mich gedreht. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Bin ich doch verrückt? Ich bin verzweifelt. Es sind so schreckliche Dinge passiert. Ich ertrag es kaum noch. Bitte sag mir die Wahrheit. Sala, beruhige Dich! Welche Dinge sind denn passiert? Und was will Dir Herr XX nicht glauben? Ich war heute bei Herrn XX, es ist ziemlich viel ziemlich schnell aus mir heraus geplatzt, dass ich seelisch missbraucht wurde, er war meine letzte Hoffnung dass mir jemand glaubt. ich krieg keine Luft mehr. Ich habe viel getrunken die letzten Tage. Du darfst nicht vergessen, dass Herr XX davon nichts weiß, weil Deine Mutter sich während Deiner Schulzeit sehr gut als die gute Mutter präsentieren konnte. Und Dein Vater mit seiner ruhigen und souveränen Art kann diesen Eindruck sogar noch mehr verstärken. Was aber wirklich abgelaufen ist, das kriegen Lehrer ja nicht mit, Sala. Wie denn auch? Ich kenne Deine Familiengeschichte schon sehr lange und weiß deshalb um den schlimmen Umgang, die entwürdigenden Szenen und Botschaften an Euch Kinder und auch um die Vernachlässigung im emotionalen und physischen Bereich in Euerer Familie, da ich ja auch Deine Eltern immer wieder in meiner Praxis hatte. Glaube an Dich selbst, Sala, dann bist Du nicht mehr von der Meinung und vom Wissen oder Unwissen anderer Menschen abhängig! Es war so schrecklich, das Gespräch mit ihm. Ich habe ihn immer als den Engel idealisiert, der mich gerettet hat. Ich kann mich nur so ungenau erinnern, ich hatte so große Angst, dass ich mir alles einbilde. Es sind viele Dinge passiert, die letzten Tage und heute ist alles zusammengekommen. Aber das erzähle ich dir am Donnerstag. Ich glaube, ich habe mich jetzt beruhigt. Gut, Sala, ich weiß, dass Du als so feinfühliger Mensch immer wieder auch an Deine Grenzen kommen wirst, aber Du bist auch sehr stark und lernst immer weiter. Ich freue mich auf Dich! Gute Nacht, X Danke, X. Ich glaube, heute war ich an meiner Grenze. Bis Donnerstag, Gute Nacht . . . Es wird schon. Mit Mut voran. Vor einem Jahr wollte ich unbedingt, dass dieses Buch veröffentlicht wird, damit "die Welt sich diesem dunklen Kapitel stellen könne". Aber es ist nicht die Welt, die sich stellen muss. Ich bin es selbst. Meine Welt. Meine innere Welt.
  17. Ich bin seit zwei Stunden wach, habe gefrühstückt, meinen Freund mit einem Kuss verabschiedet und stimme mich gerade gedanklich aufs Schreiben ein. Es dauert immer eine Weile in den Fluss zu kommen. Letztes Jahr habe ich mir mechanisch die Dinge von der Seele geschrieben, jetzt aber geht es darum, das Ganze schön aufzubereiten. Es muss ja auch irgendwie spannend und angenehm zu lesen sein. Wieder kommen diese Fragen: Was mache ich, wenn es fertig ist? Sollte ich nicht lieber meine Energie für die Jobsuche nutzen? Ist es wirklich sinnvoll, dieses Buch zu schreiben? Fragen, Fragen, Fragen. Wird irgendjemand das überhaupt lesen wollen? Schreibe ich es überhaupt für die Veröffentlichung? Das sind meine Zweifel. Anstatt mir den Kopf darüber zu zermartern, will ich jetzt einfach beginnen. Ich hatte eine wunderschöne Nacht, in den Armen meines Freundes. Mit dieser Liebe im Herzen will ich mich nun an die Arbeit machen. Auch euch einen schönen Tag, bei dem die Liebe in euch in all eure Tätigkeiten strömen soll.
  18. Den ganzen Tag schon arbeite ich an dem Manuskript. Die Kapitel habe ich umgestellt und mit Hilfe meiner Postings in diesem Thread einen Rahmen geschaffen, ein Stützgerüst, welches die Geschichte trägt. Dieses Mal wird es wirklich ein Buch. Ich sehe es vor meinem inneren Auge. Ich habe mir den gesamten Thread noch einmal durchgelesen und so viel verstanden. Nachdem ich letztes Jahr meine Erinnerungen niedergeschrieben hatte, war ich ein Zeit lang wie high und gleichzeitig betäubt. Ich dachte, mit dem Schreiben sei das alles für immer aus mir draußen. Doch abermals packte ich das Geschriebene in eine Kiste, welche ich verschloss und in meinem Schrank verstaute. Die Erinnerungen vergaß ich wieder. Die Monate danach lebte ich gedankenlos vor mich hin, in dem Glauben, nun endlich meinen Frieden gefunden zu haben. Dem war nicht so. Es holte mich ein. Ich kiffte viel, hatte düstere Gedanken und litt still vor mich hin. Die letzten vier Monate habe ich mich unfähig und gelähmt treiben lassen und gemerkt, dass ich ganz und gar nicht erlöst bin. Vier Monate hat es gedauert, bis ich mich wieder bewusst meiner inneren Schmerzen zuwandte. Ich weiß nicht, ob ich jetzt - da ich das Buch endgültig fertig stellen will - den richtigen Weg gehe. Ich weiß es nicht. Alles was ich tun kann, ist zu vertrauen. Dass sich alles fügen wird. Dass alles aus einem bestimmten Grund passiert. Rückblickend wurde ich durch so viele Klippen gelenkt, ohne dass mein kleines Boot gesunken ist. So düster meine Situation im Moment auch sein mag, ich weiß um diese unendlich liebevolle Macht in der Welt, welche uns lenkt und welche uns immer wieder auf die Beine stellt. Wie es weitergeht, soll mich nicht belasten. Nur das Jetzt entscheidet. Und im Jetzt schreibe ich. Das Schreiben erfüllt mich und das ist alles, was zählt. Ich schreibe das hier eigentlich auch nur, um meinen Kopf etwas zu erfrischen. So viele hier haben mir Mut gemacht, dieses Buch zu schreiben. Meine Gabe - das Wort - zu nutzen. Die Zweifel verschwinden immer mehr und ich vertraue meiner Gabe. So schwer die Zeiten auch sind, so lange meine Füße mich tragen, werde ich weitergehen. Immer schon. Mit 16 saß ich weinend im Zimmer der Schuldirektorin, nachdem ich einen Streit mit einer Lehrerin hatte. Es war meine zweite Woche auf dem Internat. Am Wochenende zuvor hatte ich meine Eltern angefleht, mich wieder nach Hause zu holen, mich nicht wieder wegzuschicken. Ich versprach, mich zu bessern. Mein Vater schrie mich an: "Checkst du es immer noch nicht, dass wir dich zuhause nicht mehr haben wollen? Und jetzt hör endlich auf zu heulen." Ich konnte nicht und legte mich auf die Rückbank des Autos, ohne mich anzuschnallen, hielt meinen Bauch fest umfasst mit meinen Armen, denn mein Inneres war auseinander gerissen. Die ganze Fahrt über beachteten sie mein Schluchzen nicht mehr. Meine Schmerzen. Die Direktorin hörte mein tränenverwaschenes Erzählen, schenkte mir im Anschluss ein kleines Büchlein mit Aphorismen, wünschte mir viel Kraft und schickte mich ins Internat zurück. Aus dem Büchlein schnitt ich mir hinterher einen Spruch aus, ein kleines Kärtchen, welches ich so aufbewahrte, dass ich es jeden Tag sehen konnte. Ich besitze es bis heute noch: Und wenn du denkst es wird mit dir nie wieder gut, dann verwandelt Gott die Angst in Mut. Gewünscht hätte ich mir, dass sie mich befreit. Dass sie mir hilft. Aber manchmal bekommt man nicht, was man sich wünscht, sondern das, was man braucht. Dieses Kärtchen war alles, was ich an diesem Tag zum Überleben brauchte. Ich will leben und ich werde meinen Weg in diesem Leben finden. Was auch immer kommt, was auch immer geschieht. Nur Mut, Candygirl. Nur Mut. Auf dem Internat konnte ich nach ein paar Monaten zum ersten Mal seit einer langen Zeit wieder lachen: Ich freundete mich mit zwei Mädchen in meinem Alter an, die beide ziemlich verrückt waren. Während ich mit der Einen auf einer Mauer am Fluss saß, klaute die Andere einem kleinen Jungen das Fahrrad und fuhr in Kreisen um ihn herum, ohne ihm die Chance zu geben, sie zu schnappen. Wir lachten uns schlapp und ich war einfach nur ein ganz normales Mädchen, welches Schabernack trieb. So schuldig und schlecht ich mich durch das Abschieben in ein Internat auch fühlte, es war im Nachhinein die einzige Möglichkeit zu überleben. Dort gab es niemanden, der mich für mein bloßes Sein angriff und bestrafte. Es wird sich schon alles fügen. Ich vertraue. Danke, dass ihr mir Mut gebt. Eine Sache bin ich nun auch bereit, euch zu erzählen: Ich schrieb, dass ich meinen Eltern gesagt hatte, dass ich mich bessern wolle. Ich schrieb, dass ich mich schuldig fühlte. Und in einem anderen Post schrieb ich, dass ich Schuld auf mich geladen hätte, aber noch nicht bereit sei, euch Genaueres mitzuteilen. Das, was meine Eltern getan haben, war nicht sichtbar. Sie haben mich gelegentlich geschlagen oder geschüttelt, aber nicht oft. Das was sie taten, war unsichtbar. Sie ignorierten mich, verweigerten die Kommunikation oder aber sie sprachen nur Schlechtes von und über mich und mit mir. Für sie war ich verdorben und schlecht, böse und nicht liebenswert. Wenn sie mit mir sprachen, machten sie mir (und auch meinen Geschwistern) nur Vorwürfe. Alles, was ich jemals sagte, wurde gegen mich verwendet. Aber ich brauchte sie ja. Ich war so jung. Ich musste immer wieder Hilfe bei ihnen suchen oder sie um etwas bitten. Es geschah zum ersten Mal, als ich 15 war. Es war ein warmer Sommertag und ich bat sie, mich zu einer Freundin zu fahren. Sie lagen auf den Liegestühlen auf der Terrasse und ignorierten mich. Als ich nicht aufhörte zu flehen, warfen sie mir einen kurzen, verächtlichen Blick zu und sagten mir dann, was für ein schreckliches Kind ich sei und dass ich nur immer haben wolle, ohne zu geben. Obwohl ich bereits weinte, wendeten sie sich von mir ab und ignorierten mich wieder. Ich rastete aus. Schrie sie an, so lange und so laut bis meine Stimme versagte. Nach meinem Ausbruch lief ich in mein Zimmer, legte mich aufs Bett und sah mich von oben. Diese Art der Kommunikation wiederholte sich viele Male. Ich verlor völlig die Kontrolle über mich selbst. Etwas Düsteres hatte sich meiner bemächtigt. Ich glaubte, verrückt zu werden. Alles um mich herum drehte sich. In meinem Zimmer lag ich im Bett und sah mich stets von oben. Meine Therapeutin sagte einmal, dass mein Geist meinen Körper verlassen hätte. Meine Ausbrüche nutzten meine Eltern, um mir einzureden, dass ich krank sei und ihr Leben sowie die Familie zerstöre. Irgendwann glaubte ich ihnen. Ich glaubte, verrückt zu sein. Kraft hatte ich ohnehin nicht mehr, mich zu wehren. Monatelang konnte ich nicht mehr einschlafen und wenn ich endlich schlief, hatte ich Albträume, aus denen ich schreiend erwachte. Nach der Schule saß ich im Schaukelstuhl im Wohnzimmer und starrte aus dem Fenster. Meine Mutter ging einmal an mir vorbei und sagte: "Es ist schon schlimm, wenn man depressiv ist." Sie informierte den Beratungslehrer meiner Schule, welcher mich meiner Therapeutin vermittelte. Das kranke, depressive Kind sollte wieder normal werden. In der Therapie erklärte sie mir, dass ich nur Symptomträger eines kaputten Systems sei. Nachdem ich nach einigen Monaten wieder einigermaßen lebensfähig und stabil war, versuchte ich, mein neues Wissen meinen Eltern zu vermitteln. Mein Vater erklärte mir ganz sachlich, weshalb das nicht stimme, und dass ich krank sei und die Familie zerstöre. "Papa, das ist doch nicht wahr." "Doch, Candy, ist es. Je schneller du das kapierst desto besser." Ich versuchte mich zu rechtfertigen, doch sie drehten mir jedes meiner Worte im Mund um. Alles um mich herum begann sich zu drehen, der Boden unter meinen Füßen fühlte sich wellenförmig an. Ich hatte das Gefühl, verrückt zu werden, konnte meine Gedanken und ihre Worte nicht mehr voneinander unterscheiden. Meine Eltern standen auf und räumten den Tisch ab. Ich sank unter Tränen vor ihnen auf den Boden und schluchzte in völliger Verzweiflung: „Warum tut ihr mir das an?“ Sie fingen an zu lachen. „Warum wir dir das antun? Du tust uns das an. Schau dich doch mal an. Du bist doch völlig krank.“ In meinem Bauch spürte ich einen Stich, ein Reißen, ein Zucken. Als würde etwas in mir auseinander gerissen. Eine klaffende Wunde. Ich krümmte mich vor Schmerz und hielt meine Hände um meinen Bauch, so als könne ich mich dadurch zusammenhalten. Meine Eltern verließen den Raum und widmeten sich anderen Dingen, während ich vor Schmerz laut schluchzend auf dem Boden liegen blieb. Ich konnte nicht begreifen, mit dieser letzten Geste des vor ihnen Niederwerfens und meiner völligen Verzweiflung nicht einen Funken Menschlichkeit und Mitgefühl in ihnen zu erreichen. Stattdessen rammten sie mir den Dolchstoß mitten ins Herz. Ich versuchte es hin und wieder erneut, doch diese Szenen wiederholten sich immer nach dem gleichen Schema. Ich wurde auf ein Internat verfrachtet und fand mich mit meiner Schuld ab, welche ich als meine Bürde verschlossen in meinem Inneren viele Jahre mit mir trug. Die Bürde, dass ich krank war und glückliche Menschen unglücklich gemacht hatte. Meine Therapeutin befreite mich viele Jahre später. Sie sagte: Deine Seele wurde von deiner Familie vergewaltigt. Diese Erinnerungen habe ich all die Jahre mit mir getragen und nie jemandem erzählt. Ich kann das alles nicht verschlossen halten, die vielen ungeweinten Tränen in mir, die vielen ungefühlten Schmerzen. Ich war so ein bezauberndes, unschuldiges Ding, mit meinen langen, blonden Locken, meinem zarten, engelsgleichen Gesicht, meiner sanften, warmen Stimme. Wieso haben sie mich nicht geliebt? Wieso haben sie mich so sehr gehasst? So sehr, dass sie mich um jeden Preis vernichten wollten. Weshalb ist mir das passiert? Wieso habe ich mir diese Familie ausgesucht? Wieso sind Menschen so grausam? Diese Fragen quälen mich und ich finde keine Antwort darauf. Aber zumindest verschafft es meiner gemarterten Seele Erleichterung, nach all den Jahren gehört zu werden, mich mitteilen zu dürfen. Ich gehe vielleicht später noch zum Poledance und dann zu meinem Freund. Für heute soll es genug sein. Das ist das Gute am jahrelangen Verdrängen, denn mittlerweile kann ich das ganz gut steuern: Ich kann das Tor auf und zu machen, wie es mir gut tut. Ich wünsche auch euch, dass ihr euch selbst jeden Tag Freude machen könnt, ganz egal, was ihr mit euch tragt.
  19. Wow, danke Bernstyler... Du hast so lichtvoll beschrieben, was seit einiger Zeit in meinen dunklen Gedanken immer wieder aufflackert: Das Verständnis mir selbst gegenüber. Ich sehe all diese Dinge, die ich falsch mache und denke immerzu "Wieso kriegst du das einfach nicht hin?", was nur wieder in neuen, negativen Gedanken und Selbstzweifeln mündet. Ich will mir selbst vergeben und es einfach akzeptieren, dass es im Moment eben so ist, wie es ist. Das soll nicht heißen, dass ich nicht daran arbeiten will. Aber zumindest will ich meinen Frieden mit dem Status Quo schließen. Aus dem Frieden heraus vermag ich mehr zu leisten, als aus dem Kampf, dem Widerstand gegen das, was ist. Ja, da liegt viel im Argen bei mir. Aber das ist in Ordnung. Wenn ich zurückschaue, meine Memoiren lese, meine Vergangenheit erinnere, dann weiß ich, warum ich so bin und weshalb mir manche Dinge so schwer fallen. Im Außen bin ich wenig erfolgreich. Meine Schwester sagte vor einigen Monaten zu mir, dass mein Vater unserem Bruder gegenüber gesagt hätte, dass er stolz auf sie sei. Ich freute mich zuerst für sie, doch dann schob meine Schwester hinterher: "Muss ich zuerst zwei Jahre ins Ausland gehen und drei Fremdsprachen fließend sprechen, damit er stolz auf mich ist? Nein, das kann er sich jetzt sparen. Früher, ja, da hätte ich das gebraucht." Ich bin die Versagerin geblieben, die sie mich immer nannten. Habe ein nutzloses Studium und mich seither mit Praktika, kellnern und schlecht bezahlten Bürojobs durchgeschlagen. Nichtsdestotrotz habe ich in anderen Bereichen so viele Dinge geschafft, die mich unendlich glücklich machen. Ich habe mir einen durchtrainierten Körper erarbeitet, mir ein soziales Netz aufgebaut und jetzt sogar einen Mann in meinem Leben. Mit ihm erlebe ich Dinge, die für mich mit fast 30 Jahren völlig neu, aber für andere Menschen normal sind. Kuscheln, regelmäßiger Sex, oder einfach nur Musik hören und chillen, gemeinsam kochen... All das kannte ich vorher nicht - und jetzt macht es mich so unendlich glücklich, dass ich alles andere beinahe vergesse. Er liebt mich sehr, so wie ich bin. Trotz der Altlasten, die ich mit mir trage und die manchmal hervorbrechen - sei es durch ein Lied, welches mich in eine damalige Situation transportiert und ich anfange zu weinen - er hat mein wahres, liebevolles Wesen erkannt. Nach Außen hin habe ich versagt. Aber nach Innen habe ich so viel gelernt und bewältigt. Ich habe gelernt, dass das Außen mir nichts bedeutet. Es geht nur um die Liebe im Inneren. Vielleicht werde ich eines Tages im Außen erfolgreich sein. Vielleicht werden viele Menschen das Buch lesen, vielleicht wird es verfilmt werden, vielleicht werde ich als Überlebende dazu beitragen, dass das Wissen um emotionalen Missbrauch den Weg in die Gesellschaft findet. Vielleicht wird es eines Tages Vereine geben, wirkliche Unterstützung für die Opfer und eine Bestrafung der Täter - für Verbrechen, die man nicht sieht. Vielleicht werde ich aber jetzt auch wieder kellnern gehen und jedem Gast - sei er auch noch so grummelig - ein Lächeln mit auf den Weg geben. Meinen kleinen Einflusskreis mit Liebe erfüllen. Vielleicht wird mich mein Freund eines Tages heiraten und Kinder mit mir haben wollen. Dann werde ich diese Familie mit Liebe erfüllen und ein glückliches, erfülltes Leben führen. Dann backe ich Apfelkuchen mit Zimt und der Duft wird durch den Raum strömen. Ich bin nicht krank. Ich habe keine Störung. Aber ich habe gesehen, was mit einem Menschen passiert, der das von sich selbst glaubt. Nachdem ich durch die Therapie gelernt hatte, mich der Gewalt meiner Eltern zu entziehen, entlud diese sich auf meinen Bruder. Sie sagten ihm die schrecklichsten Dinge, die ein junger Mensch nur hören kann. Gelähmt und zertrümmert schleiften sie ihn zu einem Psychiater, welcher das Werk meiner Eltern vollendete. Er diagnostizierte ihm alle möglichen Störungen und Depressionen und sedierte ihn mit Medikamenten. Aus einem einst attraktiven und sportlichen, sozial aktiven, jungen Mann wurde ein gebrechliches, nicht lebensfähiges Etwas, welches Tag für Tag vor sich hinvegetierte, gefangen in einem Strudel aus betäubten, negativen Gedanken, die in Wahrheit nicht die Eigenen waren. Wenn ich ihn heute sehe, zerbricht mir sein Anblick das Herz. Er ist leer. Da ist kein Strahlen mehr in ihm. Sein Haut ist so leichenblass wie Kalk und seine Aura löst sich auf, wie ein altes, zerfallenes Haus, dessen Putz von den Wänden fällt, leere und kalte und kahle Stellen hinterlässt, der Wind den Staub in alle Himmelsrichtungen verweht. Er ist ausgelöscht. Meine Schwester war einmal eine so wunderschöne Frau. Schlank und grazil wie ein Model, mit kräftigen, gesunden, endlos langen Haaren, eine Haut so rein und eben wie die einer Porzellanfigur. Mittlerweile ist sie magersüchtig und ihr Gesicht eingefallen, faltig und alt, obwohl sie jünger ist als ich und - anders als ich - nie geraucht hat. Mein Gesicht hingegen hat sich die Jugendlichkeit bewahrt - noch. Vielleicht versteht ihr jetzt, weshalb ich von Medikamenten oder Diagnosen nichts hören will. Genau deswegen habe ich ja mit dem Kiffen aufgehört, weil ich mich wieder spüren und die Schmerzen, die in mir sind, durchleben will. Ich könnte sie unterdrücken und vor mich hinleben, so wie ich es letzten Sommer getan habe. Dann würde ich jedoch wieder unterbewusst handeln und mich hinterher immer wieder fragen, weshalb ich einfach nicht anders kann. Die Seele öffnet und schließt Tore, so wie es eben für unsere Entwicklung gut ist. Im Moment ist das Tor offen. Ich muss ihr vertrauen und ihr folgen. Ich habe so schreckliche Dinge ertragen, als ich noch so jung und ganz allein war. Doch ich bin daran nicht zerbrochen. Meine Psychologin sagte einmal zu mir: "An manchen Tagen hing dein Leben an einem Spinnenfaden." In der schlimmsten Zeit der Misshandlungen schrieb ich in mein Tagebuch: "Ich will leben. Aber nicht so." Ich habe einen starken Lebenswillen und ich sage mir immer wieder selbst: I didn`t come this far to only come this far. Eigentlich wäre ich heute zum Outdoor-Sport verabredet gewesen, aber das Wetter hier in HH ist zu schlecht. Was mich eigentlich nicht stört, denn gestern Abend beim Zähneputzen hatte ich eine großartige Idee, wie ich die Kapitel des Buches neu und stimmiger anordnen kann. Der User snapback hat mich in seinem Thread über Depressionen übrigens auf eine tolle Idee gebracht. Ich will meinen Tagesablauf jetzt anders gestalten und somit meine Produktivität steigern. Die Arbeit an dem Buch ging nämlich bisher eher schleppend voran. Ich spüre jedoch, dass ich es schreiben muss. Ich will euch sagen, dass ihr alle hier einen so unendlich großen Beitrag leistet, mein kleines Leben zu meistern. Zum Schluss teile ich gerne noch etwas aus meinen Tagebüchern. Die Gedanken meines 15- und 16-jährigen Selbst. Vorab eine Warnung: Das ist wirklich krasser Content. Es erschreckt mich selbst, das zu lesen. Das Schlimme ist, dass ich nie geschrieben habe, was vor den Einträgen vorgefallen war. Ich schrieb einfach wirr meine Gedanken nieder, baute mir eine Parallelwelt, in der ich überleben konnte. Es gibt keine Beweise für das, was mir passiert ist. Die Worte sind längst verhallt und es ist, als sei das alles nie geschehen. Und doch haben die Worte unendlich tiefe Wunden in mich geschlagen. Es gibt nur meine Erinnerungen und diese Tagebucheinträge, anhand derer man mich wirklich für verrückt erklären konnte. Dennoch erklären diese Einträge mein Verhalten in der Vergangenheit und auch im Jetzt. Sie zu lesen und dadurch Verständnis für meine Überlebensstrategien zu bekommen, hilft mir, meine jetzigen Muster zu erkennen. Damals retteten sie mich. Jetzt schädigen sie mich. Noch einmal eine Warnung: Krasser Content! 27.07.2002 Ich bin krank. Ich brauch dringend Hilfe, aber sie spielen da unten in der Küche Spiele und ich sitze hier allein in meinem Zimmer. Allein. Ich bin allein. Ich bräuchte Hilfe, aber es ist ihnen egal. Ich rede davon, dass ich sie umbringe, aber mir fehlt die Kraft. Deshalb ist es besser, wenn ich mich umbringe. Scheiße. Ich kann nicht mehr. Ich bin am Ende meines Lebens. Der Neuanfang nimmt ein tragisches Ende. Warum kann ich niemals glücklich sein? Muss ich dafür erst sterben? Ein Schnitt, dann bin ich frei. Ich will sterben. Ihr habt mich allein gelassen. Ich war immer allein. Ich muss in den Spiegel sehen, um nicht verrückt zu werden. Ich werde einsam sterben. Ich hasse mich so sehr. Ich will jetzt sterben. Gott, bitte hilf mir. Ich brauche Hilfe. Ich kann nicht mehr. Helft mir doch, lasst mich nicht allein. Ich will nicht weinen. Ich hasse euch doch. Ich mag euch nicht. Ich habe alles verloren. Sogar die Menschen, die ich am meisten hasse. Lasst mich nicht so allein. Ich will jetzt sterben. Helft mir doch. Lasst mich nicht allein. Lasst mich nicht sterben. Nicht so. Nicht so. Helft mir. Ihr habt mich allein gelassen. Bitte, kommt zurück. Lasst mich nicht gehen. Ich kann nicht zurück. Jetzt seid ihr am Zug. Lasst mich nicht gehen. Ich kann nicht mehr zurück. Es ist zu spät. Ich stehe schon mit einem Fuß im Grab. Opa, ich komme. Mutter – Papa, ich freue mich schon, dich kennenzulernen. Ich komme. Warte auf mich. Ich will jetzt zu euch. Warum kann ich nicht tot sein. Wär bestimmt cool. Einfach einschlafen und nie mehr aufwachen. Möchte wissen, ob viele zu meiner Beerdigung kommen würden. Bitte, helft mir. Ich kann nicht mehr. Helft mir doch. Lasst mich nicht gehen. Langsam sterbe ich innerlich. Es ist besser so. Warum? Helft mir doch, sonst sterbe ich. Ich kann nicht mehr. Es geht nicht mehr. Ob C. zu meiner Beerdigung kommen würde? Die Liebe zu ihm hat mir geholfen, aber er hat diese Liebe ausgelöscht. Und jetzt empfinde ich nichts, für niemanden. Ich bin kalt. So eiskalt. Es schreit in mir. Ich will leben. Aber nicht so. Lieber Gott, beschütze mich. Ruhe in Frieden. Und warum? Lasst mich doch alle in Ruhe. Das gefällt mir doch. Ich brauche einen Psychiater. Oder besser jemanden, der mich umbringt. Innerlich bin ich ja schon tot. Helft mir bitte. Gute Nacht. 22.8.2002 Ich weiß jetzt, was ich tue. Ich warte noch bis zu meinem 16. Geburtstag und wenn sich dann nichts geändert hat, dann werde ich mein Leben beenden. Nicht wegen meiner Familie, in der ich aufgewachsen bin, sondern damit ich endlich meinen Frieden finde. Ich tu`s für mich. Ich habe das Gefühl, dass ich mein Leben verloren habe. Es gibt nichts, das mich festhält. Ich stehe am Ende meines Lebens und ich habe nicht die Kraft weiterzugehen. Ich bin am Ende. Meine Eltern waren nie für mich da. Ich war nie für sie da. Mein Bruder hasst mich. Ich habe zwar viele Freunde, aber ich kann es ihnen nicht erzählen. Ich kann einfach nicht. Ich habe nicht die Kraft aufzustehen. Es ist besser, meine Kraft für meinen Suizid aufzuheben, als zu warten, bis mir dazu noch die Kraft fehlt. Ich bitte euch, vergesst mich niemals. Ihr habt einen Platz in meinem Herzen. Werde ich dem Tod entkommen? Vielleicht kann mir jemand helfen? Aber will ich das überhaupt? Ich will doch nicht mehr leben. Mir fehlt einfach die Kraft dazu. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich bin einfach nur blöd. Ich bin an allem Schuld. Ich bin allein. Warum habt ihr mich allein gelassen? Lasst mich jetzt nicht im Stich. Ich brauche euch. Mein Herz schreit nach Freiheit. Mama, Papa, ich wünsche mir, dass wir uns irgendwann verzeihen können. Ich halte es nicht mehr aus. Innerlich zerspringe ich fast. Das Einzige, das mir noch bleibt, ist der Traum, den ich träume. Dieser Traum ist die Hoffnung, dass ich durchhalte, dass ich nicht aufgebe. Aber ich kann nicht mehr. Ich bin auf der Suche nach Frieden. Ihr habt mich zerstört. Ich bin alles, was mir bleibt und keiner kann mir helfen. Ich bin bereits tot. Mir fehlt die Kraft, um wieder aufzustehen. Ich bin tot. Es gibt nichts, das mich am Leben hält. Ich wollte doch nur glücklich sein. Und jetzt ist mein Herz voller Hass. Alles ist mir egal. Ist das zu viel verlangt, zu wünschen, dass ich glücklich bin? Ihr habt mich allein gelassen. Mich, das schwarze Schaf in dieser gottverdammten Familie. Ich war es schon immer. Und ihr habt das auch noch zugelassen. Was habe ich falsch gemacht? Ich wollte doch nur glücklich sein und jetzt ist mein Herz voller Hass. Ja, ich hasse euch, weil ihr mich hassen lasst. Ich werde frei sein. In meinem Sarg eingeschlossen unter der Erde. Meine einzigen Freunde werden die Würmer sein, die mich langsam auffressen. Mein Körper wird sterben, aber meine Seele wird den Schmerz überstehen. Ich werde leben. Ich werde nicht sterben. Ich befreie mich. Wie werde ich es machen? Pulsadern aufschneiden oder Tabletten? Ich glaube, ich werde Aspirin mit Alkohol mischen und dann meine Pulsadern aufschneiden. Das ist gut so. Dann seid ihr mich los. Das ist es doch, was ihr wollt. Ich werde euch nie wieder belästigen. Dann könnt ihr mir nie wieder wehtun. Ich hasse euch. Mehr als mich selbst. Ich möchte doch einfach nur glücklich sein. 01.09.2002 Ich will nicht mehr verletzt werden. Deswegen will ich auch nicht, dass mir jemand zu nahe kommt. Ich habe Angst vor dieser Nähe. Ich bekomme dabei Panik. Am liebsten würde ich dann immer ganz weit weglaufen. Ich will mich einfach nur vor ihnen beschützen. Sie verletzen mich. Ich kann ihnen nicht trauen. Ich will nicht, dass mich jemand verletzt und das kann ich nur verhindern, wenn ich niemanden mehr an mich heranlasse. Das ist besser so. 06.09.2002 Was soll ich durch den Schmerz lernen? Ich sollte stärker werden. Aber ich war noch nicht stark genug, um das zu verkraften. Seht ihr nicht? Wollt ihr nicht sehen? Lasst mich nicht allein! Sagt mir nicht immer, dass ich allein Schuld habe und die volle Verantwortung trage. Zerstöre ich die Familie? Warum sagt ihr das? Macht es euch Spaß, mich am Boden zu sehen? Mich mit Füßen zu treten? Mich zu verletzen? Mich zu brechen und liegenzulassen, weil mir die Kraft fehlt aufzustehen? Könnt ihr nicht einmal sagen: Gut Gemacht. Ich bin stolz auf dich? Sagt es nur einmal. Gebt mir nicht das Gefühl, ein Versager zu sein. Sagt es doch. Ich schaff`s ohne eure Hilfe nicht. Ihr müsst mir helfen. Ihr habt mich auf diese gottverdammte Erde geholt. Ihr habt mich hierher geholt. Und jetzt ist es euch scheißegal, was ich tue, Hauptsache ich bin weg. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich euch hasse. Wie sehr ich mein Leben verabscheue. Wie gern ich einfach alles hinwerfen würde und aufzuhören. Ich möchte doch einfach nur, dass ihr mich behandelt wie eure Tochter. Wann habt ihr das letzte Mal gesagt, dass ihr mich lieb habt? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Ich hasse euch so sehr. 19.09.2002 Ich beklage mich nicht über die Ungerechtigkeit des Lebens. Ich nehme alles hin ohne mich zu beschweren. Niemand sieht meine Tränen. Niemand hört mein Schreien. Niemand sieht mich. Ich versuche, mich allem zu entziehen. Ich verkrieche mich. Ich lasse keine Gefühle zu. Sonst tut mir jemand weh. Niemand darf mir mehr wehtun. Ich verbiete es ihnen. Ich lasse niemanden mehr an mich heran. Sie wollen mir ja eh bloß wehtun. Aber ist das der richtige Weg? Ich möchte doch nur eine gute Schülerin sein. Und dann noch ein guter Mensch. Es ist halt alles nicht so einfach. Meine alte Klasse lebt einfach weiter, auch ohne mich. Ich muss mich dieses Jahr sehr anstrengen. Aber nichts gibt mir Halt. Meine Familie sollte eigentlich diese verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen, aber sie tut es nicht. Ich möchte so gerne ein Teil meiner Familie sein, aber Mama lässt mich nicht. Das erste habe ich schon geschafft: Ich habe den Hass aus meinem Herzen verbannt. Warum ist das Leben so ungerecht? Was bringt es mir, hübsch zu sein, wenn alles andere außer Kontrolle gerät? Ich habe niemals jemanden um mein Äußeres gebeten. Ich bin einfach da. Und ich hasse dieses Gefühl von Einsamkeit. Ich bin allein. Das einzige, das mir noch bleibt, sind meine Freunde. Und ich habe Angst diese auch noch zu verlieren. Ich bekomme bei dem Gedanken keine Luft mehr. 21.10.2002 Es wird sich nichts ändern. Sie werden mich immer meiden. Und das Schlimmste ist, sie haben Recht. Sie tun mir weh. Ich mag mich selbst nicht. Es ist leider so. Ich nehme mir immer vor, etwas zu ändern, mein Leben zu ordnen, zu versuchen, mich in die Familie zu integrieren. – Aber ich kann einfach nicht. Ich weiß nicht warum, aber es geht nicht. Da ist so eine unsichtbare Mauer. Ich weiß ja auch nicht. Vielleicht ist es doch besser, wenn ich von hier weggehe. Nochmal von neu anfange. Alles hinter mir lassen. Mama und Papa wären ganz weit weg. Es wäre ganz anders. Ich könnte von ganz vorn anfangen. Ich könnte alles hinter mir lassen, vergessen, was sie mir angetan haben und vielleicht sogar verzeihen. Den Hass auflösen. Das Problem wäre weg. Nicht ganz, bloß woanders, aber es ist weg → Ich bin das Problem. Und was ist mit den Problemen des Problems? Soll das Problem das selbst lösen? Wie soll ich das machen? Ich soll immer das tun, was ihr wollt. Warum tut ihr dann nichts für mich? Ich strecke die Hand nicht mehr aus. Ich bewahre das bisschen Stolz, das ihr mir noch gelassen habt. Ich bin nicht wie ihr. Überlegt doch mal. Ihr seid der Grund, warum es mir schlecht geht, warum ich weine. Ich bin so leer. Ich bin tot. Ich freu mich über nichts mehr. Es ist alles so leer in meinem Leben. Warum lasst ihr mich immer allein? Seht ihr nicht, dass ich euch brauche? Ich fühl mich so kaputt. 31.10.2002 Ich hasse mich und diese beschissene Welt. Ich hasse dieses beschissene Leben. Ich hasse es so sehr. Ich will doch nur glücklich sein. Alles ist voller Hass. Ich stehe das nicht durch. Ich vertraue niemandem. Ich fühle mich so allein. Ich habe keine Kraft mehr. Nichts kann mich von meinem Leid befreien. Ich bin ganz allein. Warum lasst ihr mich immer allein? Verlasst mich, verletzt mich, es ist mir egal. Ihr könnt mir nichts antun. Ihr könnt mich nicht verletzen. Ihr tut mir nicht weh. Meine Seele ist versteckt und ihr werdet sie nicht finden. Niemals. Ihr tut mir nie wieder weh. Meine Seele ist so tief versteckt, dass ihr sie niemals findet. Ich lasse es nicht zu. Den Schlüssel zu meinem Herzen habe ich so tief vergraben, dass ihr ihn niemals findet. Keiner von euch wird mir jemals wieder wehtun. Nie wieder! Ich bin stark und keiner sieht meine Tränen. Niemand. Ich vertraue niemandem. Dann kann mir auch niemand wehtun. 02.11.2002 Ich habe das Gefühl, dass mir alles davonläuft. Dass ich keine Chance habe, mitzukommen. Dass ich zurückgelassen wurde. Ich schaue aus dem Fenster und sehe diese graue Welt. Ich versinke in Lethargie. Es ist wie Treibsand. Bin schon zu tief drin, um mich alleine zu befreien. Ich fühle nichts. Bin so allein. Bin so weit weg. Ich habe mein Herz ganz tief in mir vergraben und abgeschlossen. Ich werde es nicht zulassen, dass sich mein Herz wieder meldet. Es erträgt diese Schmerzen nicht mehr. Ich ertrage es nicht mehr. Sie haben mich systematisch zerstört. Ich weiß nicht, wie ich dem Schmerz Herr werden soll. Diese Fragen, die mich Nacht für Nacht in meinen Träumen quälen. Deswegen habe ich mein Herz versteckt, so dass es nie wieder jemand findet. Ich weiß selbst nicht genau, wo es ist. Niemand wird jemals wieder Zugang erhalten. Es tut so weh. Ich will stark sein, diese Schwächen nicht zeigen. Vergessen, wie weh sie mir getan haben und tun. Ich werd`s nicht vergessen. 07.11.2002 Ich kann nicht wegen meiner Familie weinen. Heute im Auto auf dem Weg in die Schule habe ich mich nicht angeschnallt und wünschte, dass wir einen Unfall bauen würden. Jedes Mal, wenn ein Auto an mir vorbeifährt, wünsche ich mir, dass es mich überfährt. Jede Nacht in meinem Bett freue ich mich darauf, einzuschlafen und wünsche mir, am Morgen nicht mehr aufzuwachen. Warum kann das nicht einfach passieren? Der Schmerz zerfrisst mich. Das Leid zerstört mein Herz. Es findet es in seinem Versteck. Tief in mir vergraben. Niemand wird es finden. Niemand bringt es jemals wieder zum Pochen. Es ist stumm – genauso wie meine Stimme, die schreien will – für immer. 10.11.2002 Jeden Morgen, wenn ich aufstehen muss, ekelt es mich vor dem grauen Tag, der mir bevorsteht. Das Einzige, auf das ich mich freue, ist, dass ich abends wieder schlafen kann und an nichts denken muss, außer den Träumen, die mich quälen. Ich hasse die Dunkelheit, die schwarze Nacht und kann ihr nicht entkommen. Der Schlaf bringt mich in eine neue Welt. Nur leider sind meine Träume quälend. Ich hasse es morgens aufzustehen, wenn es draußen kalt und grau und dunkel ist. Die Sonne und die Vögel sollen mich wieder wecken. Ich liebe die Sonne! Wo bist du nur hin? Und jetzt ist es so kalt und so grau. Das macht mir Angst. - Allein zu sein... 9.12.2002 Meine Gefühle kommen mir so weit weg vor. So verschlossen. Ich habe sie vor langer Zeit weggesperrt und finde den Schlüssel nicht mehr. Wo ist er? Ich will endlich weinen. Aber es geht nicht. Der Schmerz und das Leid sind zu tief vergraben. Ich kann sie nicht finden. Warum fühle ich nichts? Ist es schon zu spät? Bin ich schon ein Eisblock? So kalt wie die Nacht? So grau und so dunkel? Einsam und verlassen? Warum leuchtet mir niemand meinen Weg? 15.12.2002 Ich hasse sie. Ich hasse mich. Ich hasse mich, diesen fetten, ekligen Körper. Sie sind solche Arschlöcher. Ich bin daran schuld. Ich bin nicht das Opfer. Ich bin Täter. Ich bin so ein großes Arschloch, dass ich es sogar fertig bringe, Menschen unglücklich zu machen. Sie sollten mich schlagen und treten und verletzen, das habe ich verdient, und nichts anderes. Ich kann es nicht ertragen, sie lachen zu hören. Sie glücklich zu sehen. Sie in der Sonne zu sehen. Dort, wo ich sein möchte. Dort, wo ich mit ihnen einst sein wollte. Meine Seele ist gefangen, dieser hässliche Körper lässt sie nicht frei. Er hält sie gefangen. Dafür hasse ich ihn. Und darum tue ich ihm weh. Warum sind sie so glücklich? Sie sagt, ich gehöre zu ihnen. 1. Das ist falsch. 2. Ist sie die Einzige, die so denkt, weil sie es nicht wahrhaben will und 3. ist sie nur glücklich, wenn sie zu viert, also ohne mich sind. Ich will nicht, dass das wehtut. Ich will das nicht mehr spüren. Ich will zu diesem Eisblock werden. Ich werde immer alleine sein. Wenn ich nicht ich wäre, würde ich mit mir auch nichts zu tun haben wollen, weil ich ein riesengroßes Arschloch bin. Ich mache alles kaputt. Ich bin eben ein schlechter Mensch. Solche muss es auch geben. Und ich bin die Schlimmste von allen. Wenn ich mich umbringen würde, wäre das eine Befreiung für die ganze Menschheit. Ich schaufle mir auch vorher mein Grab, damit ich niemandem zur Last falle. Lege mich mit letzter Kraft dann in die Tiefe zu den Schnecken und Würmern. 29.12.2002 Ich will glücklich sein. Ich kann nicht mehr schlafen, ich bin krank. Ich kann nicht mehr. Ich bin vollkommen am Ende. Am Boden zerstört. Ich habe mich noch nie zuvor so elend gefühlt. Dieser Weltschmerz. Ich will einfach nur noch sterben. Bitte! Ich schaffe das nicht. Ich pack`s nicht!!! Ich spüre meinen Körper nicht mehr. Ich hasse mich. Ich will noch einmal diese Sommerferien erleben (ohne diese Schattenseite). Ich war, ich will nicht sagen glücklich, aber es ist mir zumindest körperlich relativ gut gegangen. Ich hasse Mama und Papa. Ich hasse sie über alles in der Welt und ich will nur noch sterben. Ich will tot sein. Ich will frei sein. Endlich leben. Denn jetzt bin ich tot. Lasst mich frei, damit ich leben kann. Lasst mich sterben, damit ich leben kann. Tut irgendwas. Tut aber nicht das, was ihr die ganze Zeit über getan habt – Nichts! Sagt nicht nur. Tut etwas. 30.12.2002 Lange halt ich`s nicht mehr aus. Muss ganz schnell weg von hier. Kann nicht mehr. Muss weg. Keine Kraft. Keine Energie, kein Lichtblick, kein Lachen. Nur Schmerz, Hass, Trauer, Narben, Leid. Keine Liebe. Wer bin ich? Und warum? Gibt es Antworten? Fragen, Fragen, Fragen, ich habe keine Lust noch was zu sagen. Komm lass uns mal gemeinsam um die Häuser ziehen. Lass mich nicht allein. Bleib bei mir. Ich flehe dich an. 31.12.2002 Ich hab`s bald geschafft. Dann bin ich weg. Das ist es doch, was ich wollte. Warum fühle ich mich dann so schlecht? Bald ist es vorbei. Das Internat ist so ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte... 05.01.2003 Es kann nicht so weitergehen. Ich schlafe kaum, hänge nur rum, dusche mich selten. Das ganze Durcheinander in meiner Seele spiegelt sich in meinem Äußeren wieder. Es kommt zum Vorschein, was ich so lange verdrängt habe. Aber vergessen konnte ich es nie. Ich will wieder leben. Ich will mich wieder spüren. Ich will wieder lieben. Den ganzen Hass aus meinem Herzen verbannen. Vergessen und vielleicht irgendwann einmal verzeihen. Verzeihen, was sie mir angetan haben und was ich mir selbst angetan habe. Verarbeiten, was ich getan habe. Ich kann mir nicht verzeihen. Ich hoffe, dass ich das irgendwann schaffe. Ich weiß, dass in mir gute Seiten sind, welche nie eine richtige Chance bekamen zum Vorschein zu kommen. Ich hoffe, dass ich die Kraft habe, danach zu suchen und sie vielleicht auch zu finden. 31.01.2003 Mum, Dad, warum habt ihr mir das angetan? Warum schickt ihr mich weg? Warum hasst ihr mich? Ich kann das alles nicht verstehen. Ich bin doch auch nur ein Mensch... Ein trauriger... 03.02.2003 Ich will ihnen nicht mehr wehtun. Ich will niemanden mehr verletzen. Ich will nicht, dass sie diesen Schmerz spüren. Es reicht doch, dass ich leide. Jetzt kann ich wieder weinen. Und das tut so weh. Ich hab das Gefühl, dass ich`s bald nicht mehr aushalte. Sie sagt, ich war als Kind boshaft. Kein Engel. Sie sagt, keiner kennt mich. Wer bin ich dann, wenn mich keiner kennt? Bin so verwirrt, bin so kaputt, hab bloß 4 Stunden geschlafen, kann nicht mehr, tut so weh. Tut so weh. Halt`s bald nicht mehr aus. Will ein Engel sein. Will sterben. Will das nicht mehr spüren. Diese Gefühle. Ich hasse mein Leben. Ich hasse mich. Ich will sterben. Warum schaff ich`s nicht, mich umzubringen? Warum? Warum ausgerechnet ich? Ich hasse diese Gefühle. Ich hasse sie. Mein Leben, ich hasse es so sehr. So sehr. So sehr. Ich hasse dieses Leid. Ich will ihnen nicht mehr wehtun. Das alles und noch viel mehr habe ich in meine Tagebücher eingeschlossen, um es aus meiner Seele zu drängen. Die Tagebücher legte ich in eine kleine Kiste, die ich im hintersten Eck meines Schranks aufbewahrte. All die Jahre. Erst letztes Jahr holte ich mir die Kiste und öffnete sie. Mit dem Lesen kamen die Erinnerungen zurück. Und die Erklärung für mein verkorkstes Verhalten, meine Angst vor Menschen. Die Einträge sind der Schlüssel, um im Jetzt Veränderungen hin zu einem geheilten Selbst, einem glücklichen Leben zu erlangen. Ich habe das alles überstanden und an vielen Tagen kann ich aus ganzem Herzen glücklich sein und lachen, normal sein. Aber an anderen Tagen holt mich die Vergangenheit ein. Das ist in Ordnung und ich gebe mir die Zeit, die ich brauche. Denn es lohnt sich. Das Leben ist schön. Es sei euch aus tiefstem Herzen für eure Unterstützung gedankt. Möge die Liebe, die ihr alle mir hier schenkt, tausendfach zu euch zurückkommen! Dies ist mein Schutzraum, meine Bastelkammer, in der ich mein Leben schustere.
  20. Nein. Ganz entschieden NEIN. Ich weiß, wer ich bin und woher die Zweifel an mir selbst kommen. Ich bin in meiner Kindheit auf schlimmste und grausamste Weise misshandelt und vernachlässigt worden. Als ich begann, mich zu wehren, für mich zu kämpfen, wurden alle meine verzweifelten Versuche gegen mich verwendet. Jedes meiner Worte wurde mir im Mund umgedreht, solange, bis der Boden unter meinen Füßen zu wanken begann, Wellen schlug, die Luft um mich herum Kreise zog, die sich immer fester um mich schnürten, mein Kopf sich von meinem Hals löste und frei im Raum schwebte, ich meine Gedanken nicht mehr von der Realität unterscheiden konnte. Ich war erst 16 Jahre alt, als zwei erwachsene Menschen meine eigene Wahrnehmung torpedierten und bombardierten, sie zerhackten und mir vor die Füße warfen. Ich spürte ihre Lügen, zuerst ganz deutlich, doch sie waren zu mächtig, zu stark, so dass die Wahrheit immer mehr in meinen eigenen Zweifeln versank. "Was, wenn sie doch Recht haben? Wenn ich doch krank bin? Bin ich verrückt?" Wisst ihr wie es sich anfühlt, wenn alles, was man jemals tat oder sagte, gegen einen verwendet und zum Negativen ausgelegt wird? Irgendwann glaubte ich, verrückt zu sein und ihr Leben zerstört zu haben. Ich nahm diese Schuld auf meine Schultern, die ich all die Jahre mit mir trug, eine Bürde, die nicht die meine war, die mir niemals hätte auferlegt werden dürfen. Doch ich trug sie. Meine Therapeutin hat all die Jahre mit mir daran gearbeitet, mir diese Bürde abzunehmen. Meiner eigenen Wahrnehmung wieder zu vertrauen. Zu mir selbst zurückzufinden. Die Wahrheit zu erkennen, dass ich auf bestialische Art und Weise als Müllabladestation zweier düsterer Seelen missbraucht wurde. Mir wurde Gewalt angetan, aber es wurde so hingestellt, als sei ich dafür verantwortlich. Als würde ich jegliches Verhalten mir gegenüber provozieren und verdienen. Bei Gott, dieser Weg war nicht leicht. Es gab Tage, an denen ich weinend zusammenbrach und meiner Therapeutin Emails schrieb: "Bin ich doch verrückt? Hatten sie doch recht?" Die Zweifel an mir selbst haben mich mein Leben lang begleitet. Damit soll jetzt Schluss sein. Nicht mehr unsicher und defensiv, wie ich bisher reagiert habe, sondern entschieden und würdevoll sage ich nun: Ich bin gesund und ich werde meinen Weg der Heilung selbstbestimmt gehen, denn ich folge meinem eigenen, inneren Weg, der Stimme meines Herzens. Unterstütze mich, oder geh mir aus dem Weg. Ich werde mich nicht mit Krankheiten beschäftigen. Danke, Stonecold, mein Freund, dass du es warst, der mich in eine Erinnerung zurückgebracht hat und mir diese wichtige Erkenntnis geschenkt hat. In diesem Thread wird man viel finden, was man meinem seelischen Zustand schlecht auslegen könnte. Ich gewähre hier den Einblick in mein nacktes Inneres. Verletzlicher könnte ich mich nicht machen. Aber die Arbeit hier ist so wichtig für mich und ich habe so viel bisher geschafft. Ich bin stolz auf mich. Heute habe ich gelernt, für mich einzustehen und mich abzugrenzen. Danke fürs Lesen, Virez. Du hast so recht. Ich muss raus aus dem Grübeln und rein ins Handeln. Die Dinge tun, die mich glücklich machen. Und so werde ich jetzt mit Freude eine Bewerbung schreiben, dann an dem Buch arbeiten und mich abends zum Sport mit Freunden treffen. Tue die Dinge, die dich glücklich machen, dann wirst du Erfolg haben.
  21. Ich habe viel gezweifelt in den letzten Monaten. Die Konfrontation mit mir selbst, ohne die Ablenkung durch einen stressigen Arbeitsalltag, hat viele düstere Gedanken in mir zum Vorschein gebracht. Und mich geängstigt. Die größte Angst habe ich vor mir selbst. Nicht vor Menschen. Oder Situationen. Nicht die Arbeitslosigkeit an sich. Sondern mein Umgang mit all dem. Mein eigenes Handeln, meine eigenen Gedanken sind meine größten Feinde, die mich zerstören. Manchmal falle ich unaufhaltsam in mich selbst hinein, verliere mich darin, wie in einem Irrgarten mit hochgewachsenen Hecken, aus dem man schwerlich entkommt. Blind und taub und der Sprache beraubt laufe ich darin umher und finde kaum den Weg hinaus. Auch meinem Freund gegenüber gab es bereits eine Situation, in welcher weder er noch ich mich selbst wieder erkannten. Völlig verloren in der Identifikation mit meinem Schmerz verschmolz ich mit ihm und er sprach aus mir. Als ich schließlich wieder erwachte, war ich entsetzt über das, was ich angerichtet hatte. Ich hatte ihn von mir gestoßen. Nur seiner ruhigen und liebevollen Art war es zu verdanken, dass der Schaden gering blieb. Es ängstigt mich deswegen so, weil ich dieses unbewusste Handeln von meiner Mutter kenne. Ihr Toben, ihr Wüten, ihre Bestrafungen, ihr vollständiges Versinken in ihrer seltsamen, düsteren Welt, in die es weder einen Weg hinein, noch für sie selbst hinaus gab. In ihrer eigenen Welt war sie ein Gott, der unfehlbar und unangreifbar über mich und meine Geschwister richtete. Ich fragte mich, ob ich so sei wie sie. Und auch hier in diesem Thread gab es manches Mal den Hinweis, ob ich vielleicht eine Borderline-Störung hätte. Ich habe mir verängstigt und zweifelnd diese Frage selbst gestellt. Die Antwort gab mir Harry Potter. Ein Teil des Bösen ging von Voldemort auf ihn über und Harry musste sich diesem Teil, der ihn mit dem dunklen Lord verband, stellen. Dumbledore: "Harry, es kommt nicht darauf an worin ihr euch ähnelt, sondern worin ihr euch unterscheidet." Es mag sein, dass ein Teil von ihr auf mich übergegangen ist, aber dieser Teil besitzt mich nicht. Er hat nicht die Macht über mich. Dieser Teil ist eine Störung, aber ich bin nicht die Störung selbst. Selbst wenn er es auch von Zeit zu Zeit schafft, sich in mir zu regen, so ist das nie von Dauer. Immer wieder kehre ich zu mir selbst zurück. Kein Irrgarten dieser Welt ist ohne Ausweg. Und dann erkenne ich mein Fehlverhalten und empfinde Reue. Das ist es, was mich von meiner Mutter unterscheidet. Und das ist es, was entscheidend ist. Es ist mein Leben und niemand sonst hat die Macht darüber. Meine Geschichte schreibe ich selbst, mit meinen eigenen Worten und mit meinen eigenen Gedanken. Meine Geschichte soll erfüllt sein von der Magie der Liebe, die mein Leben durchleuchtet wie die Sonne das Blattgrün der Bäume. So, jetzt noch Bewerbungen schreiben und dann bastele ich weiter an dem Buch. Vielleicht soll dies der Titel werden: Heile, mein Herz.
  22. Der Knoten ist geplatzt. Ich arbeite wieder an dem Manuskript. Und wie ich es vorausgesagt hatte, versinke ich stundenlang darin, wenn ich einmal angefangen habe. Am Freitag habe ich auch endlich ein weiteres Vorstellungsgespräch. Jetzt gehe ich noch zum Yoga und später vielleicht endlich mal wieder zum Poledance. Es geht mir auf jeden Fall ganz gut heute. Das Schreiben ist auf jeden Fall eine Tätigkeit, die mir ein Gefühl der Sinnhaftigkeit gibt. Morgen dann vielleicht in der Uni-Bib, dann ist der Kühlschrank nicht in meiner Nähe ;) Gibt es eigentlich die Möglichkeit, den Thread hier in pdf-Form downzuloaden? Das würde mir helfen.
  23. Während der Prüfungszeit, also einem zeitlich abgesteckten Rahmen, ist es doch eigentlich in Ordnung, sich erstmal aufs Lernen zu konzentrieren. Vielleicht kannst du aber hier zumindest einen kurzen Spaziergang einbauen? Vielleicht hast du auch einen Kommilitonen, der dich begleitet? Beides gehört irgendwie zum Leben. Aber: Wenn du keine Lust hast, was zu machen, dann ist das doch völlig in Ordnung. Vielleicht sind es nur deine Gedanken, die dir sagen, dass es dir schlecht geht, wenn du mal keine Lust auf Aktivitäten hast? Vielleicht kannst du auch solche ruhigen Phasen in deinem Leben für dich nutzen. z.B. deine Gedanken beobachten, welche Geschichten sie dir erzählen... Was mir hierbei hilft, ist, Bewusstsein in alles zu bringen, was ich tue. Beim Kochen die Zutaten und Utensilien wirklich unter den Fingerkuppen spüren, riechen, mit der Tätigkeit zu verschmelzen, sie selbst zu sein. Nur im Jetzt zu bleiben. Ich habe eigentlich auch den Eindruck, dass du eigentlich glücklich bist, nur dein Verstand sagt dir, dass doch dies oder jenes anders sein müsste. Hm, auch für mich selbst gerade erstaunliche Erkenntnisse ;)
  24. Vielleicht vermag dich dieses Zitat aus dem Film "French Kiss" zu trösten: Luc: Why are you chasing after him after what he's done to you? Kate: Because I love him! And I'm afraid that if he doesn't come back that I'll... it'll hurt so much that I'll just shrivel up and I'll never be able to love anyone ever again. Luc: You say that now, but... after a time, you would forget. First, you would forget his chin, and then his nose, and after a while, you would struggle to remember the exact color of his eyes, and one day you wake up and, pfft, he's gone: his voice, his smell, his face. He will have left you. And then you can begin again. Du hast mich an meine eigene Oneitis erinnert. Diese Episode meines Lebens verknüpfe ich schon längere Zeit mit Oscar Wildes "Das Bildnis des Dorian Gray". Hingerissen von dem Talent der Theaterdarstellerin Sibyl Vane umgarnt er sie und gewinnt schnell ihr Herz. Überwältigt von der Magie des Realen verliert sie ihre Inbrunst für die Bühne und Dorian lässt sie fallen. Sie bringt sich um. Ihr Tod lässt ihn kalt, so wie auch sein Gesicht kein Zeichen der Alterung erfährt und ewig schön und jung bleibt. Das Gemälde mit seinem Porträt jedoch, welches ein Künstler zuvor von ihm malte, zeigt wie ein Spiegel die düsteren und grausamen Veränderungen von Dorians Seele. Unfähig, einen anderen Menschen wirklich zu lieben, verrunzelt und verkümmert Dorians Inneres immer mehr. Das Gemälde hält es ihm vor Augen. Schließlich tötet er sich selbst. "Du hättest sie lieben sollen, Dorian," dachte ich oft, als ich in der akuten Phase nach der Trennung von meiner Oneitis nachts im Bus hinter der Plastikscheibe saß, auf dem Weg nach Hause von meiner Kellner-Schicht, während ich unbemerkt in der Dunkelheit die einzigen Tränen weinte und mich von ihm befreite. Was auch immer deine Oneitis-Geschichte ist, du kannst dir sicher sein, dass es eines Tages einen Sinn für dich ergibt. Dann, wenn der Schmerzensnebel verzogen ist und du dich in deinem eigenen Licht wieder selbst erkennst.
  25. ordem e progresso, ich gebe dir völlig recht. Das war ein Fehler. Wenngleich ich es auch nicht bereue. Was nicht heißen soll, dass ich daraus nicht lernen würde. Beim nächsten Mal werde ich vorab trainieren, mich nicht mehr emotional zu präsentieren, sondern auch bei dem Thema "Stottern" - was ich auf jeden Fall immer ansprechen will - professionell zu bleiben. Es gibt auch einen weiteren Grund, weswegen ich abgelehnt wurde. Dieser Grund bestätigt mir jedoch die Wichtigkeit meiner Forschungstätigkeit. Gestern war ich kurz so gekränkt von der Absage, dass ich beinahe meine Bücher weggeräumt und damit mein Wissen ein für alle Mal begraben hätte. Heute jedoch weiß ich, was ich tun kann. Chancen schaffen. Aktiv werden, denn dann beginnt die Magie. Die Zeiten sind nicht leicht. Im Allgemeinen. Ich bin nur ein Teil einer unruhigen, sich verändernden Energie. Meine Therapeutin sagte am Beginn meines Studiums zu mir: "Eines Tages wirst du deinen Teil dazu beitragen. Du hast Gewalt in der kleinsten Einheit erfahren und erkennst sie nun auch in der Welt." Es wird sich schon fügen.