Der Fluch des Zerfahrens / Ortos Traum
Eintrag erstellt von Wizardry · - 972 Ansichten
Ach Orto, was für ein zerfahrener Geist du doch bist! Ein vergleichsweise wirklich guter, das möchte doch betont werden, jedoch viel zu zerfahren. Stell' dir vor, gestern beobachtete ich dich einmal. Du kamst aus der Türe spaziert mit erhobenem Haupt und Stolz im Gesicht (Zumindest wirkte dein ganzes Auftreten ja doch sehr stolz, du lächeltest dir selbst vertrauend) und gingst wackeren Schrittes entschlossen durch die belebten Straßen der Stadt. Und Orto, ich sah dich auch als du schließlich in den Supermarkt gingst, hatte ich doch endlich den Grund deiner kleinen Expedition erfahren. Aber was geschah? Was geschah, als sich plötzlich das Strahlen aus deinem Gesicht verflüchtigte? Stattdessen, ich konnte es doch ganz genau beobachten! Stattdessen fiel dein Gesicht zusammen, unter Sorgenfalten verborgen. Du bewegtest dich heftigst, griffst in deine Hosentaschen, auf der Suche nach etwas, und ich dachte mir schon was es war, oh du Zerfahrener.
Hattest tatsächlich den Einkaufszettel vergessen, Orto. Wenn es das doch gar gewesen wäre, im Endeffekt wäre es nicht halb so schlimm? Noch vor einer halben Stunde hattest du ihn doch geschrieben, und wenn auch die physische Liste fehlte, so warst und bist du doch im Stande, eine „mentale Liste“ zu rekonstruieren, oder nicht? Da war mir dein Schicksal endlich bewusst geworden, Orto. Du flohst aus dem Supermarkt, doch gingst du nicht etwa ihn zu holen; du verlorst dich im Dickicht der Stadt.
Fast war mir, es dir zuzurufen, Orto, dir zuzurufen: „Konzentrier' dich, konzentrier' dich, Orto!“, doch wäre mir das im physischen Sinne ganz und gar nicht möglich gewesen, hätte ich es auch zu hundert Prozent gewollt. Nichts als kürzeste Instanzen der Konzentration nimmst du noch wahr, dabei war mir immer, als gäbest du viel für die Schöpfung. Fehlgeleitete Energie ist mehr als nur Verschwendung, ist ein Einfahren der falschen Wege und Trassen im Puren, lieber zerfahrener Orto. Kommst zurück, springst, hüpfst ungeduldig, bist nie an einer Stelle, weder in dieser, noch in der zweiten Welt; diese der Spinnennetze voll der Kommunikation und Information, diese voll des Gedankenflusses.
Ungern, du guter Mensch, sah ich zu allerletzt auch deinen Traum. Diesen mit den Wolken. Du blicktest in den azurblauen Himmel, welchen zwei kleinere Wolken an seiner Vollkommenheit störten. Bezaubernde Schönheit überkam dich, und es war, als saugte dein Körper diese wahrhaftig auf (Weil dein ganzes Wesen dürstete, endlich wieder – wirklich – etwas aufnehmen zu können), und so wurdest du zu einer Art Luftballon, der den beiden Wolken entgegen schwebte. Näher kamst du, warst bald vor ihnen, und doch fühltest du dich so weit entfernt. Glitzernde Blitze flogen nun durch den noch immer azurblauen Himmel, als letztlich die Wolken aufbrachen und alles andere dunkel wurde.
Mit Worten ist kaum zu beschreiben, wie dieser... dieser „Stern“, sollte er in deinem Traum nun die Vernunft oder gar Gott darstellen, sich zwischen den Wolken herauspresste, um seinem Frust schließlich Ausdruck zu verleihen. „Orto!“, hallte es. „Orto! Konzentriere dich! Konzentriere dich, Orto!“ Und augenblicklich, doch, das sah ich ganz genau, wurde all die von dir gesammelte Wahrnehmungsschönheit einfach herausgelassen – sie war eben nicht nachhaltig – und zu deinem bedauern musstest du feststellen, dass du im Begriff warst zu fallen, nein!, du fielst bereits. Und wachtest endlich auf.
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