Tag 1
Einleitung:
Es fing auf Tinder an. Aus purer Langeweile wischte ich in einer freien Minute hin und her. Erwartungen hatte ich keine. Mehrfach bekam ich die Bestätigung ,,Match“. Nicht im Ansatz hätte ich mir vorstellen können, was in den Monaten seit Februar 2017 alles passieren und mich aus der Bahn katapultieren würde . Nicht im Entferntesten kam ich auf die Idee, eines der Matches anzuschreiben. Dumm nur, wenn die Person gegenüber da ganz andere Sachen im Sinn hat. Einen Tag später summte das Handy. Nachricht auf Tinder. Mail gecheckt, Foto gecheckt. Fotos täuschen ungemein doch dieses eine war mir direkt sympathisch. Gut, schreibst du zurück. Und so entwickelte sich eine nette Konversation, die alsbald auf Whatsapp verlegt wurde. Einige Tage später folgte das erste Date. Sie sah noch besser aus als auf den Fotos, war witzig, charmant, unheimlich klein aber eine der toughesten Frauen die mir begegnet sind. Und das waren mit 35 Jahren so einige.
Der erste Abend war himmlisch. Wir hielten unter Decken eingekuschelt Händchen, wärmten uns und redeten stundenlang. Sie betonte immer wieder, dass sie mich schon einmal gesehen habe und wollte tatsächlich wissen, ob wir uns denn wiedersehen. Hallo? Na klar.
Schon beim zweiten Date übernachtete ich bei Ihr. Der Sex war gigantisch. Teils wild, hemmungslos und trotzdem vertraut. Sie war in vielerlei Hinsicht ein Spiegelbild von mir. Beruflich sind wir beide viel unterwegs. Die Zeit war knapp. Die Stunden, die wir gemeinsam hatten, wurden ausgiebig genutzt. Doch irgendwo haben wir uns verloren. Es half nichts, dass wir in derselben Stadt wohnten, wenn man teils hunderte Kilometer beruflich bedingt über Tage getrennt ist. Die Telefondates aus den Hotels wurden kürzer, die Launen schlechter. Ich bekam es gar nicht mit, wie anhänglich und needy ich wurde und so kam im Oktober die unausweichliche Trennung. Acht tolle aber auch schwierige Monate. Ein Schlag ins Gesicht. Hier erst merkte ich, wie sehr ich vom coolen Typen zum Ultra-AFC mutiert bin. No Shit Sherlock, so etwas ist mir in keiner Beziehung passiert. Ich war doch immer derjenige, der die Herzen brach, der von den Exen angehimmelt wurde. Es musste ein Veränderung her.
Ich beschloss für mich, meinen Sport zu intensivieren inklusive Ernährungsumstellung, neues Styling, neue Pflegeprodukte alles was man so machen kann. Ich stylte meine komplette Bude um. Ich feierte wie ein bescheuerter, schleppte Frauen ab, ,,FTOW“ wie man so nett sagt. Regame? Hell yeah. Ich fühlte mich bereit. Anders ausgedrückt: Es ging mir von Tag zu Tag besser…dachte ich bis gestern. Früher oder später musste es so kommen. Eine Nachricht: ,,Du mochtest doch meine Vitrine so gerne. Ich verkaufe die und paar andere Möbel.“ Sie zieht weg. Weit weg. Beruflich natürlich. Haushaltsauflösung. Eine Nackenschelle epischen Ausmaßes. Nun sitze ich hier und frage mich, für wen ich die letzten Monate trainiert habe, für wen ich mein Leben komplett umgekrempelt habe. Für mich? Diese Frage mit Ja zu beantworten wäre eine freche Lüge. Soviel muss ich mir inzwischen eingestehen. Noch nie hat mich ein Mensch so sehr eingenommen, so ein Gefühlschaos in mir ausgelöst. Sie steht bei mir auf einem Podest, da ist der Turm zu Babel ein Witz gegen. Doch was gibt sie mir, was ich anscheinend nicht habe? Dies muss ich herausfinden, um aus diesem derzeitigen Loch herauszukommen. Das Leben geht weiter…klar doch zur Zeit sehe ich kein Licht am Ende des Tunnels. Diese endgültige Gewissheit muss ein Anfang sein. Hier und jetzt. Doch wo beginnen? Alternativen schaffen? You don’t say. Habe ich ohne Ende. Seit heute Morgen x Mails wie es mir ginge, wann man sich mal wieder trifft, ob ich mir auch eine Beziehung vorstellen kann das volle Programm von mehreren Frauen. Es ist für mich der falsche Weg. Weder lenken mich andere Frauen ab noch verarbeitete ich das geschehene. Im Gegenteil: Meine Defizite habe ich nur erfolgreich verdrängt. Die Wurzel des Übels liegt woanders. Oder Wurzeln? Next Stop: Beruf. Ich mochte meinen Beruf. Bisschen rumkommen nette Leute kennen lernen und gutes Geld. Doch irgendwie muss es mit 35 Jahren noch etwas Anderes geben. Ich möchte mich hier eher settlen. Bevor ich mir weitere Gedanken mache, muss in den folgenden Tagen erst einmal folgendes Eintreten: Die vollständige Akzeptanz der derzeitigen Situation. Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, sie nie wieder zu sehen. Klingt sehr melancholisch, i know, doch dies entspricht eben den Tatsachen. Und so fühle ich mich derzeit. Wem es ähnlich geht: Haltet die Ohren steif.
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