Onlinedating
Eintrag erstellt von Hexer · - 925 Ansichten
Onlinedating
Onlinedating ist wie die Wundertüten, die wir als Kinder geliebt haben. Um es vorneweg zu sagen: ich hab etwas Erfahrung. Im allgemeinen schreibe ich spannende Profile an, wenn sie antwortet kommt ein kurzes Hin und Her an witzigen und sinnlosen Posts. Dann die Frage nach einem Foto, hier steigen die ersten aus. Manche vor meinem Foto, mehr danach. Bin oft erstaunt, dass ich ein Foto von ihr zusammen mit der Absage bekomme. Weiss nicht, ob dies aus Fairness passiert, weil sie nun mein Foto gesehen hat oder ob die Mädels nur sagen wollen "schau Dir an, wen Du nie kennenlernen wirst". Doch letzteres mag ich nicht glauben. Nach meiner Erfahrung sind Frauen eher sehr freundlich - selbst beim Absagen. Hab auch lange genug selbst Fotografiert um zu wissen, dass Bilder lügen. Deshalb verlasse ich mich beim Auswählen aufs Bauchgefühl und auf eine wichtige Erfahrung: Haut und Figur wird gern verändert, Augen und Mund selten. Ich mag dieses Aussortieren nicht so sehr, es gehört dennoch zum Spiel dazu. Wie das Aufstellen der Figuren beim Schach. Doch wenn dieser Punkt überwunden und wir beide noch im Rennen sind, dann kommt der wichtigste Schritt: wir Treffen uns.
Mittwoch im Februar. Der Tag war wunderschön sonnig und warm. Ausserdem war ich endlich wieder Schwimmen. Kaum im Wasser, hab ich gespürt wie sehr mir das gefehlt hat. Die Strecke, die ich geschafft hab, war natürlich lächerlich. Wird ein paar Wochen brauchen bis ich wieder bei meiner alten Leistung bin. Toller Tag und dennoch ist meine Laune irgendwie im Keller. Na das kann ja was werden.
Ich steh am Gendarmenmarkt vorm Chocolatier. Fünf Minuten nach Sieben und irgendwie hoffe ich leise, dass sie nicht kommt. Dann könnte ich in zehn Minuten nach Hause, ohne Schuld zu haben. In diesem Moment kommt sie um die Ecke. Roter Mantel. Mein Puls geht hoch, verdammt ist die niedlich. "Die soll vierzig sein?". Ich versuche entspannt zu lächeln, scheint halbwegs zu gelingen, sie rennt nicht davon. Dann steht sie vor mir. Küsschen links, Küsschen rechts "schön Dich zu Treffen". Ich lotse sie in die geplante Richtung, wir laufen los. "wie lange bist Du schon bei Finya?" sie hängt sich bei mir ein und beginnt sofort loszuplappern. Als würden wir uns schon Jahre kennen. In einer ihrer Pausen erzähle ich etwas lustiges, was mir im letzten Sommer passiert ist. Sie lacht, zieht aber nicht mit. Das kann ja wohl nicht wahr sein, deshalb mache ich mich lustig über sie. Wieder ihr Lachen, ich steh jetzt schon drauf. Nun aber blos nicht übertreiben, sonst hält sie mich für nen Kasper. Besser wieder zurück zu ihrer Geschichte, ich frage etwas nach, sie lässt sich drauf ein und plappert wieder.
An der dritten Ampel stehen wir länger als üblich. Wir haben uns zueinander gedreht. Mich überkommt große Lust sie zu Küssen. Ich glaube sie redet weiter. Nach einer Ewigkeit wird die Ampel dann doch grün. Ich gehe los. Sie hinterher. "Feige Sau!" brüllt jemand in meinem Kopf. Die Ausreden sind zum Glück gleich da und beziehen ihre Stellungen. Wir sind ein eingespieltes Team.
Unser Bummel durch den Buchladen ist großartig, wir schauen Bücher und Filme und erzählen uns unsere Geschichten dazu. Und wir Lachen unglaublich viel. Um genau zu sein: ich Lache - sie kichert nur wie ein kleines Mädchen. Das sage ich ihr - sie haut mich dafür. Es läuft. Als wir wieder auf der Strasse sind, nehm ich sie in den Arm. Muss sie einfach an mich drücken. Sie schaut mich etwas verwirrt an, ich ignoriere es, nehm sie an der Hand und wir gehen weiter. Zum Essen. Sie hat sich schnell wieder im Griff.
Auf dem Weg zum Auto habe ich sie dann geküsst. Sie hat es nur einen Moment zugelassen. Und als sie es dann in die Freunde-Schiene drücken wollte, hab ich eine klare Grenze gezogen: Freunde hab ich genug. Wir werden uns also nicht wieder sehen. Schade, ist eine tolle Frau. Sie wird noch so manchem Kerl den Kopf verdrehen. Und irgendein Glückspilz wird mehr Zeit mit ihr verbringen können. Doch es ist kein Neid in mir, ich hatte einen tollen Abend.
Heimfahrt auf dem Stadtring, Zeit zur Fehleranalyse. Positiv: Comfort war da, sie hat sich wohl gefühlt. Anziehung war wohl das Problem. Es gab zu wenig Berührungen, ich war zu wenig sexuell. Meine Gier nach fremder Haut macht mich wohl auch Needy. Hätte ich sie gleich am Anfang küssen sollen? Nein, ich glaube nicht. Sowas wirkt niemals natürlich - nicht nach fünf Minuten. Egal: es war einer der Besten Abende seit Langem. Ich hab immer noch ein Grinsen. Und Morgen werde ich andere Frauen anschreiben. Alles von vorn.
Das was ich an den Wundertüten so geliebt habe, war nicht das, was drin gesteckt hat. Sondern der einzigartige Moment auf den alles hinauslief. Scheint so, als hat sich da bis heute nicht viel geändert.
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