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Salah

Eintrag erstellt von DeanNarratore · - 1045 Ansichten

Hallo liebe Leute,

über das Wochenende war ich viel im Zug unterwegs. Manch einer von euch kennt das sicher, entweder liest man ein Buch, beschäftigt sich mit Handy oder Computer, oder man unterhält sich mit einer anderen Person. Diese Episode handelt von Letzterem...

Schon müde und mit einem immer schwächer werdenden Arm beschließe ich nicht mehr den IC nach einem freien Platz zu durchzechen, sondern bleibe einfach inmitten des Ganges stehen. Stelle meine große Niketasche neben einer No-Name-Tasche ab und hole mein Buch heraus und beginne ab der Markierung, die mich von den letzten 20 Seiten trennt, an zu lesen. Zielsetzung war es an diesem Wochenende es durchzulesen.

Als der Zug ruckelte und schaukelte hörte ich ein klirren, nicht weit von mir entfernt, schaute nach und sah einen sitzenden Mann. Es sind seine ausgetrunkenen Becks Flaschen in der Lidl-Tüte gewesen, die umgekippt waren. Ich schaute ihn an und half ihm damit seine Flaschen, die hinaus gerollt waren, einzusammeln. Er bedankte sich und lächelte. Er war nicht betrunken. Er fragte mich wie ich heiße

"Nenn mich einfach Dean - Und Sie?"

"Ich bin Salah"

Salah ist ein Tunesier, spricht drei Sprachen (Französisch, Arabisch und Deutsch), lebt in einer eher ländlichen Gegend und ist damals mit 23 Jahren nach Deutschland gekommen. Er verliebte sich in eine Deutsche Urlauberin und sie sich wohl auch in ihn...

Es heißt das man von den Menschen am meisten lernt, denen man nebenbei begegnet. Ich glaube Salah hat mir nichts groß beigebracht - er hat mich erinnert.

"Ich schicke Geld nach Tunesien für Familie, 200 Euro."

"Ist das viel für die?"

"Ja, aber es ist nicht nur Mutter unten."

Salah ist kein Einzelschicksal, als Einziger in einem fremden Land, gezwungen hart zu sein. Ich verstehe seine Sorgen, ich glaube deshalb hatten wir nicht nur diesen typischen 'Bahn-Small-Talk'.

"Glaub mir mein Junge, sagte er, ich habe meine Mutter seit 10 Jahren nicht gesehen, nur per Skype, als sie sagte ich sähe aus, wie mein Vater damals..."

"Ist er verstorben?"

"Ja, vor zwei Jahren. Ich konnte ihn noch nicht besuchen."

Beeindruckend war an ihm nicht unbedingt seine Stärke, sondern die Lebensfreude, die er während seiner Ausführungen durchscheinen ließ.

Wir sprachen über die Flüchtlingsmisere und er erwähnte auch seine originären Pläne über Marokko nach Gibraltar zu gelangen, da er aber besagte Frau kennenlernte verwarf er diese Planungen und kam so nach Europa. Er war mit ihr fünf Jahre zusammen (davon vier verheiratet) und hat mit ihr bis heute einen freundschaftlichen Kontakt. Er erzählte von seinem Bruder und wie er bei der obig erwähnten Meerenge scheiterte und wieder schwimmend zurück an Land schwomm. Sein Bruder sei der Einzige aus dem Boot der überlebte und doch nicht dort wo er sein überleben feiern kann.

Solche Menschen wie Salah sind es, die mit ihren Schicksalen auf heutzutage ertaubte Ohren in Europa stoßen. Klar: Man kann nicht alle nach Europa holen, aber man kann denen, die schon hier sind und arbeitstüchtig sind, wenigstens eine Möglichkeit bieten. Man siehe wie bei Salah, sie wird ergriffen werden.

Als Salah ausstieg und ich alleine zurückblieb nahm ich wieder mein bei Seite gelegtes Buch und laß noch vier Seiten, bevor ich selber den Zug verließ. Ich würde mich eigentlich ärgern, dass ich mein Ziel nicht erreicht habe, aber dieses Mal habe ich es nicht bereut, denn Salah werde ich wohl niemals vergessen.

Euer DeanNarratore



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